Der lutherische Theologe Tobias Brendel beklagte in einem Beitrag für ein christliches Magazin, dass sich immer mehr Menschen nach ihrem Ableben für eine Feuerbestattung aussprechen. Er ist der Auffassung, dass damit "mutwillig ein Werk des Schöpfers" zerstört werde.
Laut idea 1 meint Brendel, dass die Bibel nur die Körperbestattung im Erdreich oder im Felsengrab kenne. Christen – so der Theologe – würden an einen Gott glauben, "der selbst in seiner Menschwerdung den Leib angenommen" habe. Deshalb kommt er zum Schluss: "Verbrennen wir den Leib, zerstören wir ein Werk des Schöpfers mutwillig."
Damit steht Brendel in der Tradition des christlichen Kaisers "Karl der Große", der im Jahr 786 die Verbrennung von Toten verbot. Das Verbot galt bis 1878: In Gotha wurde am 10. Dezember des Jahres das erste Krematorium (in Deutschland) eröffnet; die erste Feuerbestattung in Deutschland fand jedoch schon vier Jahre zuvor 1874 in Dresden statt.
Bereits die Einführung der Feuerbestattung war eine freidenkerische Forderung. Es waren die Freidenkervereine, die – sozialdemokratisch determiniert – die Forderung nach der Möglichkeit der Feuerbestattung erhoben. Bereits damals im Gegenpart zu den allmächtigen Kirchen.
So bestand in Dresden der Verein "Die Urne – Verein für facultative Leichenverbrennung", der den ersten Europäischen Kongress der "Freunde der Feuerbestattung" veranstaltete (1876). Im Jahr 1905 dann bildete sich der Verband Freidenker für Feuerbestattung.
Die Kongregation für die Glaubenslehre unter Papst Leo XIII. untersagte am 15. Dezember 1886 Katholiken die Feuerbestattung sowie die Zugehörigkeit zu Feuerbestattungsvereinen und nannte die Feuerbestattung eine "barbarische Sitte". Das Dekret legte fest, dass für Katholiken, die letztwillig ihre Verbrennung verfügt hatten, keine kirchliche Begräbnisfeier gehalten und sie nicht auf dem Kirchhof bestattet werden konnten. Mit dem Codex Iuris Canonici von 1917 wurde dies ins Kirchenrecht aufgenommen. (Wikipedia)
Damit lassen sich die frühen Verfechter der Feuerbestattung als Vorläufer der Freidenkerbewegung und damit auch der heutigen Humanisten bezeichnen. Umso erschreckender ist es, wenn ein evangelikaler Theologe heutzutage noch mit Argumenten hantiert, die bereits vor 150 Jahren hinfällig wurden.
Nach Angaben der Wikipedia sind heute in deutschen Großstädten mehr als die Hälfte aller Beisetzungen Feuerbestattungen. Neben den Kosten spielen dabei auch ästhetische und hygienische Überlegungen eine Rolle. Darüber, dass ein zu Asche Verbrannter nicht mehr "leiblich auferstehen" könnte, macht sich jedoch kaum noch jemand Sorgen. So wächst in Deutschland die Rate der Feuerbestattungen pro Jahr jeweils etwa um ein Prozent.
Umsomehr kommen einem die Befindlichkeit des lutherischen Theologen Tobias Brendel wie aus der Zeit gefallen vor. Und es mutet seltsam an, wenn ein Vertreter der leibfeindlichen Kirche mitteilt, dass "der Leib … eine herrliche Zukunft vor sich (habe)" – wenn er denn tot ist.
8 Kommentare
Kommentare
Monika Müller am Permanenter Link
Hat sich dieser realitätsferne Theologe denn einmal angesehen, wie ein erdbestatteter Leichnam nach relativ kurzer Zeit aussieht, wenn Würmer, Insekten und Bakterien anfangen ihr Werk zu tun.
Auch bei Erdbestattungen bleibt von dem Körper früher oder später nichts mehr übrig. Wo ist also die Logik dieser Argumentation? Ich weiß, ich weiß: theologische Logik, die ist ja immer etwas abseitig.
Kay Krause am Permanenter Link
Liebe Monika, das verstehen Sie einfach nicht richtig: Die Würmer und Käfer sind ja auch Geschöpfe "Gottes", und wenn sie die Leiche nach und nach auffressen, dann speisen sie "vom Werk des Herrn".
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Schon erstaunlich, dass die Kirche Verbrennungen auf einmal ablehnt. Liegt es daran, dass in diesen Fällen die Leute schon tot sind?
Chr. Nentwig am Permanenter Link
Oh, oh....
Christian Nentwig
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Man sollte auch daran denken, ein Christ, der nach seinem Tode verbrannt wird, muss die Hölle nicht mehr fürchten! Und den Himmel schon gar nicht!
Noncredist am Permanenter Link
>> Christen – so der Theologe – würden an einen Gott glauben, "der selbst in seiner Menschwerdung den Leib angenommen" habe. <<
So what? Zur Erscheinung gehörte ein Menschenkörper. Punkt. Mehr sagt dies nicht aus. Wie soll man aus dem Wunsch sich einen Männerkörper zu bauen zu dem Schluss kommen, dass die Auspeitschung durch Römer oder dessen Kreuzigung irgendeinen Einfluss darauf hatte? Was? Es geht nicht? Also wie zum Teufel versucht man, eine Feuerbestattung eines Menschen(!), mit dem Menschenkörper eines Gottes(!) ein Verbindung zu bringen? Und was zum Teufel hat der Begriff "Schöpfung" dort zu suchen? Ein Antibiotika dürfte dann laut lutherischer Theologenlogik als Mittel zum brutalstem Genozid der Geschichte zählen. Unvorstellbar viele "Geschöpfe Gottes" wurden diesem Mittel zum Opfer! Oh, wie traurig! :)
>> Verbrennen wir den Leib, zerstören wir ein Werk des Schöpfers mutwillig. <<
Wenn wir stattdessen den Leib ESSEN, wie es die Katholiken so gerne machen, so zerstören wir ihn ja glücklicherweise nicht. Wir verdauen ihn nur und scheiden die Verdauungsprodukte hinten wieder aus ;)
>> Darüber, dass ein zu Asche Verbrannter nicht mehr "leiblich auferstehen" könnte, macht sich jedoch kaum noch jemand Sorgen. <<
Warum sollte man sich da auch Sorgen machen? Diese Behauptung wurde ja niemals überprüft. Es könnte(!) ja sein, dass ein allmächtiger Supergott, der angeblich ganze Universen erschaffen kann, auch Ascheprodukte zurück zu Körpermasse verwandeln kann. Oder auch nicht. Da weder ich, noch die Menschen in meiner Umgebung zu diesen ominösen Superwesen gehören, und ich auch keine wissenschaftliche Publikationen über die überprüften und bestätigten Fähigkeiten solcher übernatürlicher Wesen kenne, zweifle ich SEHR STARK am Wahrheitsgehalt einer solchen - meiner Meinung nach sehr stupiden - Behauptung.
Aber mir pers. ist es schnurzpiepegal. Wenn Gläubige sich in die Hose machen, dann sollten sie die FREIHEIT besitzen, sich gegen eine Feuerbestattung zu entscheiden und sich lieber begraben, mumifizieren oder von mir aus auch ausstopfen zu lassen. Ist ihr Bier ... und müssen sie auch finanziell selbst dafür aufkommen. Gönne ich ihnen. Und wer dem ganzen Zauberfirlefanz nichts abgewinnen kann, der verzichtet einfach darauf und lässt sich einfach verbrennen.
Falls irgendein Gott irgendwas dagegen haben sollte, so kann er gerne in das zugehörige Bürgerbüro seiner Partei gehen und seine Einwände mitteilen. Vorrausgesetzt er ist auch ein braver Bürger unserer Gesellschaft. Wenn nicht, dann nicht. Und falls dieses Superwesen irgendwann mal das profane Mittel der menschlichen Kommunikation nutzen sollte, so kann er gleich nebenbei den *anderen* Religionen mitteilen, weshalb sie falsch sind und - falls noch Zeit ist - gleich noch das Theodizeeproblem lösen. Ich warte solange ;)
Roland Fakler am Permanenter Link
Wir können daraus nur schließen, dass es für Gott leichter ist, einen von Würmern zerfressenen Körper wieder zusammenzusetzen als einen zu Asche verbrannten! Wer hätte das gedacht?
Klaus Bernd am Permanenter Link
Auch interessant, wie sich die katholische Kirche um ihre Widersprüchlichkeiten in dieser Sache herumwindet. Nachzulesen bei kathpedia.
Am 19. Juni 1926 heißt es noch in
dass dieser „barbarische Brauch“ „der beständigen Lehre der Kirche von ihren ersten Anfängen an völlig widerstreitet“ und den „Schutz der Gesundheit verherrlicht“ sodass „ihr ... für gewöhnlich Beihilfe oder Unterstützung zu leisten gottlos und anstößig und deshalb nachdrücklich unerlaubt ist.“
dagegen am 17. Dezember 2001 in
Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung Direktorium über die Volksfrömmigkeit und die Liturgie ,
dass sich „das Christentum sich immer [...] Einäscherung distanziert, ...“ habe, aber jetzt wo sie „angesichts veränderter Umwelt- und Lebensumstände“ üblich geworden ist, erlaubt ist.
Die „beständige Lehre der Kirche“ hat sich also dem Zeitgeist unterworfen. Bemerkenswert auch, wie abfällig 1926 das Heilige Offizium vom Schutz der Gesundheit spricht.