Meinung

Segen geht auch ohne Gott…

KONSTANZ. (hpd) "Was hat denn Segen in einer säkularen Gesellschaft verloren?", fragte mich ein bekennender Atheist in einer Gesprächsrunde vor einigen Tagen recht entsetzt, als wir über religiöse Riten gesprochen hatten und ich mich dafür aussprach, "Segen" nicht nur aus der religiösen Blickrichtung zu betrachten.

Gerade die katholische Kirche kennt den Segen mittlerweile als Allheilmittel: Da werden Menschen und Tiere, Fahrzeuge und Geräte mit "geweihtem" Wasser nass gemacht, um zu verdeutlichen, dass sie nun unter dem Schutze Gottes stehen. Durch dieses lapidare und zum Alltag gewordene Verteilen von "Segen" nimmt die Kirche ihm aber seine eigentliche Bedeutung, die weit über den spirituellen Charakter hinausgeht.

Ja, auch ich wünsche Mitmenschen "Segen". Keinen Omnibussen und auch keinen Häusern. Und ich spreche ihn auch nicht stellvertretend im Namen des "Herrn" aus. Denn ich brauche keine theologische Befähigung, um jemanden solch eine Geste zuteilwerden zu lassen. "Segen" hat für mich etwas überaus Zwischenmenschliches, etwas Humanes. Da geht es nicht um etwas Rationales, sondern um etwas Emotionales. Wünsche können Schäume und Träume sein. Und wahrscheinlich wird mir ein handfester Realist entgegnen, dass ein Wunsch, eine Hoffnung und eben auch ein Glaube an etwas Zukünftiges etwas vollkommen Sinnloses sind, weil wir unser Schicksal ohnehin nicht beeinflussen können.

Ein Segen ist im wörtlichen Sinne ein "Zeichen" (lat. "signum"). Ich bringe sichtbar zum Ausdruck, dass mir jemand wichtig ist. Natürlich kann ich ihm das auch einfach sagen. Doch mit einem Segen assoziiere ich weitaus mehr. Segen ist etwas Bedingungsloses. Mit ihm werte ich nicht, sondern zeige, dass ich mein Gegenüber ohne Vorbehalte annehme. Die dogmatische Lehreinung, mit einem Segen verbinde man überdies auch ein Gutheißen (aus dem Lateinischen "benedicere"), teile ich nicht. Denn dann entspräche er nicht der Intention, die er schon vor Jahrtausenden einnahm: Die Würde eines jeden ist unantastbar. Wie anders soll seine erstmalige Erwähnung gegenüber "unschuldigen" Tieren sonst zu deuten sein! Und genau diese Würde unterstreiche ich, wenn ich jemanden segne.

Das Uneigennützige ist das eigentliche Zeichen, das ich mit einem Segenswort, einem Segensgruß oder einer Segenshandlung betonen will. Es fasst Zuspruch und Ermutigung gleichermaßen zusammen, es bringt eine Verbundenheit und eine Wertschätzung zum Ausdruck, die jeder gebrauchen kann. Denn solche Anerkennungen sind nicht religiös, sondern psychologisch wertvoll: Es geht nicht um die Aussicht, ob aus einem Wunsch letztlich ein bestimmtes Ergebnis resultiert. Viel eher ist es das Wissen darum, wonach mir jemand mit Segen sagt, dass er von mir überzeugt ist, dass ich weiß, jemanden im Hintergrund zu haben, der mir etwas zutraut – ohne, dass ich dafür eine Leistung erbringen muss oder dass dafür bewertet wird, wie ich mich verhalten habe. Segen kann stärken, ohne einzufordern.

Dafür braucht es keinen Gott – und auch keinen Priester. Viel eher bedarf es einer Grundannahme, die eine gewisse Überwindung vom Segnenden abverlangt: Ich muss mich auf ein Weltbild einlassen, dass sich wieder auf das Zuwenden besinnt. In einer Gesellschaft, in der eher Ellenbogen statt Mitgefühl regieren, ist das nicht ganz leicht. Segen heißt nämlich auch, sich mit seiner Umwelt zu beschäftigen. Und kaum jemand wird an etwas Überirdisches denken, wenn wir aufgefordert sind, uns wieder einmal öfter Gedanken darüber zu machen, ob nicht mit einem winzigen Zeichen der Warmherzigkeit in einem oftmals eher als kühl daherkommenden Klima des Egoismus nicht nur eine Freude getan werden kann, sondern mit einer scheinbaren Attitüde etwas vermittelt wird, was auch völlig ohne Gott funktioniert: Nächstenliebe…