Inszenierte Debatte über Weihnachts- und Osterferien

Wie weit geht der französische Laizismus?

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Élysée-Palast, Sitz der französischen Regierung
Élysée-Palast

In Frankreich läuft der Vorwahlkampf für das Amt des 11. Staatspräsidenten der fünften Republik schon auf vollen Touren. Insbesondere die konservative UMP mischt die Debatten auf. Ihr Präsidentschaftskandidat François Fillon plant radikale Reformen. Zudem macht er um seinen festen Glauben kein Geheimnis, was im laizistischen Frankreich durchaus Anlass für grundsätzliche Debatten liefert. Fillons Parteifreunde missbrauchen diese, um das areligiöse französische Staatsverständnis lächerlich zu machen.

"Ich bin Gaullist und bekennender Christ, deshalb kann ich gar keine Entscheidungen treffen, die gegen die Würde des Menschen und gegen die Solidarität verstoßen." Mit diesen Worten rechtfertigte der konservative französische Präsidentschaftskandidat François Fillon kürzlich seine Pläne zur Reform des Sozialversicherungssystems, die er selbst als "radikal" bezeichnet und intensiv diskutiert werden. Denn immerhin will der praktizierende Katholik und Bewunderer von Margaret Thatcher die Wochenarbeitszeiten und das Rentenalter hochsetzen, um die hohen Kosten des Systems zu senken. Ein Ausgleich der Finanzierung über Steuererhöhungen für Vermögende und Unternehmen kommen für den wirtschaftsliberalen nicht infrage. Für all jene, die anderer Meinung sind, hält Fillon seinen eingangs zitierten Satz parat.

Der Fernseh- und Radiosender "France Info" lud den ehemaligen Vorsitzenden der konservativen UMP, Jean-François Copé, ein, um mit ihm über diesen Satz und Fillons öffentliches Bekenntnis zum christlichen Glauben zu sprechen. Ein durchaus nachvollziehbares Ansinnen, nachdem die Bedeutung der Religionspolitik in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen war. Hintergrund sind die von rechtskonservativ-christlichen Kreisen angeheizten Debatten über die "Ehe für alle" und das Adoptionsrecht von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern ("Loi Taubira") sowie das schwierige Verhältnis der Republik zu seinen muslimischen Bürgern – auch und angesichts der terroristischen Anschläge in Paris und Nizza. Copé aber war allein schon die Fragestellung zu viel, sie offenbare "die Heuchelei von dem Ganzen", echauffierte sich der Politiker. Denn er sieht das Problem nicht in Fillons christlichem Bekenntnis, sondern im Wesen einer vermeintlich zu engen Auslegung des französischen Laizismus.

Im Wortlaut sagte Copé: "Wir leben in einem Land, in dem es unmöglich geworden ist, beispielsweise von den Osterferien zu sprechen. Die heißen hier nicht mehr Osterferien, sondern – im Namen des Laizismus – Frühlingsferien." Weiter wird Copé von "France Info" mit folgenden Worten zitiert: "Wir haben kein Recht, von Weihnachtsferien zu sprechen." Von den augenscheinlich amüsierten Journalisten darauf angesprochen, wie er darauf komme, sagte der amtierende Bürgermeister der französischen Stadt Meaux: "Machen Sie sich ruhig über mich lustig. Aber unterhalten Sie sich darüber mal mit Schulleitern und Lehrern, dann werden Sie sehen, wie eng die Auslegung des Laizismus in unserer Republik derzeit ist."

Steht es wirklich so arg um die vermeintlich gebeutelte Republik, dass mögliche christliche Konnotationen aus dem Ferienkalender gestrichen werden, während im übrigen Europa interkulturelle Kalender erstellt werden (die, wie im Falle von Berlin, inzwischen auch den Welthumanistentag aufführen)? Die liberale Tageszeitung "Liberation" hat Copés Aussagen umgehend relativiert und als "Gehirnwäsche" bezeichnet. Tatsächlich wird im staatlichen Schulkalender exakt der Begriff "Weihnachtsferien" verwendet, auch die freien Tage über "Himmelfahrt" führen die christliche Tradition im Namen. Darüber hinaus heißen die französischen Herbstferien "Erntedank-Ferien". Tatsächlich nicht verwendet wird der Terminus "Osterferien", sie heißen "Frühlingsferien". Das allerdings sei kaum ein Grund, nun das laizistische Staatsverständnis infrage zu stellen, heißt es in dem Beitrag in der französischen Tageszeitung weiter, denn der Begriff "Osterferien" wurde ausschließlich zwischen 1962 und 1974 verwendet, unter den konservativen Präsidenten Charles de Gaulle und Georges Pompidou. Der liberal-konservative Präsident Valéry Giscard d’Estaing änderte dies. Die Idee, dass in Frankreich die "Weihnachtsferien" umbenannt werden könnten, sei 2012 das erste Mal in verschiedenen Onlineforen aufgetaucht und habe dabei oft neben islamophoben Äußerungen gestanden, schließt der Beitrag.

Hier schließt sich dann wieder der Kreis, denn Fillon nutzt –das Thema der weltweiten Christenverfolgung (das in Deutschland von evangelikalen Gruppen immer wieder auf den Plan gerufen und von Wolfgang Bosbach oder Volker Kauder großzügig aufgegriffen wird), um Stimmung gegen den Islam zu machen, wie der Deutschlandfunk in einem erhellenden Beitrag im Dezember deutlich machte.

Der Hintergrund der von Copé inszenierten Debatte könnte in Fillons sinkenden Umfragewerten liegen. Wie das Handelsblatt kürzlich berichtete, hat der konservative Kandidat in den vergangenen Wochen bis zu acht Prozentpunkte eingebüßt und liegt aktuell bei 28 Prozent aller Stimmen. Die Kandidatin des rechtsextremen Front National Marine Le Pen erreicht demnach zwischen 22 und 24 Prozent, der unabhängige Kandidat Emmanuel Macron zwischen 16 und 24 Prozent. Die Sozialisten haben noch nicht über ihren Präsidentschaftskandidaten abgestimmt.