BONN. (hpd) Die Journalistin Hilal Sezgin legt mit "Wieso? Weshalb? Vegan! Warum Tiere Rechte haben und Schnitzel schlecht für das Klima sind" eine gut verständliche Darstellung zum Thema des menschlichen Umgangs mit Tieren vor. Es handelt sich um ein auch für jüngere Leser gedachtes Buch, das anschaulich auf die unterschiedlichsten Aspekte eingeht und gut als Einführung wie als Nachschlagewerk genutzt werden kann.
Laut diversen Artikeln im Internet und in Zeitungen ist "vegan" gegenwärtig "hip" und "in". Gerade jüngere Leute mit formal höherer Bildung in Großstädten hätten diese Ernährungsform für sich entdeckt, sei sie doch gesund und mache schlank.
Es gibt allerdings noch ganz andere Gründe für eine Ernährung bzw. ein Leben ohne tierische Produkte. Darauf macht die Journalistin Hilal Sezgin, die als Feuilleton- und Meinungsseiten-Autorin von der Frankfurter Rundschau über die Süddeutsche Zeitung bis zur taz schreibt, in ihrem neuen Buch aufmerksam. Es hießt "Wieso? Weshalb? Vegan! Warum Tiere Rechte haben und Schnitzel schlecht für das Klima sind".
Beim Blick auf den Buchrücken erfährt man, es ist für Lesende ab 12 Jahre geschrieben. Es handelt sich aber nicht um ein Jugendsachbuch. Zwar ist es eben journalistisch und nicht wissenschaftlich, appellierend und nicht neutral verfasst. Dabei ist die Autorin aber auf keiner einzigen Seite niveaulos oder pauschalisierend. Mit dem Alltagsverstanddenken holt sie die Leute da ab, wo sie eben ansonsten stehen.
Dabei muss Sezgin erst einmal eine Fülle von Vorurteilen beiseite räumen. Denn während eine vegetarische Ernährung auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, gilt eine vegane Ernährung immer noch als kompliziert und ungewöhnlich. Die Autorin beginnt zunächst einmal mit einer Definition: "Veganerinnen und Veganer sind Menschen ..., die davon überzeugt sind, dass sich an der Umgangsweise von uns Menschen mit den Tieren etwas ändern muss", frei nach dem Motto: "In unserer Gesellschaft sollte Gerechtigkeit herrschen – auch gegenüber Tieren. Man darf andere nicht töten – keine Menschen und auch keine Tiere" (S. 14f.).
Dieses Grundprinzip prägt auch die ersten Kapitel, worin es weniger um Ernährung und mehr um Tierethik geht. Dabei macht Sezgin darauf aufmerksam, dass nicht wenige Menschen die "Vorgeschichte des Schnitzels" (S. 168) einfach ignorieren. Hierbei "hilft" der Sprachgebrauch – "Schlachtung" statt "Tötung" – ebenso wie die Unsichtbarkeit – "Salami" statt "Schwein" – was jeweils harmloser klingt.
Dann nimmt die Autorin ihre Leser mit auf eine Reise durch die Tierwelt: Sie erläutert an Beispielen, was diese Lebewesen fühlen und können: "Tiere sind keine Automaten ohne Geist und Gefühl, sondern sie sind empfindungsfähige Lebewesen" (S. 70). Dadurch entstehen ethische Fragen: Auch hier nimmt Sezgin die Leser wieder mit auf eine Reise, die sich auf ethische Fragen im Allgemeinem von Aristoteles bis Kant wie auf tierethische Fragen von Korsgaard bis Nussbaum im Besonderen bezieht. Anschließend geht es um die bedenklichen Gegebenheiten in der Massentierhaltung, die geringen Grenzen des Tierschutzgesetzes und die besondere Problematik der Tierversuche.
Auch die Folgen des Fleischkonsums für die Klimaentwicklung und Welternährung finden Aufmerksamkeit. Erst ganz zum Schluss widmet sich Sezgin dann noch dem Gesundheitsfaktor: Ob Eier, Fleisch und Milch gesünder oder ungesünder seien, könnte angesichts der noch jungen Ernährungswissenschaft nicht gesagt werden, es gebe nicht "die" eine gesunde, natürliche Ernährung.
Diese Feststellung erklärt auch, warum die Autorin im Buch stark tierethisch argumentiert. Ihre Auffassung ist schlicht in folgendem Satz zusammenfassbar: "Wir müssen Rücksicht nehmen, weil wir es können" (S. 103).
In der Gesamtschau kann Sezgin eine Fülle von gut begründeten Argumenten vortragen. Zwar verzichtet sie auf genaue Nachweise, manche Berichte gehören aber zum subjektiv verdrängten Allgemeinwissen. Man muss keine Fachstudien mit mehreren hundert Seiten durchgearbeitet haben, es genügt um die Angst und Qual von Tieren im Schlachthaus auch nur theoretisch zu wissen.
Selzgin geht darüber hinaus noch auf viele weitere Fragen ein, sei es die Käfighaltung, sei es der Zoo. Sie informiert ausführlich über die gesundheitliche Dimension, auch mit Hinweisen zu Nahrungsergänzungsmitteln. Insofern legt die Autorin erneut ein aufklärerisch ausgerichtetes, gut verständliches Buch zu einem verdrängten Thema vor. Wie der Klappentext sagt, es ist "informativ, spannend", aber nicht "mit viel Humor", dazu eignet sich das Thema nicht.
Hilal Sezgin, Wieso? Weshalb? Vegan! Warum Tiere Rechte haben und Schnitzel schlecht für das Klima sind, Frankfurt/M. 2016 (S. Fischer-Verlag), 302 S., ISBN: 978-3-7336-0252-9, 12,99 Euro
19 Kommentare
Kommentare
Mustafa am Permanenter Link
Hier stimmt doch etwas nicht.
Dass Massentierhaltung unethisch ist, ist klar. Aber es ist ja nicht die Ursache der großen Probleme der Menschheit, sondern eine Folge. Die Folge u.a. davon, dass wir Menschen so viele sind und dass Säugetiere schon immer andere Säugetiere fressen. Natürlich kann man argumentieren, dass man sich auf letzteres Problem konzentrieren sollte. Aber warum ist ersteres, die Bevölkerungsexplosion als Grundübel der heutigen Zeit, so ein Tabu?
Desweiteren wird die rezensierte Publikation als "journalistisch", aber gleichzeitig als "appellierend" (was wiederum ein gutes "journalistisch" in Frage stellt), "nicht neutral" und "nicht wissenschaftlich" analysiert. Nicht gerade motivierend, sich damit näher zu beschäftigen.
Harald am Permanenter Link
Bitte erklären Sie doch, was "Massentierhaltung" ist, und wie die Abgrenzung zu einer ethischen Tierhaltung aussieht. Die Bauern werden Ihnen dafür danken.
Carin am Permanenter Link
Säugetiere, die andere Säugetiere fressen, können nicht anders. Sie haben keine andere Möglichkeit, ihr eigenes Leben zu erhalten. Das unterscheidet sie von Menschen in Industriegesellschaften.
Mustafa am Permanenter Link
Seit wann sind Menschen keine Säugetiere mehr? Hat mich da die neueste evolutionsbiologische Entwicklung überholt? ;-)
Carin am Permanenter Link
Habe ich das behauptet? Ich verstehe den Sinn Ihres Kommentars nicht!
Carin am Permanenter Link
Menschen sind Säugetiere, die zumindest in industrialisierten Ländern nicht auf Fleisch und andere Tierprodukte angewiesen sind. Außerdem rühmen sie sich selbst der Fähigkeit der ethischen Überlegung.
Frank Linnhoff am Permanenter Link
Nun ja, wenn sich jemand allein mit pflanzlicher Kost ernähren will, dann sollte das seine Privatangelegenheit sein.
Felix Bölter am Permanenter Link
Es ist eben keine reine Privatangelegenheit, wie wir uns ernähren - denn für die durchschnittlich rund 60 kg Fleisch, die die Deutschen jährlich pro Kopf vertilgen (die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, DGE, empfie
Sobald das eigene Verhalten negative Konsequenzen auf andere, ethisch zu berücksichtigende Lebewesen hat, ist dieses Verhalten keine rein private Entscheidung mehr - erst recht, wenn die Konsequenzen derart drastisch sind.
Der zweite Absatz ist geradezu perfide. Der vermeintlich unüberwindbare Drang nach gegrillten Leichenteilen wird sich genauso sicher "immer durchsetzen" wie der Drang nach jederzeit verfügbarem Geschlechtsverkehr. Oder haben wir Vergewaltigung als natürlichen Urtrieb nicht doch irgendwie überwinden können?
Was ist mit dem Drang, Konkurrenten und Feinde einfach zu töten? Und wie denken wir heute über das natürliche Verlangen, sich begehrte Güter einfach anzueignen - notfalls mit Gewalt?
Anscheinend ist es uns schon mehrfach gelungen, durch unsere Natur vorgegebene Verhaltensweisen zu ächten.
Vielleicht, weil wir die Konsequenzen für alle Beteiligten erkannt und eine ethische Neubewertung dieses Verhaltens vorgenommen haben.
Und vielleicht ist das ja für ein derart miserabel zu verteidigendes (weil hierzulande absolut nicht mehr notwendiges) Verhalten wie den Konsum tierischer Produkte ebenfalls möglich.
Frank Linnhoff am Permanenter Link
Nein, ich bin kein Vergewaltiger und Milliarden an fleischessenden Erdenbürgern sind dies nicht.
Noch dazu bin ich der Meinung, dass ich mich ethisch verhalte, da ich bei einer Genossenschaft lokaler Tierzüchter einkaufe, wo ich weiß, dass die Tiere artgerecht aufgezogen wurden und so getötet wurden, dass sie weit weniger gelitten haben, als wenn sie an einer Krankheit verreckt wären. Erst durch Meinesgleichen haben diese Tiere ein gutes Leben führen können.
Ulrich Dittmann am Permanenter Link
Wichtig auch diese Publikation von Hilal Sezgin!
Noch glaubwürdiger wäre allerdings ihr Engagement, wenn sie sich als Muslima auch gegen das betäubungslose Schächten von Tieren einsetzen würde.
Zumindest sollte sie um ihrer Glaubwürdigkeit willen Aussagen „Schlachten ist schlimmer als Schächten“ unterlassen, wie Im Interview mit "Deutsch Türkische Nachrichten" von 2012, geäußert.
Wenn bedingt durch Konsumverlangen nach Fleisch, oder Begehr Tieropferungen durchzuführen, sich die so sehr gewünschte Qualvermeidung der so genannten "Schlachttiere" schon nicht verhindern lässt, muss zumindest jede Möglichkeit der Qualverminderung (siehe heute mögliche Elektro-Betäubung) ausgeschöpft werden.
Betäubungsloses Schächt-Schlachten von warmblütigen Tieren ist zweifellos als vorsätzliche Tierquälerei einzustufen. Sonst wäre diese Tötungsart laut regulärem Tierschutzgesetz nicht explizit verboten. Nur per Ausnahmegenehmigung" (§ 4a Abs.2, Nr.2 TierSchG) wird dieses bewusste zu Tode schinden der so genannten "Schächttiere" ermöglicht.
Appell an H. Selzin hier einmal unmißverständliche Stellungnahme im Sinne des Tierschutz abzugeben…
Martin am Permanenter Link
Wozu sollte sich ein Mensch, der sich deutlich gegen das Töten von Tieren ausspricht, speziell "gegen das betäubungslose Schächten von Tieren" wenden? Das ist doch damit automatisch eingeschlossen.
Ulrich Dittmann am Permanenter Link
Lieber Martin,
Veganer zu sein und maximale Gesinnungsethik wie eine Fahne mit der Aufschrift „Ich bin edel und gut - und natürlich gegen jegliches Töten“ (sic!) vor sich her zu tragen, reicht nicht.
Es gilt in die schlimmen Niederungen der Realität einzutauchen. Und hier gilt: Die gigantische Fleischesgier der Menschen und Religionsverwirrtheiten sind eben die bittere Wirklichkeit. Und dieser gilt es sich als ernsthafter Tierfreund zu stellen - und nicht in frommem Wunschdenken und schlauen Sprüchen zu verharren.
In diesem Zusammenhang kommt es natürlich auch darauf an, WIE man abgemurkst wird. Schnell und unter Betäubung – oder langsam und ohne Betäubung.
Wer das nicht verstehen kann/will(!) mache gedanklich mal eine kleine Reise: Von Terroristen ausweglos vor die Wahl gestellt, erschossen, oder langsam zu Tode gefoltert zu werden! Wie würde man sich wohl entscheiden?
Und vor genau dieser schrecklichen Situation stehen letztlich die sogenannten „Schächttiere“.
Bemerkenswert übrigens, dass Protagonisten des Schächtens nur zu gerne die bestmöglichen(!) Bedingungen beim Schächten - und die schlechstmöglichen(!) beim „normalen“ Schlachten beschwören….
Natürlich werden auch die Tiere im Schlachthaus nicht zärtlich totgestreichelt – aber zumindest nicht bewusst(!) und vorsätzlich(!) langsam abgemurkst, wie eben beim betäubungslosen Schächten.
Ich habe übrigens beide Schlachtarten in „Natura“ erlebt und fotographisch festgehalten – weiß wahrlich wovon ich rede.
Martin am Permanenter Link
Es ist aber völlig unlogisch ausgerechnet von jemandem, der das Töten von Tieren klar ablehnt, eine Stellungnahme zu einer speziellen Tötungspraxis zu erwarten.
Weiterhin halte ich die spezifische Ablehnung des Schächtens für einen Reflex, der nicht ausschließlich mit dem Tierwohl zu begründen ist. Denn wieviele Tiere werden in Deutschland geschächtet, wieviele unter grausamsten Bedingungen in Massentierhaltung gefoltert und dann getötet? Die zweite Gruppe dürfte wohl um mindestens Faktor zehntausend größer sein.
Ulrich Dittmann am Permanenter Link
Lieber Martin,
Insbesondere da sie als MUSLIMA prädestiniert ist, gerade HIER auch ihren Mund aufzumachen.
Aber ich weiß, Kritik am Schächten ist politisch unkorrekt -
und Political Correctness ist die Inquisition der Gegenwart.
So wird sich ein Martin auch von Fakten nicht beeinflußen lassen! Und es gilt auch hier: “Was nützt alle geschriebene Weisheit, wenn der Empfänger sie nicht liest, sie nicht versteht, sie nicht verstehen kann und nicht verstehen will. Jeder Geist ist dem unsichtbar, der keinen hat und jeder kann nur soviel Geist wahrnehmen, wie er intellektuelle Kapazität und Redlichkeit besitzt.” (Dr. Gunter Bleibohm)
Martin am Permanenter Link
Vielen Dank für die Blumen. Sich bei ad-hominem-Attacken, konkret "allgemeine Geistlosigkeit und unheilbare Blödheit", hinter Zitaten, ggf.
Nochmal ganz logisch: Frau Sezgin setzt sich ja AUCH (ich zitiere die Majuskeln) gegen das Schächten ein. Das ist ganz einfache Mengenlehre. Die Menge der geschächteten Tiere ist eine Untermenge der Menge aller geschlachteten Tiere. Wer sich also gegen das Schlachten von Tieren einsetzt, setzt sich schon rein mathematisch AUCH (ich bitte nochmal um Verzeihung für die Großschreibung) gegen das Schächten ein.
Umgekehrt wird jemand der sich gegen eine spezielle Methode des Tötens wendet, sich möglicherweise nicht gegen andere Tötungsformen. Und selbst wenn er (ich bitte um Entschuldigung für die politisch unkorrekte Verwendung des generischen Maskulins) sich auch gegen die anderen Formen wendet, so wird dies in der Öffentlichkeit möglicherweise ganz anders interpretiert, nämlich hauptsächlich als spezifische Kritik an einem Detail statt fundamentaler Kritik an einem System.
Matthias am Permanenter Link
Niemand ist aufgeklärt, der im Jahre 2016 noch ahnungsloser Anhänger des Karnismus ist. Der Ausgang aus selbstverschuldeter Unmündigkeit ist anstrengend und wird niemandem geschenkt - lesen hilft!
karnist am Permanenter Link
Karnismus: ausgedachter Kampfbegriff, um Normalköstlern, also Leuten, die sich artgerecht ernähren,ideologische Verbohrtheit unterstellen zu können.
Oder: Von sich auf andere schließen.
pavlovic am Permanenter Link
Man sollte sich keinen Illusionen hingeben. Das Fernziel einer radikalen Abstinenzbewegung ist das Verbot und damit die Zerstörung von Kultur. Erst durch Diffamierung, dann durch Gesetze und Strafrecht.
Pro. Hermann Ströbel am Permanenter Link
Es gibt keine Letztbegründung. Es gibt keinen physisch-ethischen Parallelismus. Werte und Normen werden nicht gefunden, sondern (von Menschen) erfunden.