BERLIN. (hpd) Die Saarländische Ministerpräsidentin, Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), ist bekannt für ihren politischen Einsatz im Dienste der Religion. Nun hat sie sich in die Debatte um Kruzifixe in saarländischen Gerichtssälen eingeschaltet. Ein Kommentar.
Es ist nicht lange her, als Annegret Kramp-Karrenbauer die Öffnung der Ehe für Homosexuelle indirekt mit Inzest und Polygamie verglich und damit heftige Reaktionen auslöste. Ihre Aussage reihte sich in eine Liste religiöser Peinlichkeiten ein. So sprach sie sich kurz nach dem Attentat auf die Redaktion der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" gegen eine Streichung des sogenannten "Blasphemie-Paragrafen" (§ 166 StGB) aus. Denn dieser verdeutliche, dass Religion und die damit verbundenen Gefühle der Menschen ein schützenswertes Rechtsgut seien.
Im Gedächtnis ist auch ihr Einsatz für die radikalen Abtreibungsgegner von "Durchblick e.V." geblieben, die regelmäßg Plastik-Embryonen versenden, um Schwangerschaftsabbrüche anzuprangern. Verständnis für Kritik an der geschmacklosen Aktion hatte Kramp-Karrenbauer nicht. Im Gegenteil: "In einer Gesellschaft läuft einiges schief, wenn sich die Öffentlichkeit nicht mit 1.278 Abtreibungen allein im Saarland beschäftigt, sondern über eine Kampagne zum Thema aufregt", meinte die damalige Saarländische Familienministerin gegenüber der evangelischen Nachrichtenagentur idea.
Nun ist ein neues Thema gefunden, bei dem sich Annegret Kramp-Karrenbauer als Retterin des christlichen Abendlandes inszenieren darf. Nachdem der Präsident des Saarbrücker Amtsgerichts, Stefan Geib, die Kreuze in den Sitzungssälen des Gerichts entfernen ließ, wurde die Debatte um das Kruzifix im Gerichtssaal neu entfacht. Die Empörung unter lokalen CDU-Politikern war groß. Man sprach von einem "falschen Zeichen des Rückzugs" und sieht die "christlich-abendländische Kultur" in Gefahr.
Die amtierende Ministerpäsidentin reagierte schnell und zeigte sich am Dienstag nach einem "Spitzengespräch" mit den Bischöfen Stephan Ackermann aus Trier und Karl-Heinz Wiesemann aus Speyer in der Staatskanzlei entschlossen. Zwar gebe es derzeit keine konkreten Planungen. Es sei jedoch denkbar, die Gerichte gesetzlich zu verpflichten, Säle mit und ohne Kreuz vorzuhalten. Dadurch könne man sowohl den Menschen, denen das Kreuz etwas bedeutet, als auch jenen, die ein Problem damit haben, gerecht werden.
Wie ist dies zu bewerten?
Zum einen ist Kramp-Karrenbauers Vorstoß schlicht praxisuntauglich. Denn es stellt sich dabei eine Frage: Was geschieht mit jenen, die ein Problem mit einem Kreuz im Gerichtssaal haben? Sollen sie sich dazu äußern müssen, wenn sie einen Saal ohne Kruzifix bevorzugen? Dies käme einem inakzeptablen Zwang zum Bekenntnis gleich.
Zum anderen scheinen Annegret Kramp-Karrenbauer die Prinzipien des modernen Rechtsstaates nicht bekannt zu sein. Der Staat darf nicht von sich aus zugunsten der einen oder anderen religiösen Richtung Stellung beziehen. Denn weder wird Recht nach religiösen Maßstäben gesprochen, noch repräsentieren Gerichte die Haltung einzelner Religionsgemeinschaften. Die Werte des modernen Rechtsstaates sind säkular begründet.
Eine solche Position entspricht den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im sogenannten "Kruzifx-Beschluss":
"Der Staat, in dem Anhänger unterschiedlicher oder gar gegensätzlicher religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen zusammenleben, kann die friedliche Koexistenz nur gewährleisten, wenn er selber in Glaubensfragen Neutralität bewahrt." (BVerfGE 93, 1 [16])
Aus der Erklärung des Bundesverfassungsgerichts resultiert eine Ablehnung der Privilegierung bestimmter Bekenntnisse ebenso wie die Ausgrenzung Andersgläubiger. Dies sollte auch bei der Gestaltung staatlicher Instiutionen wie Gerichten Entsprechung finden. Religiöse Bekenntnisse wie ein Kruzifix haben in Gerichtssälen nichts verloren, denn sie widersprechen der gebotenen weltanschaulichen Neutralität.
Kurz: In einem modernen, säkularen Rechtsstaat wird nicht unter dem Kreuz verhandelt. Eine gesetzlich festgeschriebene Kruzifix-Pflicht für einen Teil der Gerichtssäle ist mit der weltanschaulichen Neutralität des Staates unvereinbar.
15 Kommentare
Kommentare
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Der Frau fehlen, wie sie ständig selbst belegt, grundlegende Kenntnisse von und Einsichten in die Grundlagen eines freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens.
Ernst nehmen kann ich ihre grotesken Statements trotzdem nicht.
Marc am Permanenter Link
Hier mein Kommentar dazu: http://www.awq.de/2016/03/kommentar-zu-ministerpraesidentin-denkt-ueber-neues-kreuz-haengungs-gesetz-nach/
Hans Trutnau am Permanenter Link
Völlig akzeptabler Kommentar. Es wäre ja auch noch 'schöner' (und eine Frage der Zeit), wenn dann auch Gerichtssääle mit Hilal, Menora etc. pp gefordert würden.
Harald Freunbichler am Permanenter Link
Hoffentlich folgt im Saarland niemand diesem Götzenkarren der Verquickung von Recht und Glaubensdoktrin!
Letztere stellt die Hilfe ihres "Gottes" dzt. aktiv zur Schau, indem sie den Bruch des - von Ö. unterzeichneten - Asylrechts gut heißt.
Von der "Staats-"kirche ist dazu natürlich nichts zu hören!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Mir war noch nie klar, was überhaupt ein Folter- und Mordinstrument in einem Saal zu suchen hat, in dem weder gefoltert noch gemordet werden soll.
Zu unserer Kultur gehört noch viel mehr: Warum werden keine Musikinstrumente, Bücher oder Kunstwerke und regionale Speisen in symbolisierter Form aufgehängt - auch die gehören alle zu unserer Kultur. Selbstverständlich müsste dann auch das Parteienspektrum dargestellt werden und wenigstens ein Davidstern sollte im christlich-jüdischen Abendland auch drin sein, direkt neben einem Symbol des evolutionären Humanismus für die zukünftige Gesellschaft.
So wäre die Wand eines Gerichtssaals ehrlicherweise ein Sammelsurium unterschiedlichster Symbole, die die "christlich-abendländische Kultur" repräsentieren. Doch Frau Kramp-Karrenbauer geht nur um das Folter- und Mordinstrument und dies ist eine extrem einseitige Sichtweise auf unsere pluralistische Gesellschaft. Unabhängig davon, dass das Christenkreuz für mich mit einer unsägliche Geschichte der Verbrechen verbunden ist, die ich hier nie wieder erleben möchte.
Glauben ist Privatsache und hat in keinem öffentlichen Gebäude etwas zu suchen. Gerade in Gerichten erwarte ich Urteile von fairen Richtern und keine Gottesurteile...
Michael Paschko am Permanenter Link
Frau Kramp-Karrenbauer ist noch viel zu sehr in der analogen Welt des 20. Jahrhunderts verhaftet. Nur wegen der Darstellung eines Kruzifixes gleich ganze Räume vorzuhalten ist im 21.
Die digitale Antwort auf das aufgeworfene Problem kann doch nur der Flachbildschirm sein. Er vermag es, je nach Bedarf jedes beliebige religiöse Symbol anzuzeigen. Gesonderte Räum sind dazu heute nicht mehr erforderlich. Auf diese Weise könnten bei Fußballfans auch das Wappen des eigenen Vereins oder bei Apple-Jüngern der angebissene Apfel den ihnen gebührenden Platz über dem Haupt des Richters einnehmen.
Aber selbst solch ein Verfahren wäre nur als Zwischenlösung anzusehen. Im Zeitalter des Smartphones und Tablets wird die ultimative Lösung darin bestehen, jedem Prozessbeteiligten vom Angeklagten bis zum Protokollführer, vom Zeugen bis zum Vorsitzenden das jeweils präferierte Symbol mittels einer Gerichts-App aufs eigene digitale Endgerät zu senden.
In wenigen Jahrzehnten schon könnte dann jedem Prozessbeteiligten der Richter selbst in Form der jeweils präferierten religiösen Autorität direkt auf die Netzhaut projiziert werden. Dem frommen Christen würde er dann als Jesus Christus erscheinen, dem ergebenen Muslim als Mohammed und auch das Wunder würde wahr werden können, sich als Bayern München Fan von Uli Hoeneß selbst wegen Steuerhinterziehung aburteilen zu lassen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"... dem ergebenen Muslim als Mohammed ..."
Oh, das gäbe Ärger für den Erfinder dieser Netzhaut-App, da kein Moslem je seinen Propheten erblicken darf, der weiland auf Pferdes Rücken gen Himmel entfleuchte... ;-)
Kay Krause am Permanenter Link
Nicht zu vergessen das Symbol des "Fliegenden Spaghettimonsters", welches ja offensichtlich nun auch zu einer ernst zu nehmenden (?) Religion stilisiert werden soll.
Eric Merk am Permanenter Link
Ich liebe solche Kommentare
Wolfgang am Permanenter Link
Es ist und bleibt ein Kreuz mit dem Kreuz. Viele kennen das Wort Freiheit nicht, sondern sind auch unfähig, ohne ein Kreuz leben zu können. Was hat sich denn ein Gott dabei gedacht....
Kay Krause am Permanenter Link
das ist ja genau das schizophrene an dieser Sache: der von Menschen geschaffene Gott hat den Menschen so geschaffen, dass dieser Mensch ohne das Kreuz nicht mehr leben kann. Wie sagt man so schön auf bayerisch:
Klemens am Permanenter Link
Es kann doch jeder Mensch sein eigenes Kreuz mitnehmen...warum muss denn da ein grosses Kreuz an der Wand hängen?
Erwin am Permanenter Link
<ironie>Im Zuge der Gleichberechtigung müssen neben Kreuzen auch Symbole anderer Religionen vorgehalten werden: Halbmond oder Scimitar für die Muslime, Minora und Davidstern für Juden, Pentagramme für die Satani
</ironie>
Der Staat verpflichtet sich im Grundgesetz zur weltanschaulichen Neutralität. Daher haben religiöse Symbole in öffentlichen Gebäuden nichts verloren.
K-H Hoffmann am Permanenter Link
so ist es Erwin....Der Staat verpflichtet sich im Grundgesetz zur weltanschaulichen Neutralität. Daher haben religiöse Symbole in öffentlichen Gebäuden nichts verloren.
Wenn man sich einfach nur an diese Vorgaben halten würde,müßte man nicht wegen diesen ganzen Evolutionsbremsen seine kostbare Zeit auf diesem Planeten vergeuten.Religionen haben doch nun mehr als genug bewiesen das sie mehr spalten als vereinen.Religiöse Zeitgenossen wollen nicht erwachsen werden und deshalb benehmen sie sich auch so.Politiker die auf Gott schwören und sagen ..so wahr mir Gott helfe.. liefern den Beweis ihr Amt nicht verantwortungsvoll zu verrichten.Dies sind die selben Floskeln die Katholiken mit ihrem ..Grüß Gott...labern.Man könnte noch unendlich viele Ausführungen machen, aber mir ist die Zeit dafür einfach zu kostbar.
Gabriele Wruck am Permanenter Link
Da die Gerichts- und andere Säle landauf, landab zu tausenden mit dem makabren Gesinnungsbefehl belastet sind, wird es wohl noch etwas dauern, bis unsere Rechtsprechung ein verfassungsgemäßes Antlitz bekommt.
„Es sei jedoch denkbar, die Gerichte gesetzlich zu verpflichten, Säle mit und ohne Kreuz vorzuhalten. Dadurch könne man sowohl den Menschen, denen das Kreuz etwas bedeutet, als auch jenen, die ein Problem damit haben, gerecht werden.“
Es sollten also generell grundgesetzkonforme, der staatlichen Neutralität in Weltanschauungsfragen würdige Verhandlungssäle ohne Narrativsymbolik vorgehalten werden sowie für Frau Kramp-Karrenbauer und alle anderen, die mit dem Grundgesetz ein Problem haben, eine kleine Themenkammer mit austauschbarem Beseufzungsmöbel an der Wand, von dessen Anblick unschuldige Mitbürgerinnen aber nicht belästigt werden.
Mittelfristig sollte das staatliche Repräsentationsgeflügel – ein Symbol der Freiheit und keins der sinnlosen Gewalt - alle Kammern daran erinnern, in wessen Namen sie hier Recht sprechen sollen. Das sollen sie nämlich keinesfalls im Namen einer nur teilweise zivilisierten Massensekte mit verfassungswidriger Satzung.
Bis dahin bestehe ich für die ausgleichende Ergänzungsbeschilderung der den Bundesadler derzeit noch verdrängenden stilisierten Hinrichtungsszene neben den hier schon genannten Musikinstrumenten und einem aus einer Daimler-Aktie gefertigten Uli-Hoeneß-Profil-Scherenschnitt aus kulturell-identifikativen Gründen auch auf einer Party-Packung Kräuter-Grill-Knacker und einer Tube Senf im Original!
Alternativ wäre auch eine an einem Kreuz montierte Uli-Hoeneß-Skulptur mit Adlerflügeln im gestreiften Helene-Fischer-T-Shirt, die sich symbolisch eine Kiste Bier reinzieht und dabei einen Lotto-Schein ausfüllt, möglich. Im Sinne einer gelebten Geschlechtergerechtigkeit sehe ich, gleich neben der sächsischen Eierschecke und dem Karnevalswagen des Jahres, natürlich ein aus umweltfreundlichem Salzteig gewaltfrei getöpfertes Modell der deutschen Zahnarztgattin mit einem restadelsproblemchenverwaltenden und gerüchteverbreitenden Fachblatt („Frau im Koma“) in den unbenutzten Händen.
Denn, meine Lieben: Mag der Fußball auch bald 200 Jahre alt sein, das reine Bier 500 und die rechtwinklige Holverarbeitung schon fast wieder vorbei – der TRATSCH ist definitiv die älteste Säule unserer Gesellschaft. Auf nichts fußt unsere Kultur so sehr wie auf der kreativ-selektiven Tendenzkommunikation – womit wir wieder beim Kreuz wären.
„BUNTE statt Leichenblässe“ ist deshalb meine Forderung! Weg mit der schwarzen Null!
P.S.: Speziell für Frau Kramp-Karrenbauer wäre natürlich der aufgehängte Bundesadler die schlimmste aller denkbaren Katastrophen. Ist sie doch scheinbar zum Bersten erfüllt von der Angst, als Nächstes könne irgendwas mit Tieren kommen…