Theologe polemisiert gegen die Feuerbestattung

Aus der Zeit gefallen

gotha_-_krematorium.jpg

Krematorium in Gotha, Feierhalle von 1913 (Postkarte, datiert 17.10.1913)
Krematorium in Gotha, Feierhalle von 1913

Der lutherische Theologe Tobias Brendel beklagte in einem Beitrag für ein christliches Magazin, dass sich immer mehr Menschen nach ihrem Ableben für eine Feuerbestattung aussprechen. Er ist der Auffassung, dass damit "mutwillig ein Werk des Schöpfers" zerstört werde.

Laut idea 1 meint Brendel, dass die Bibel nur die Körperbestattung im Erdreich oder im Felsengrab kenne. Christen – so der Theologe – würden an einen Gott glauben, "der selbst in seiner Menschwerdung den Leib angenommen" habe. Deshalb kommt er zum Schluss: "Verbrennen wir den Leib, zerstören wir ein Werk des Schöpfers mutwillig."

Damit steht Brendel in der Tradition des christlichen Kaisers "Karl der Große", der im Jahr 786 die Verbrennung von Toten verbot. Das Verbot galt bis 1878: In Gotha wurde am 10. Dezember des Jahres das erste Krematorium (in Deutschland) eröffnet; die erste Feuerbestattung in Deutschland fand jedoch schon vier Jahre zuvor 1874 in Dresden statt.

Bereits die Einführung der Feuerbestattung war eine freidenkerische Forderung. Es waren die Freidenkervereine, die – sozialdemokratisch determiniert – die Forderung nach der Möglichkeit der Feuerbestattung erhoben. Bereits damals im Gegenpart zu den allmächtigen Kirchen.

So bestand in Dresden der Verein "Die Urne – Verein für facultative Leichenverbrennung", der den ersten Europäischen Kongress der "Freunde der Feuerbestattung" veranstaltete (1876). Im Jahr 1905 dann bildete sich der Verband Freidenker für Feuerbestattung.

Die Kongregation für die Glaubenslehre unter Papst Leo XIII. untersagte am 15. Dezember 1886 Katholiken die Feuerbestattung sowie die Zugehörigkeit zu Feuerbestattungsvereinen und nannte die Feuerbestattung eine "barbarische Sitte". Das Dekret legte fest, dass für Katholiken, die letztwillig ihre Verbrennung verfügt hatten, keine kirchliche Begräbnisfeier gehalten und sie nicht auf dem Kirchhof bestattet werden konnten. Mit dem Codex Iuris Canonici von 1917 wurde dies ins Kirchenrecht aufgenommen. (Wikipedia)

Damit lassen sich die frühen Verfechter der Feuerbestattung als Vorläufer der Freidenkerbewegung und damit auch der heutigen Humanisten bezeichnen. Umso erschreckender ist es, wenn ein evangelikaler Theologe heutzutage noch mit Argumenten hantiert, die bereits vor 150 Jahren hinfällig wurden.

Nach Angaben der Wikipedia sind heute in deutschen Großstädten mehr als die Hälfte aller Beisetzungen Feuerbestattungen. Neben den Kosten spielen dabei auch ästhetische und hygienische Überlegungen eine Rolle. Darüber, dass ein zu Asche Verbrannter nicht mehr "leiblich auferstehen" könnte, macht sich jedoch kaum noch jemand Sorgen. So wächst in Deutschland die Rate der Feuerbestattungen pro Jahr jeweils etwa um ein Prozent.

Umsomehr kommen einem die Befindlichkeit des lutherischen Theologen Tobias Brendel wie aus der Zeit gefallen vor. Und es mutet seltsam an, wenn ein Vertreter der leibfeindlichen Kirche mitteilt, dass "der Leib … eine herrliche Zukunft vor sich (habe)" – wenn er denn tot ist.


  1. http://www.idea.de/glaube/detail/wir-zerstoeren-mutwillig-ein-werk-des-s... ↩︎