Kolumne: Sitte & Anstand

Warum Gendern noch nie funktioniert hat

binnen_i_rahmen2.png

Das mit dem Gendern habe ich nie verstanden. Also klar, in der deutschen Sprache werden Frauen untergebuttert, und gut ist das nicht. Es sollte geändert werden. Die Bestandsaufnahme schien dabei relativ einfach und zielte doch seltsamerweise immer wieder am eigentlichen Missstand vorbei: Dass männliche und weibliche Form nie gleichrangig waren.

Standardmäßig ist die weibliche Form eine Verlängerung der männlichen, gut zu erklären anhand von Berufsbezeichnungen: "Bäcker" – männlich. Klar erkennbar an der Endung "er". Wäre unsere Sprache gleichberechtigt, so hieße seine Kollegin, na, wie? Logisch: Bäckin.

Beide gehen derselben Tätigkeit nach, teilen sich also den Wortstamm. Er ist ein Er und hat eine Männerendung. Sie ist eine Sie und hat eine Frauenendung. Jedem Geschlecht seine Endung – das ließe sich dann problemarm auch auf ein drittes, viertes und fünftes Geschlecht übertragen. Spräche man über sämtliche professionell Backenden, so wären sie alle zusammen die "Bäcks", und seien wir ehrlich, für das Anfertigen von Kuchen und leckeren Brötchen ist es wirklich ziemlich egal, was für Geschlechtsorgane man gerade hat.

Eine gleichberechtigte Sprache böte uns also: Lehrer – Lehrin. Autofahrer – Autofahrin. (Hier bitte weitere Beispiele selbsttätig einfügen. Und, ja, bitte unbedingt über zwei oder drei Ausnahmen stolpern, bei denen es nicht funktioniert!) Es ist dasselbe Modell, das wir etwas aus dem Französischen kennen und da und dort übernommen haben: Cousin – Cousine. Flaneur – Flaneuse. Das Konzept ist gar nicht schwierig zu kapieren, ich habe es als interessierter Junge irgendwann mal in der Zeitung gelesen und konnte mich seiner Überzeugungskraft nie entziehen. Dem Großteil der Genderer*innen ist aber dieses grundsätzliche Problem stets völlig entgangen: Sie rammten das Binnen-I in die Wörter (BäckerInnen), sie versuchten es mit Sternchen und probierten dieses und jenes Interpunktionszeichen aus: Immer blieben "-in" und "-innen" das Anhängsel der männlichen Form. Immer blieb die Frau auf der Sprachebene ein Sonderfall, aus dem männlichen Regelfall abgeleitet, aufwändiger zu sprechen oder schreiben. Die weibliche Form war das kapriziösere, das kompliziertere Wort. Sie war das "Andere", gebildet aus der männlichen Form, ein Mensch zweiter Ordnung, so wie Eva aus der Rippe des Mannes geschnitzt worden ist.

Aber diesen einfachen Gedanken wollen im längst tobenden Krieg der Geschlechter die wenigsten auf sich wirken lassen, zu tief haben sie sich in ihre Schützengräben eingebuddelt und kommen da nicht mehr raus.

Nur der Ordnung halber hebe ich ab und zu das Fingerchen und versuche, auf den Witz aufmerksam zu machen: dass Feministinnen erbittert darum kämpfen, als Frau eine umständliche Abwandlung des Mannes zu sein. Doch selten hört jemand zu. Einmal habe ich in der FAZ darüber geschrieben, dann sprang irgendwo im Internet die feministische Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch auf, die sich vor langer Zeit mit dem Modell "Bäcker / Bäckin" beschäftigt und es verworfen hat ("zu ungewohnt"). War sie angetan, dass jemand diese bedenkenswerten Dinge noch einmal ventilieren mochte? Nein, empört war sie: Denn der Vorschlag war ja "uralt". Und, na klar: Indem er von mir kam, war das ein "krasser Fall von Mansplaining"! Ganz so, als hätte die Zeitung nur weibliche Lesende, und als würden sie von mir zum Lesen gezwungen. So geht's oft zu heute, leider: In die richtige Richtung denken und darüber reden darf nur, wer auch die richtigen Geschlechtsorgane hat. Oder, in Männersprache übersetzt: Fresse, sonst Beule.

Hinweis in eigener Sache: Die Redaktion und die Autor*innen des hpd haben gemeinsam entschieden, es den Autoren und Autorinnen selbst zu überlassen, welche Variante sie bevorzugen.

Unterstützen Sie uns bei Steady!