Kolumne: Sitte & Anstand

US-Prophet: Wegen mir hat Gott das Virus geschickt

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Was ist Gott? Eins ist klar: Ohne Leute ist er nix. Ein Planet ohne Menschen drauf kennt keine Götter. Ist ja auch niemand da, der einen braucht.

Ein Planet mit Menschen drauf kommt ebenfalls eine Weile ganz gut aus ohne Gott. So wie er ohne Waffen gut auskommt. Ohne Privateigentum. Ohne Besitzdenken und Ausbeutung von Mensch und Natur. Naja. Das sind nur zufällige Koinzidenzien. Irgendwann jedenfalls ist Gott plötzlich da. Erst als vages Gefühl, dann als eine Ahnung von Naturgeistern, dann als bunte Vielfalt eines Götter-Panoptikums. Schließlich fegt er all diese Schemen hinweg und gibt sich zu erkennen: Ich bin's, Gott. Dein Freund und Helfer. Every breath you take, I'll be watching you.

Mit Gott fühlen sich die Leute stärker als ohne Gott. Kein Wunder. Sie sind plötzlich unsterblich, sie gehören plözlich zum tollsten Volk der Welt, sie dürfen plötzlich andere Leute killen, weil die einen anderen Gott haben. Wenn sich der Erste einen Gott angeschafft hat, müssen alle anderen nachziehen. Mit Gott schwingst du dich in die höchsten Höhen auf, ziehst du das ganze Universum auf deine Seite, mit Gott im Bunde kannst du über alles lachen: Logik, Experiment, Peer Group Review. Pipifax alles! Du besiegst das Denken.

Gott, kurz gesagt, ist ein Ego-Booster sondergleichen, er macht dich unverwundbar, übermoralisch, transzendent – und du fragst dich auch gar nicht mehr, ob man das weggetauschte Gehirn zu etwas hätte gebrauchen können. Die Menschheit zerfällt dir in zwei Hälften: die paar, die immer rumdenken und rumkritteln, die immer noch einen Beweis hinter dem Beweis suchen. Und dann die anderen. Du sagst Gottes Namen, sie lächeln selig und nicken voll Andacht. Gott!

Gott pimpt dich bis dort hinaus. Du kannst dich vor ein Publikum stellen, in einer seltsamen Kutte, du kannst die Arme ausstrecken, du bist so groß wie die Welt, und niemand darf kichern. Gott ist groß. Und nur eins ist noch größer als er, und das bist du: Denn du bis du plus Gott. Was für ein Deal! In den USA hat der notorische Prediger und Prophet Chuck Pierce es jetzt eindrucksvoll demonstriert. Von zwei selig lächelnden TV-Gastgebern interviewt, bekannte Pierce: Gott habe die ganze Covid-Pandemie inszeniert, um die Welt anzuhalten.

Und warum hat er die Welt angehalten? Richtig: Damit Chuck Zeit und Muße findet, seine Beziehung zu Gott zu erneuern. Klingt bescheuert? Total ineffizient? Hätten es nicht ein paar reitende, trompetende Engel getan, oder ein Jesus-Hologramm? Hm je nu, da geht Gott lieber auf Nummer sicher. Er will ja auch richtig verstanden werden. Und, ganz ehrlich: Es sind nicht immer die hellsten Kerzen, in denen sein Geist am lautesten flackert.

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