Kommentar

"Jede Frau, die das Kopftuch trägt, trägt damit das Patriarchat auf der Schulter"

frauen_kopftuch.jpg

An der Universität Würzburg hat es einen Streit über das Kopftuch einer Studentin gegeben, nachdem alle Anwesenden einer Vorlesung aufgefordert wurden, ihre Kopfbedeckung abzunehmen. Der Politologe und Islamkritiker Hamed Abdel-Samad ruft in einem Kommentar zur differenzierten Debatte auf

In Würzburg soll eine Professorin eine muslimische Studentin aufgefordert haben, das Kopftuch abzulegen. Das darf die Professorin natürlich nicht. Genau wie wir gegen Kopftuchzwang sind, müssen wir gegen alle anderen Formen von Bevormundung sein. Aber gleichzeitig ist es auch falsch, das Kopftuch als Zeichen der Freiheit und Selbstbestimmung zu verkaufen. Jede Frau, die das Kopftuch trägt, trägt damit das Patriarchat auf der Schulter, egal ob sie das so meint oder nicht. Sie transportiert dadurch bewusst oder unbewusst ein bestimmtes Frauenbild, das nichts mit Freiheit zu tun hat.

Dennoch darf kein Mensch sie zwingen, das abzulegen, es sei denn sie repräsentiert den Staat. Ich habe genau das bei einer Vorlesung an der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd am Dienstag vorgetragen. Daraufhin ist eine Studentin, die Lehrerin werden wollte und das Kopftuch trägt, demonstrativ aufgestanden, sie klappte ihren Stuhl laut hoch und spazierte langsam durch den Saal, schaute mich aggressiv an, verließ den Saal und sagte herausfordernd: "Dann Tschüss mal!"

Ich habe ihre anscheinend vorgeplante Aktion kritisiert und sagte, dies ist ein Zeichen vor Diskursunfähigkeit, und von einer zukünftigen Lehrerin erwarte ich Gegenargumente statt Beleidigtsein. Ein Professor für katholische Religionspädagogik antwortete, dass er die Studentin verstehe, denn sie muss in einer Vorlesung bleiben, wo ihre Gefühle verletzt werden und wo man mit ihr nicht auf Augenhöhe diskutiert. Meine Antwort war: Wenn eine Studentin, die auch noch zukünftige Lehrerin nicht imstande ist, auf Argumente mit Argumenten zu reagieren, dann hat nicht nur sie, sondern auch ihre Professoren versagt!

Ich muss aber dazu sagen, dass eine andere muslimische Studentin mit Kopftuch und viele andere ohne Kopftuch im Saal geblieben sind und danach mitdiskutiert haben! Falsch ist es, Muslime zu bevormunden, aber falsch ist es auch, sie kollektiv als Opfer zu stilisieren! Und es lohnt sich über die Freiheit zu streiten, denn keinem wird sie in die Wiege gelegt!