Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und der Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland (BDAJ) bemängeln, dass die kommenden Wahlen in der Türkei nicht fair ablaufen werden. Denn seit Jahren arbeiten Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine Partei AKP an der Aushöhlung demokratischer Strukturen im Land.
"Um seine konservative Wählerschaft zu mobilisieren, setzt er immer mehr auf Hetze gegen ethnische und religiöse Minderheiten", erklärte Tabea Giesecke, GfbV-Referentin für ethnische, sprachliche und religiöse Minderheiten und Nationalitäten am Dienstag in Göttingen. "Das Regime Erdoğan ist auf Machterhalt getrimmt. Die Weichen dafür stellt er seit Jahren: Er lässt Oppositionelle verhaften und hat Gerichte und Behörden mit Parteimitgliedern besetzt. Es ist daher mehr als fraglich, ob die bevorstehenden Wahlen demokratischen Standards genügen können."
In den vergangenen Wochen wurden hunderte Angehörige von kritischen Organisationen, Kunst- und Medienschaffende sowie Oppositionelle inhaftiert, stets unter dem Vorwand einer Nähe zu "Terrorgruppen". "Diese Methode geht Hand in Hand mit dem Versuch die zweitgrößte Oppositionspartei HDP zu verbieten und von loyalen Gerichten Politikverbote aussprechen zu lassen", so Helin Tufan, Bundesvorsitzende des BDAJ. Die pro-kurdische HDP könnte noch vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 14. Mai verboten werden. Sie tritt daher bei den Wahlen über die Liste der Grünen und Linken Partei (Yeşiller ve Sol Gelecek Partisi) an.
Seit dem Putschversuch von 2016 säubert der türkische Präsident systematisch Ministerien und das Militär. "Noch heute werden Staatsbedienstete mit Razzien und Wohnungsdurchsuchungen eingeschüchtert und so auf Linie gebracht. Wer nicht spurt, wird verhaftet, die freien Stellen werden mit eigenen Leuten besetzt", berichtete Giesecke. "Das Regime übt inzwischen eine weitgehende Kontrolle über die Behörden und Gerichte aus. Wenn Wahlergebnisse angezweifelt werden, ist die AKP in einer unschlagbaren Ausgangsposition."
Die Verfolgung von Oppositionellen, ethnischen und religiösen Minderheiten und allen, die die Macht des türkischen Präsidenten und der AKP bedrohen, zeige, zu welchen Mitteln Erdoğan greift. "Wir fordern endlich Demokratie in der Türkei und die Abschaffung des Präsidialsystems", so Tufan. Die GfbV und der BDAJ rufen auch die deutsche Politik dazu auf, endlich eine kritische Haltung gegenüber der türkischen Regierung einzunehmen und völkerrechtswidrige Machenschaften zu verurteilen.