Wurden die Nürnberger Paviane ein Opfer von Befindlichkeiten und Bürokratismus?

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Guineapaviane (Papio papio) in freier Wildbahn
Guineapaviane

Drei Wochen ist es nun her, dass der Tiergarten Nürnberg zwölf gesunde Guineapaviane aus Gründen des "Populationsmanagements" töten und verfüttern ließ. Der hpd hat noch einmal nachgehakt – wie konnte es so weit kommen, obwohl Übernahmeangebote im Raum standen?

Die Meldung machte bundesweit Schlagzeilen, die Empörungswelle rollte, der Zoodirektor erhielt gar Morddrohungen. Die Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen den Zoo in Nürnberg gehen mittlerweile in die Hunderte. Tierrechtsaktivisten veranstalteten ein Protestcamp, andere warnten vor einem gefährlichen Exempel, das hier statuiert wurde.

Der Tiergarten Nürnberg schreibt auf seiner Website von einem "letzten verbleibenden Schritt" nach "viele[n] Jahre[n] intensiven Abwägens und der Suche nach Alternativen". Unter anderem gab es Übernahmeangebote aus vier Ländern. "Aus keinem der Angebote hat sich eine konkrete Übernahmemöglichkeit für unsere Guinea-Paviane ergeben", so die Bilanz des Tiergartens. Bei einem dieser Anbieter hat der hpd nachgefragt: beim Wales Ape and Monkey Sanctuary (WAMS) in Großbritannien, das mit dem Great Ape Project (GAP) assoziiert ist, das sich für Grundrechte von Menschenaffen einsetzt. Dreh- und Angelpunkt des Kommunikationsversagens scheint ein Fragebogen zu den Haltungsbedingungen zu sein, welchen der Tiergarten an das GAP und das WAMS gesendet hatte. Der Tiergarten schildert den Verlauf wie folgt:

"Die erste Anfrage des GAP ging am 12. Februar 2024 via Dr. Colin Goldner ein. Am 20. Februar 2024 übersendete der Tiergarten den Fragebogen an Dr. Goldner, am 14. März erneut zusätzlich auch an das WAMS mit der Beantwortungsfrist zum 12. April. Zu dieser E-Mail erhielt der Tiergarten zwar die Übermittlungsbestätigungen, allerdings keine Antworten auf die Fragen. Am 17. Mai 2025 erhielt der Tiergarten eine erneute Anfrage zur Aufnahme der Paviane von Dr. Goldner 'namens und im Auftrag' des WAMS. Auf die Antwort des Tiergarten hin wurde um 'erneute Übersendung' des Fragebogens gebeten, dieser Bitte kamen wir nach. Die Frist, diesen bis zum 31. Mai 2025 vollständig ausgefüllt an den Tiergarten zurückzusenden, ließ das GAP unkommentiert verstreichen. Weder GAP noch WAMS haben seither wieder Kontakt mit dem Tiergarten aufgenommen. Im Juli 2025 hat der Tiergarten Nürnberg hat den Direktor des WAMS, Graham Garen, nochmals direkt kontaktiert. Auf dieses persönliche Schreiben hat Graham Garen geantwortet, aber keine Angaben gemacht, ob oder wie viele Tiere das WAMS aufnehmen könnte oder wollte. Der Fragebogen ist bis heute unbeantwortet."

Der hpd hat das WAMS kontaktiert und nachgefragt. Ein Sprecher des Projekts antwortete, man kümmere sich seit 25 Jahren um Mantel- und Anubispaviane. Zoo, Zooverband und Erhaltungszuchtprogramm hätten jegliche finanzielle Unterstützung verweigert "und erwarteten von unserer Wohltätigkeitsorganisation, dass sie das gesamte Geld für den Bau eines komplett neuen Komplexes für eine neue Tierart aufbringt, was bis zu 1 Million Pfund gekostet hätte." "Außerdem beleidigten sie uns mit einem Fragebogen, der voller Sorge um das 'Wohlergehen' ihrer Guineapaviane war", lauten die Vorwürfe weiter. Es habe keinen persönlichen Anruf oder Besuch gegeben, wie es sogar Laborleiter getan hätten, als das WAMS ihre Tiere aufgenommen habe. Man habe den WAMS-Direktor auch nicht zu einem Besuch eingeladen, um Möglichkeiten zu besprechen, obwohl er seitdem fünf Mal in Deutschland gewesen sei. "Der Zoo hat nie in Betracht gezogen, seine Paviane in unsere Auffangstation zu überführen", ist sich das WAMS sicher, "und benutzt diesen Fragebogen als Ausrede. In ein paar Jahren werden sie sich in derselben Situation befinden."

Mit einigen der Aussagen des WAMS konfrontiert antwortete der Tiergarten Nürnberg dem hpd: "Wir sind nicht bis zu einem Anruf oder Besuch gekommen, weil das WAMS bis zum Juli 2025 keine unserer Fragen beantwortet hatte und auch keine Antworten in Aussicht gestellt hatte – das wäre ein erster Schritt hin zu einer professionellen Zusammenarbeit gewesen, in deren Rahmen auch ein persönlicher Austausch hätte stattfinden können. Über die Reiseaktivitäten des Direktors liegen uns zudem keine Informationen vor." Auf die Frage, warum der Tiergarten Nürnberg auch bei nicht abschließend geklärten Haltungsbedingungen eine Tötung als bessere Variante gegenüber einer Abgabe an das Wales Ape and Monkey Sanctuary erachtete, erklärte der Zoo: "Institutionen, die ernsthaft an der Übernahme von Tieren interessiert sind, liefern auf Nachfrage immer die für die Entscheidungsfindung nötigen Informationen. Da dies beim WAMS nicht der Fall war und nicht in Aussicht gestellt wurde, konnten wir nicht von einer ernsthaften Übernahmeabsicht ausgehen."

Es steht also Aussage gegen Aussage – die Auffangeinrichtung behauptet, der Tiergarten habe nie vorgehabt, ihnen die Paviane zu übergeben, der Tiergarten meint, das WAMS sei nicht ernsthaft an der Übernahme interessiert gewesen. Beide machen ihre Sicht der Dinge an besagtem Fragebogen fest. Von außen betrachtet wirkt es, als seien die Paviane verhärteten Fronten zum Opfer gefallen, die sich als Konfliktparteien nicht zu einer kompromissorientierten, pragmatischen Kommunikation und Lösung durchringen konnten. So wird dem Tierschutz und dem Ziel, die unnötige Tötung von Tieren zu verhindern, ein Bärendienst erwiesen.

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