Am gestrigen Tag des Grundgesetzes wurde der diesjährige "Grundrechte-Report. Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland" im Haus der Demokratie und Menschenrechte in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt.
Der 27. Grundrechte-Report wirft unter dem Titel "Krieg, Klima, Krise" einen Blick auf die aktuellen Gefährdungen der Grundrechte und zentraler Verfassungsprinzipien anhand konkreter Fälle des Jahres 2022. Der Report analysiert und kritisiert Entscheidungen von Parlamenten, Behörden und Gerichten, aber auch von Privatunternehmen.
Hierzu gehören für das Jahr 2022 grundrechtliche Auswirkungen der Maßnahmen anlässlich des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und die wachsende Armut in Deutschland. Darüber hinaus werden im Report tödliche Polizeigewalt, rassistische Polizeikontrollen und Grundrechtsverletzungen an geflüchteten Menschen thematisiert sowie Einschnitte in die informationelle Selbstbestimmung und Probleme in der deutschen Justiz besprochen.
Der Report wird von zehn Bürgerrechtsorganisationen herausgegeben.
Susanne Baer, ehemalige Richterin des Bundesverfassungsgerichts und Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität zu Berlin, präsentierte den Grundrechte-Report in diesem Jahr: "Der Krieg in der Ukraine, die wirtschaftliche Lage, die viele Menschen belastet, und die Klimakrise fordern Politik und Gesellschaft – und sie fordern auch die Grundrechte heraus. Gerade wenn es eng wird, kommt es auf diese Rechte an. Der Grundrechte-Report deckt da Probleme auf. Dass im Familienrecht weiter frauenfeindliche Narrative wirksam werden, erschreckt ebenso wie der geschilderte Umgang mit Angriffen auf die Pressefreiheit. Teils müssen sich Justiz, Verwaltung und Gesetzgeber hier deutliche Kritik gefallen lassen. Ich stimme da nicht allem zu, aber das muss diskutiert werden. Berichtet wird ja auch, wo Gerichte bewegt werden können, um Grundrechte in neuen Konstellationen durchzusetzen – in der Polizeiarbeit, bei Streiks oder 'Klimacamps'. Klar ist jedenfalls: Grundrechtsfragen gehen alle an – und um überzeugende Antworten müssen wir ringen."
Simon Lachner, Aktivist der "Letzten Generation", berichtete bei der Pressekonferenz von seinen Erfahrungen mit dem staatlichen Umgang mit Aktionen der Klimaaktivist*innen. Er sagt: "Wie die Engagierten bei der Letzten Generation vom Rechtsstaat behandelt werden, ist teils erschreckend. Immer wieder sehe ich meine Freunde, wie sie mit Schmerzgriffen von der Straße gezerrt werden oder in die Justizvollzugsanstalt gesperrt werden – teils ohne Gerichtsverfahren, sondern auf Grundlage des Polizeiaufgabengesetzes in Bayern. Auch ich war für zwei Nächte in der Justizvollzugsanstalt in München."
Benjamin Derin, Rechtsanwalt und Mitglied des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. (RAV), resümiert stellvertretend für die gesamte Redaktion des Grundrechte-Reports: "Ob staatliche Überwachung, Ausweitung von Straf- und Polizeigesetzen oder Abbau von sozialen Sicherungen, wir weisen immer wieder darauf hin, wo die Grundrechte in Gefahr sind. Teile von Staat und Politik scheinen aber umgekehrt die Grundrechte mancher Menschen als Gefahr zu betrachten. Das Beharren auf diesen Rechten ist deshalb ein wichtiger Teil des Einsatzes für eine freiheitliche und soziale Gesellschaft für alle."
Grundrechte-Report 2023 – Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland (FISCHER Taschenbuch Verlag). Herausgegeben von: Rolf Gössner, Rosemarie Will, Britta Rabe, Benjamin Derin, Wiebke Judith, Sarah Lincoln, Lea Welsch, Rebecca Militz, Max Putzer, Rainer Rehak, ISBN 978-3-596-70882-6, 14,00 Euro
Der Grundrechte-Report 2023 ist ein gemeinsames Projekt von: Humanistische Union, vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative • Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen • Internationale Liga für Menschenrechte • Komitee für Grundrechte und Demokratie • Neue Richtervereinigung • PRO ASYL • Republikanischer Anwältinnen-und Anwälteverein • Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen • Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung • Gesellschaft für Freiheitsrechte