Österreich

Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe

WIEN. (hpd) Einer der Anführer der Sekte OPPT hat in Österreich Asyl beantragt. Er war verhaftet worden, nachdem er mit Dutzenden Mitstreitern versucht hatte, ein Femegericht über eine österreichische Anwältin abzuhalten. In seine Heimat USA, wo er polizeilich gesucht wird, will er keineswegs zurückkehren.

Wäre OPPT (One People Public Trust) nicht eine Sekte mit gewalttätigen Tendenzen und mehr als nur einer Neigung zur Selbstjustiz, man könnte den Asylantrag von “Sovereign” Terrance O’Connor getrost als jüngste Wende in einer Posse beschreiben.

Der Mann wird in den USA in Zusammenhang mit einem Polizistenmord polizeilich gesucht. Die USA haben von der Republik Österreich seine Auslieferung verlangt, nachdem er bei einem versuchten Selbstjustiz-Tribunal in Hollersbach im Waldviertel an der tschechischen Grenze festgenommen worden war.

Bei dem Tribunal hatte der US-Amerikaner eine leitende Rolle gespielt. Er dürfte sich selbst als eine Art Gesetzeshüter der Bewegung sehen. Er bezeichnet sich laut Medienberichten selbst als “Sheriff” und stellt “Haftbefehle” der Sekte zu.

Asylantrag verzögert Auslieferung

O’Connor will eines nicht: Zurück in die Heimat. Er hat jetzt bei der Republik Österreich um Asyl angesucht. Das verzögert seine Auslieferung. Die USA gelten wegen der Todesstrafe nicht als sicherer Drittstaat. Beantragen US-Behörden etwa, dass ihnen ein US-Staatsbürger ausgeliefert wird, können EU-Staaten dem Ansuchen erst stattgeben, nachdem es geprüft wurde. Auch ein Asylantrag kann – anders als etwa ein Antrag eines Kanadiers oder Deutschen – nicht im Schnellverfahren abgelehnt werden.

Und der Antrag verschafft dem Amerikaner zumindest einige Wochen in Freiheit. Er wurde aus der Schubhaft (Abschiebehaft, Anm.) entlassen und muss sich nur mehr in regelmäßigen Abständen beim nächsten Polizeiposten melden, bis die Sache entscheiden ist.

Wie O’Connor den Widerspruch rationalisiert

Die Sekte OPPT gründet auf der Überzeugung, alle Staaten der Welt seien “zwangsabgewickelt” worden – und würden nicht mehr als Staaten weiterexistieren sondern nur als Firmen, die mit einem neue Verträge schließen müssten.

Sämtliche Schulden seien liquidiert, ist man bei OPPT überzeugt. Staatliche Gesetze gelten nicht mehr. Was dem Asylantrag von O’Connor eine pikante Note gibt. Er stellt sich mit dem Gesuch unter den Schutz der Republik Österreich, die laut seiner Überzeugung nicht mehr existent ist.

Er selbst versucht den offenkundigen Widerspruch in einer Stellungnahme zu rationalisieren. Sie kursiert auf Blogs und Seiten von Mitgliedern und Unterstützern von OPPT: “Ich habe in ‘Österreich’ um ‘Asyl’ angesucht, um nicht gegen meinen Willen in die ‘Vereinigten Staaten’ deportiert zu werden, wo ich wahrscheinlich unweigerlich inhaftiert und ohne ‘fairen’ Prozess von der ’United States Corporation’ womöglich auch gefoltert würde. Obwohl ich von allen Verträgen samt Staatsbürgerschaft zurückgetreten bin. ‘Österreich’ wollte die Deportation erzwingen, was einer internationalen Verschleppung gleichkommt. Man hätte sich mit dem Unternehmen ‘United Nations’ einmal mehr verschworen – nur um nicht mir oder anderen zu Unrecht inhaftierten Menschen in ‘Österreich’ Schadenersatz leisten zu müssen für deren arglistige Verfolgung.”

Auch ein Sheriff braucht mal Hilfe.

Ein Drama beginnt

Zu den Dogmen von OPPT gehört auch, dass es keine staatliche Gerichtsbarkeit mehr gibt. Die Mitglieder haben ihr eigenes Gerichtssystem aufgezogen. Als “Rechtsgrundlage” müssen Begriffe wie “Naturrecht” und “Common Law” herhalten. Die Ähnlichkeiten zur deutschen Reichsbürgerbewegung sind offensichtlich. Inwiefern sich die Anhängerschaft überschneidet, ist unklar.

Im deutschsprachigen Raum fungierte zumindest kurzfristig ein Gehöft in Hollersbach als Zentrale. Der so genannte “International Common Law Court of Justice”. Für den wurde auch sicherheitshalber “diplomatische Immunität” ausgerufen.

Von hier aus wurden “Haftbefehle” ausgestellt. Unter anderem gegen eine Anwältin, die Sachwalterin eines der führenden Mitglieder der örtlichen Bewegung ist. Die Betreffende wurde entmündigt, in zahlreichen Rechtsgeschäften bedarf es der Genehmigung durch ihre Sachwalterin.

Dieser Anwältin galt auch das erste Feme-Tribunal der Sekte, das in Europa bekannt wurde. Sie schaltete die Polizei ein, als O’Connor sie versuchte zu nötigen, bei der Gerichtsverhandlung zu erscheinen. Mit einem langen Messer im Gürtel.

Die krude Welt des OPPT

Im Alltag nehmen sich die Attitüden der OPPT’ler auf den ersten Blick komischer aus. Ein Schweizer Anhänger beschreibt auf einer der Seiten der Sekte, dass er einfach beschloss, seine Steuern nicht mehr zu bezahlen. Das Kantonsgericht versuchte sie bei ihm einzutreiben. Er schildert den Briefwechsel mit dem Richter so: “Sein Schreiben an mich beinhaltet seinen Gerichtlichen-Entscheid nach gewohnter Vorgehensweise, der mir einen Gerichtskostenanteil der Gegenpartei zuschieben will. Diesen lehne ich dankend ab und schicke ihm im Gegenzug eine Rechnung für 1000.00 Silberunzen mit Verzichtserklärung, wegen der zugewiesenen Gerichtskostenbeteiligung. Dadurch ist er mit mir einen Vertrag eingegangen zu meinen AGB.” (Allgemeine Geschäftsbedingungen, Anm.)

Wenig überraschend endet das mitunter damit, dass das Vermögen der Betroffenen gepfändet wird und Gerichte sie für nicht geschäftsfähig erklären. So dürfte es auch der Besitzerin des Gehöfts in Hollersbach ergangen sein, von dem aus das Selbstjustizdrama seinen Ausgang genommen hatte.

Garniert wird das mit Verschwörungstheorien. Die Welt wird nach den Vorstellungen der OPPT’ler je nach Geschmacksrichtung in Wahrheit von der US-Regierung kontrolliert oder vom Vatikan. Mitunter auch von beiden. Die “Kapitalismuskritik” der Sekte trägt immer wieder antisemitische Untertöne.

Nach außen tritt man gerne im Verbund mit anderen mehr oder weniger esoterischen Splittergruppen auf.

Anhänger hauptsächlich Kleinunternehmer

Anhänger von OPPT sind – den Blogeinträgen nach zu urteilen – nahezu ausschließlich Selbstständige. Mehr oder weniger gut situierte Anhänger einer Mittelschicht, die sich oft in Lebenskrisen befinden. Der Frauenanteil dürfte der esoterischen Grundausrichtung der Sekte entsprechend ziemlich hoch sein.

Sofern ersichtlich, dürften nicht wenige OPPT’ler über die Alternativ“medizin” in die Szene gerutscht sein. So ist die Hollersbacher Gehöftbesitzerin selbstständige Masseurin mit Eso-Dreh. Andere Anhängerinnen und Anhänger verstehen sich als “ganzheitliche Heiler” oder sind überzeugte Verfechter der Heilpraktiker.

Das “mystische Waldviertel” zu ernst genommen?

Dass ausgerechnet das eher abgelegene Waldviertel zu einem kleinen Zentrum der Sekte wurde, könnte aus diesen Querverbindungen erklärbar sein. Um Touristen in die wirtschaftsschwache Region zu locken, propagieren Lokalpolitiker und Tourismusvertreter seit Jahren das “mystische Waldviertel”. Führungen zu “Kraftorten”, “magischen Steinen” und Ähnlichem gibt es dort allerorten, häufig vermischt mit Angeboten aus biologischer Landwirtschaft.

Vor allem für Wiener aus der Mittelschicht gilt die Region, die eineinhalb Autostunden von der Bundeshauptstadt entfernt ist, als Sehnsuchtsort mit Authentizität und Ursprungskraft.

Die Botschaft vom “mystischen Waldviertel” dürften manche Bewohner und einschlägige Besucher wohl etwas zu ernst genommen haben. Sehr zum Leidwesen der meisten Einheimischen. Seit dem Großeinsatz in Hollersbach dürfte die lokale OPPT-Szene freilich einiges an Gefährlichkeit eingebüßt haben. Die meisten Unterstützer von auswärts sind wieder abgereist.

Mit Ausnahme von Terrance O’Connor. Der will für immer bleiben. Dass man ihn lässt, erscheint zweifelhaft.