Verhüllungsverbot: Der Kurs stimmt

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Die Dialektik von Islamismus und Diskriminierungsgetöse treibt im Wochentakt immer neue Blüten. Da verlangt eine Studierende, der Göttergatte solle sie auf Staatskosten beim Auslandssemester begleiten. Andere wiederum bestehen auf Räumlichkeiten für ihre fünf täglichen Gebete. Da muss zur Not das Kartenzimmer der Schule herhalten. Hier lässt sich die Illusion von Weltläufigkeit wenigstens als optische Täuschung aufrechterhalten. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich Stundenpläne und Freizeitangebote an den religiösen Vorschriften ausrichten sollen.

Es bestätigt sich in all diesen Fällen die alte Erkenntnis, dass gerade religiös übermotivierte Personen jedes Entgegenkommen nur zu weitergehenden Nachforderungen verführt.

Damenoberbekleidung: Endstation islamistischer Sehnsüchte

Mit Vorliebe macht sich der Streit um das rechte Maß religiöser Vollkommenheit an der Damenoberbekleidung fest. Mal geht es um köpflich betuchte Pädagoginnen in der Grundschule, mal um den Sehschlitz einer Verkäuferin. Jetzt ist zur Abwechslung eine rundum verpackte Studentin aus Kiel an der Reihe, die als wandelnder Vorhang die Segnungen der akademischen Lehre konsumieren und die Gerichtsbarkeit bis zum Anschlag beschäftigen will.

Die Christian-Albrechts-Universität hat es ähnlich wie schon vor Jahren die Universität Gießen tatsächlich über sich gebracht, die Vollverschleierung des Gesichts in ihren Lehrveranstaltungen zu verbieten. Um jedoch den Zorn Allahs und der glaubensfrohen deutschen Gerichtsbarkeit nicht über Gebühr zu beschwören, dürfen die Damen auf dem Campus auch weiterhin mit Burka, Niqab und ähnlich züchtigen Gewändern für die modische Freizügigkeit des in himmlische Ungnade gefallenen Karl Lagerfeld Buße tun.

Lernen ohne Durchblick?

Wahrlich: In Zeiten allfälliger Wehklagen über Diskriminierungen vom Klo bis zum Himmelbett gibt sich eine Deutsche Universität nicht länger mit einem bloßen Augenschlitz zufrieden, durch den die renitente Konvertitin von der Kieler Förde aus das Licht der Welt zu erkennen glaubt. Nein, die Richtlinie der Uni hält mutig und entschlossen fest, es brauche in Forschung und Lehre eine offene Kommunikation, die nicht nur auf dem gesprochenen Wort, sondern auch auf Mimik und Gestik beruhe.

Wie einfach und wie wahr zugleich: Studierende müssen ebenso wie SchülerInnen im Unterricht klar erkennbar sein, damit die Lehrkraft ihre Antworten eindeutig zuordnen können. Sonst schreibt noch der große Bruder inkognito die Klassen- und Seminararbeiten. Es geht ja wohl nicht an, dass sich Madame Christo durch Verhüllung einen logistischen Vorteil verschafft, wenn sie selbst wie durch eine verspiegelte Sonnenbrille unkenntlich bleibt, selbst aber alles genau beobachten kann. Soziale Kompetenz sieht anders aus; nehmen ist eben besser als geben.

Die CDU-Bildungsministerin des Landes verkündet schneidig, das Schulgesetz in Schleswig-Holstein entsprechend ändern zu wollen. Der grüne Koalitionspartner muss da wohl ganz tapfer sein. Bisher hält ihr Sprecher noch die Burka als Fahne der Antidiskriminierung wacker in die Höhe.

Angesichts des herausragenden Talents deutscher Gerichte, sich in religiös motivierten Auseinandersetzungen mit einer geradezu kaninchenhaften Fruchtbarkeit justiziell zu verewigen, geht auch der Kieler Fall zu Gericht. Da stehen schon allerlei Sponsoren und ihre multikulturell verschleierten Hofbeamten der politischen Korrektheit mit geöffneter Brieftasche und offenem Mund bereit.

Für die Fans von trockenem Brot: Anmerkungen zur Rechtslage

Das Tragen einer Vollverschleierung in der Öffentlichkeit wird nach den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich vom Schutzbereich der Religionsfreiheit aus Artikel 4 Grundgesetz erfasst. Ein komplettes Verbot der Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum würde daher in Karlsruhe als unzulässiger Eingriff in die Religionsfreiheit der Burka-Modells verworfen. Das Grundgesetz verlangt nur gleichwertige Grundrechte, um der Religionsfreiheit Grenzen zu setzen; das nennt man Konkordanz (hat übrigens gleiche Wortgeschichte wie "Konkordat"). Eine lediglich einfachgesetzliche Regelung für ein generelles Verhüllungsverbot käme daher mit Artikel 4 Grundgesetz in Konflikt. Die Religionsfreiheit kennt keinen Gesetzesvorbehalt.

Anders stellt sich aber die Zulässigkeit der Beschränkung während der Lehrveranstaltungen oder in Prüfungen dar. Nicht nur die Religionsfreiheit ist grundrechtlich stark geschützt, auch die Freiheit von Forschung und Lehre hat einen ähnlichen Verfassungsrang. Sie kann nur durch andere Grundrechte und Verfassungsgüter eingeschränkt werden. Insofern ist ein Dozent, dem zugemutet wird, seine Studierenden nicht mehr erkennen zu können, auch in seinen Rechten verletzt. Er muss – ein wesentlicher Bestandteil der akademischen Lehre – erkennen können, ob seine Ausführungen verstanden wurden. Spricht er aber gegen Textilwände, geht ein zentrales Element der didaktischen Kommunikation verloren. Allerdings ist diese Freiheit der Lehre ein Privileg der Universitäten. Der Pauker am örtlichen Gymnasium kann sich nicht auf die Lehrfreiheit des Grundgesetzes berufen. Aber auch er sollte wissen, mit wem er spricht oder ob seine goldenen Worte eher den Tiefschlaf befördern.

Bei der Verfassungsmäßigkeit einer Beschränkung der Vollverschleierung in Universitäten stellt sich auch die Frage der Chancengleichheit der Studierenden untereinander. Während sich die einen – etwa bei der Feststellung von Anwesenheitspflichten oder bei Klausuren – "vertreten lassen" können, haben Zuchtlose ohne religiöses Brimborium keine Chance zum Abtauchen. Ob hingegen auch multikulturell so unerhebliche Fragen wie die Grundregeln des menschlichen Miteinanders und der wechselseitigen Erkennbarkeit, Verfassungsrang beanspruchen können, mag hier dahingestellt bleiben. Wem es nur darum geht, das eigene religiöse Ego auszuleben, ist soziale Kompetenz, menschliches Miteinander und wechselseitiger Respekt ohnehin fremd.

Kiel ahoi: Der Kurs stimmt

Die Entscheidung der Universität, der Studentin das Tragen eines Gesichtsschleiers in einer Lehrveranstaltung zu verbieten, ist in jedem Fall richtig, als konkrete Maßnahme und als Signal. Richtig ist auch die genannte Ankündigung von Bildungsministerin Karin Prien (CDU), die Vollverschleierung künftig auch aus den Schulen zu verbannen. Anders als beim Reformationstag als gesetzlicher Feiertag gibt es hier einen gelungenen Nordverbund. In Niedersachsen gilt das Verbot der Vollverschleierung bereits seit 2017. Leider hat sich damals die Humanistische Union (HU) gegen die Änderung des Schulgesetzes gestellt. Den Autor hat dieser Abschied vom säkularen Handeln seinerzeit dazu bewogen, den Beirat der HU nach über 20 Jahren zu verlassen.

Ein wichtiges Argument für den Erlass gesetzlicher Regelungen ist auch, die Entscheidung über die Unzulässigkeit einer Ganzkopfverhüllung nicht den einzelnen Schulen zu überlassen. Aber auch einzelne Landesregelungen greifen zu kurz. Es braucht einen gemeinsamen Beschluss aller 16 Kultusminister. Ansonsten müsste die Entscheidung den 40.000 Schulen vor Ort getroffen werden; eine wenig erstrebenswerte Aussicht.

Skeptisch zu sehen sind hingegen Bemühungen, im gesamten öffentlichen Bereich die Verhüllung Erwachsener zu verbieten. Die Erfahrungen in anderen Ländern stimmen nicht zuversichtlich. Der Nachweis eines äußeren Zwangs bei der Verkleidung ist zudem kaum zu erbringen.

Neben den genannten verfassungsrechtlichen Problemen sind Szenen wie das öffentliche Auswickeln einer französischen Burka-Dame am Strand von Nizza durch die Polizei schlicht abstoßend. Säkularität kann man nicht verordnen, sondern nur Schritt für Schritt voranbringen. Wollen wir wirklich in einem Staat leben, der vorschreibt, was wir anziehen dürfen und was nicht?