Verbot von Wildtieren im Zirkus

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Am 14. Oktober 2019 findet im Deutschen Bundestag die 35. Sitzung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft statt, auf der eigens geladene Experten zur Frage Stellung nehmen, ob die Mitführung von Wildtieren in Zirkussen weiterhin erlaubt oder aber aus Tierschutzgründen eingeschränkt beziehungsweise verboten werden soll.

Besonderes Gewicht kommt dabei der Expertise des von der CDU/CSU-Fraktion benannten Einzelsachverständigen Dr. Immanuel Birmelin zu, der den wissenschaftlichen Beleg erbracht haben will, dass Tiere im Zirkus nicht unter Stress stünden und daher auch keinerlei Leid oder Schädigung ausgesetzt seien. Weder die zirkusspezifischen Haltungsbedingungen in beengten Transportkäfigen noch die Dressur und/oder die Auftritte in der Manege würden zu einem erhöhten Stresslevel führen.

Zweifelhafte Cortisolspeicheltests

Birmelin, Gründer und Leiter eines in Freiburg im Breisgau ansässigen "Vereins für Verhaltensforschung bei Tieren", tritt seit Jahren als Kronzeuge der Zirkusbranche auf mit der Behauptung, es ließe sich über die Bestimmung des Cortisolspiegels im Speichel untersuchter Tiere – Cortisol ist ein körpereigenes Hormon – der Stresslevel der Tiere und damit ihr Wohl- oder Missbefinden objektiv messen. Birmelin untersuchte dazu exakt vier Zirkuslöwen, die er mit jeweils einer kleinen Gruppe an Zoo- und Safariparklöwen verglich (jeweils drei Tiere).

Foto: © Archiv GAP
Foto: © Archiv GAP

Zudem untersuchte er den Speichel von exakt drei Zirkuselefanten, vor einem Transport und währenddessen. Aus dem Umstand, dass er keine nennenswerten Unterschiede im Cortisolspiegel feststellen konnte, folgerte er, Zirkustiere würden weder durch Haltung und Transport noch durch Dressur und Zurschaustellung in der Manege gestresst: sie würden also nicht leiden. Weitere Untersuchungen zum Thema führte Herr Birmelin nicht durch, zumindest hat er nichts dazu publiziert. Aber auch seine originalen Untersuchungen, über die er in der Fachzeitschrift "Amtstierärztlicher Dienst und Lebensmittelkontrolle" (4/2013) berichtete, sind weit davon entfernt, als ernstzunehmender Beleg für seine Behauptungen gelten zu können. Gleichwohl wird seit Jahren von der Zirkusindustrie darauf Bezug genommen.

Wissenschaftlich besehen sind die Untersuchungen Birmelins schon vom Ansatz her wertlos, und das nicht nur der geringen Anzahl an Probanden wegen, sondern auch, weil sie natürliche Schwankungen des Cortisolspiegels im Laufe eines Tages oder auch saisonale Schwankungen nicht berücksichtigen. Zudem fehlt bei Birmelin jeder Referenzwert, das heißt: es hätte über einen längeren Zeitraum hinweg ein individueller Cortisoltagesspiegel für jedes Tier erstellt werden müssen, was Birmelin nicht gemacht hat. Und es hätten natürlich Vergleichsgruppen aus dem Freiland herangezogen werden müssen.

Überdies ist ein Parameter alleine, also nur der Cortisolwert, ohnehin ohne jede Aussagekraft. Am unsinnigsten aber ist die Behauptung Birmelins, die er wider jede wissenschaftliche Erkenntnis seit Jahren vorträgt, es ließe sich aus dem gemessenen Cortisolwert eins-zu-eins eine Aussage über Wohl- beziehungsweise Missbefinden eines Tieres treffen. Birmelin ist, wissenschaftlich besehen, als Kronzeuge für die Stress- und/oder Leidensfreiheit von Zirkustieren unbrauchbar.