Neuerliche Vorwürfe heizen die Debatte um die "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB) erneut an. Bei Recherchen des NDR wurde bekannt, dass der Vorsitzende eines Hamburger DITIB-Moscheevereins bei Facebook ein Bild mit dem Text: "Demokratie ist für uns nicht bindend. Uns bindet der Koran" veröffentlichte.
Auf eine Interviewanfrage des NDR antwortet der Vorsitzende eines Hamburger DITIB-Moscheevereins, Ishak Kocaman, dass nicht seine Facebook-Posts, sondern seine Arbeit für die Menschen vor Ort wichtig sind.
Das ist an Frechheit kaum noch zu toppen. Wie sagte man über die "geistigen Führer" einer anderen Religion?: "Wasser predigen und Wein saufen." Hier ist es: Demokratie predigen und Hass verbreiten.
Auch die Tatsache, dass ein Mitglied der DITIB-Gemeinde auf der Facebookseite den Satz postet: "Mein Führer, gib uns den Befehl und wir zerschlagen Deutschland", hält Kocaman nicht für einen Aufruf zur Gewalt, sondern für jugendlichen Überschwang. Mit "Führer" ist dabei im Übrigen Erdogan gemeint.
Nach den Spitzelvorwürfen, dem nachweislichen Antisemitismus in den Reihen der DITIB und den sich in den vergangenen Wochen immer mehr häufenden Vorfällen, sich bewußt gegen die demokratischen Grundregeln zu stellen und die Entdemokatisierung und Islamisierung von Erdogans Türkei zu verherrlichen, sollten sich Bundes- und die Landesregierungen dringend darüber unterhalten, ob die DITIB tatsächlich noch als Partner der Integration in Frage kommen kann.
Einige Bundesländer haben die Zusammenarbeit mit der Türkisch-Islamischen Union bereits ausgesetzt, andere – wie Hamburg – diskutieren das noch. Der aktuelle Vorfall sollte dem Hamburger Senat die Entscheidung erleichtern.
Am 16. April werden die Türken über die Einführung eines Präsidialsystems abstimmen. Bei Zustimmung würde das Erdogan deutlich mehr Macht verleihen; das Amt des Ministerpräsidenten würde abgeschafft. An der Abstimmung können sich auch die im Ausland lebenden türkischen Bürger beteiligen. Deshalb trägt die Türkei via DITIB den Wahlkampf auch nach Deutschland. Doch das darf nicht darauf hinauslaufen, in Deutschland dazu aufzurufen, die Demokratie abzuschaffen. Solchen Versuchen muss der Rechtsstaat mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln entgegentreten. Nötigenfalls auch mit einem Verbot der DITIB.
13 Kommentare
Kommentare
Sebastian Olbrich am Permanenter Link
Hoffentlich wachen unsere Verantwortlichen endlich auf und entscheiden sich, entschieden gegen solche Vereine vorzugehen.
Siegrun am Permanenter Link
...was gibt es noch zu diskutieren? Wer nicht auf der Basis der freiheitlich demokratischen Grundordnung handelt, ist kein Verhandlungspartner.
Noncredist am Permanenter Link
Abgesehen von den scharfzüngigen Frechheiten, ist das Ideal von DITIB auch nicht sehr viel anders als das des Christentums.
Auch ich bin der Meinung, dass solche Gruppierungen beobachtet gehören. Sie würden - wenn sie es für "richtig" halten - zur realen Gefahr für unsere Gesellschaft. Manchmal heissen sie "Reichsbürger", "wahrer Islam" oder christliche "Lebensschützer". Die Meinungsfreiheit sollte dann keineswegs zur Handlungsfreiheit führen. Es besteht Verletzungsgefahr!
Die Freiheit des Einzelnen hört dort auf, wo sie in die Freiheit des Anderen eingreift.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Manche/r will sich von manchem Fakebook-Schrott distanzieren; aber geschrieben ist geschrieben. Bin gespannt, ob das noch weitere Wellen schlägt.
Kay Krause am Permanenter Link
Nicht geehrter Herr Kocaman! Aber für uns Menschen, die in diesem seit 72 Jahren freiheitlich geprägten Staat leben, IST DEMOKRATIE BINDEND, IST MASSGEBEND!
Wieder mal ein Einzeltäter, der die Welt verbessern will.
Gehen Sie einfach, Herr Kocaman, ich bin sicher, der deutsche Staat zahlt Ihnen die Flugkosten!
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Gut, dass einige Bundesländer wachsam sind. In Ba-Wü wird DITIB verharmlost, steckt dick mit beim IthZ bzw. der Islamfakultät und baut in Stuttgart grad eine Moschee.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Erstens:
Die Demokratie ist bei uns so etwas wie eine heilige Kuh geworden, die nie kritisiert, ja, nicht einmal hinterfragt werden darf. Ich mache es trotzdem:
Und wie schon Polybios feststellte, kann auch eine Demokratie zu einer Pöbelherrschaft kippen.
Sklaverei, Angriffskrieg, Unterdrückung von Minderheiten - all das kann in einer Demokratie geschehen. Sogar Hitler ist auf demokratische Weise an die Macht gekommen (nicht auf ehrliche Weise, nicht einmal auf ganz legale, aber auf demokratische).
Wer Demokratie zwingend mit Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit verknüpft, der fügt diesem Begriff Attribute hinzu, die m.M.n. nicht zwingend hineingehören. Warum sollte die Rechtsstaatlichkeit ein genuiner Bestandteil einer Demokratie sein, nicht aber einer Diktatur? Es gab in der Geschichte auch ein paar recht guter Alleinherrscher.
Zweitens:
Das ist zwar nicht exakt das Thema, aber es brennt mir auf der Seele (oder von mir aus auf meinen Emotionen):
Jeder anständige Mensch hat Werte, die er höher einschätzt als staatliche Gesetze. Wir bewundern alle (hoffentlich) die Widerstandskämpfer im Dritten Reich. Manche waren Kommunisten, andere Sozialisten, andere Zeugen Jehovas, andere Katholiken oder Protestanten, andere Monarchisten, und viele hatten einfach ein Gewissen, das ihnen klar machte: Bei diesen Gesetzen mache ich nicht mit! Von vornherein empört zu sein, wenn Menschen ihre Weltanschauung über die staatlichen Gesetze zu stellen, ist grundfalsch. Man muss jedes einzelne Mal fragen: Welches Gut stellt dieser Mensch über welches Gesetz?
Im Fall des politischen Islam bin ich sehr besorgt. Individulle Freiheiten spielen dort keine große Rolle. Bei mir schon.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Können wir mal konkret werden, Herr Schönecker? Welche Gesetze unseres demokratischen Landes sind es denn, die Sie geringer einschätzen als Ihre "Werte als anständiger Mensch"?
Ihre Besorgnis gegen den politischen Islam teile ich durchaus, allerdings sind meine Sorgen bzgl. den christlichen, speziell der katholischen Kirche nicht viel kleiner, wenn man sich deren Guerillakrieg gegen körperliche Selbstbestimmung (Abtreibung, Freitod etc.) anschaut.
Die Tatsache, dass sogar den meisten (Noch-)Katholiken die kirchliche Meinung in dieser Hinsicht am Arm vorbeigeht, ist nur ein schwacher Trost dagegen, dass deren revanchistische Bestrebungen, von unseren Steuergeldern großzügig unterstützt, unvermindert weitergehen.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Konkret: Das österreichische Strafgesetzbuch kann ich mit meinem Gewissen vollinhaltlich vereinbaren.
Um bei der Besetzung der Hainburger Au mitzumachen, war ich damals zu jung. Sie hat aber im Nachhinein meine volle Sympathie - obwohl die Besetzer Gesetze gebrochen haben. Heute würde ich vielleicht mitbesetzen.
Wenn Sie mit "Strafgerichtsbarkeit" der christlichen Kirchen das Kirchenrecht meinen, das es den Kirchen erlaubt, bei Verstößen gegen Glaubensfragen Kündigungen auszusprechen: Halten Sie es auch für zutiefst undemokratisch, wenn ein Fußballer entlassen wird, weil er darauf beharrt, den Ball mit der Hand zu spielen - was in unserem demokratischen Land keineswegs verboten ist?
Á propos Sport: Was halten Sie eigentlich davon, dass in manchen Sportarten wie Boxen vorsätzliche Körperverletzung toleriert wird? Und dass im Fussball nach Verletzungen, selbst wenn sie durch regelwidriges Foul entstehen, in den seltensten Fällen Anklage erhoben wird? Ist das auch zutiefst undemokratisch?
Thomas Göring am Permanenter Link
Hallo Herr Schönecker,
zur Einschätzung der von Ihnen als "heilige Kuh" gescholtenen Demokratie. - Dieses Thema ist zwar viel zu kompakt, um es in einem Leserkommentar eingehend abzuhandeln. Dennoch halte ich es für angebracht, hier wenigstens einiges in allgemeiner Form kurz dazu anzumerken.
1.)
"Die Demokratie ist die schlechteste Staatsform – ausgenommen alle übrigen." Dieser Ausspruch wird Winston Churchill zugeschrieben oder er stammt tatsächlich von ihm selbst. Diesen Satz nehme ich beim Betrachten der Licht- & Schatten-Seiten der Demokratie als Faustregel oder roten Faden. (Denn auch diese Staatsform hat beide Seiten oder Gesichter – wie überhaupt so viele Einrichtungen & Ordnungen & Bestrebungen unter den Menschen. - Z.B die Entwicklung in einem bestimmten Bereich weist neben dem Gewinn an neuen Systemen & Methoden immer auch einen Verlust an alten Formen & Kenntnissen auf, sodass ein Fortschritt nach einer Seite hin meistens mit einem gewissen Rückschritt nach einer anderen Seite hin verbunden ist. Dies ist deutlich erkennbar am Verlauf der "unaufhaltsamen Computerisierung" in der Erzeugung von Gütern und in der Büroarbeit. Oder auch hieran: Wer kann heute noch kopfrechnen? Und etwa Smartphone & Co nehmen ihrem Benutzer mittels ihrer Masse an "Applikationen" immer mehr persönliche Fertigkeiten ab, sodass diese als unnötig - weil nicht mehr gebraucht – erscheinen; Letzteres halte ich nicht nur für zweischneidig, sondern auch für gefährlich – weil potentiell verdummend. Und dennoch sind diese Geräte in vieler Hinsicht sehr nützlich.)
2.)
Die klassische Athener Demokratie war die Regierungsform eines Stadtstaates, der die antike Sklavenhaltergesellschaft zur Grundlage hatte. - Die klassische liberale Demokratie des 18. & 19. Jh beinhaltete die strikte Beschränkung der Wahlberechtigten auf Besitz & Bildung (unter Ausschluss der Frauen); hier sorgte erst die (damals von Kapital & Staat & Kirche bekämpfte) sozialistische Arbeiterbewegung für humanere Verhältnisse. - Und in den Südstaaten der USA ließen "Freedom & Democracy" noch bis zum Ende der 60er Jahre die "Rassentrennung" bzw "Apartheid" zulasten der Afroamerikaner in vollstem Maße zu; ungefähr vergleichbar den Verhältnissen unter dem seinerzeitigen Rassistenregime in Südafrika (jedoch im gegenwärtigen ANC-regierten Südafrika ist das Leben in anderer Hinsicht nicht gerade ein Zuckerschlecken). - Je nach sozialer & politischer Lage lässt bzw ließ die Demokratie in ihrer historischen Entwicklung in der Tat so manchen "anachronistischen Zug" (Brecht) abfahren.
Zugleich aber lässt sich hieran schon auch eine Entwicklung des allgemeinen ethischen Zeitgeistes in (sicherlich mit vielem Aufwärts & Abwärts verlaufender) Richtung seiner allmählichen Humanisierung erkennen. (Diese Entwicklung ist selbstredend weder automatisch noch garantiert: sie muss erstritten werden; und der Preis der Freiheit heißt: Wachsamkeit.)
3.)
Der jeweilige reale Zustand einer Demokratie ist das Spiegelbild der Lage & Probleme der von ihr politisch vertretenen Bevölkerung – einschließlich der innerhalb der Letzteren vorhandenen und zumeist miteinander konfligierenden wirtschaftlichen & gesellschaftlichen Interessen sowie weltanschaulichen Strömungen (incl. Religionen & Ideologien). Wenn in diesem komplizierten Geflecht dann auch noch – wie derzeit - "die Eliten" einerseits und "das Volk" (oder nennenswerte Teile davon) andererseits sich zunehmend voneinander entfremden, dann entsteht dringender Handlungsbedarf, weil Gefahr im Verzuge ist. Ob dieser Handlungsbedarf durch die vielen über-angepassten bzw. stromlinienförmig wirkenden und realitätsfern lebenden – und zudem nicht zwangsläufig korruptionsresistenten - Polit-Karrieristen geleistet werden kann, bleibe dahingestellt. (Über das dabei noch hinzukommende grundsätzliche gewaltige Informationsgefälle zwischen Abgeordneten – Ministerialbürokraten – Lobbyisten existieren zahlreiche Untersuchungen.) - Aber auch in umgekehrter Richtung ist festzuhalten: Wer sich (vorwiegend oder ausschließlich) als "ohnmächtiges Opfer" von "Denen da Oben" sieht, verhärtet bestehende Probleme noch zusätzlich "von unten" her. Darüber freuen sich dann Populisten & Demagogen. (Der Volksmund sagt: "Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient", d.h die es durch sein Tun & Lassen de facto ermächtigt. Das aber trifft den Unternehmer, den Arbeiter, den Beamten, den Kirchenmann, den Freidenker, usw gleichermaßen. - Ich nehme auch mich selber keineswegs davon aus.)
4.)
Aufgrund der real immer vorhandenen Interessengegensätze in Wirtschaft, Politik, Religion, usw wird die Demokratie häufig von organisierten "Sonderinteressen" benutzt bzw instrumentalisiert.
Denken Sie etwa an diverse sozialpolitische Kahlschlagsorgien eines "neoliberalen" Casino-Kapitalismus (zunehmend seit den 1980er/90er Jahren). Oder an die systematisch organisierte Hatz auf alle erdenklichen der Kommunismusnähe bezichtigten Künstler & Intellektuellen in der sog. McCarthy-Ära der USA (Anfang der 50er Jahre).
All dem wird eifrig das Mäntelchen von "Freedom & Democracy" umgehängt, damit es sich besser verkauft. Aber das wiederum macht böses Blut.
5.)
Ganz allgemein verhält es sich doch so:
Wo eine Vielzahl von Individuen sowie Gruppen mit verschiedenartigsten bis offen gegensätzlichen Interessen (z.B. Kapital und Arbeit, oder konkurrierende Parteien, oder auch Religionsgemeinschaften) in ihrem Denken & Reden & Handeln aufeinander bezogen ist, entstehen zwangsläufig diverseste Formen von Kooperation & Konflikt, sodass die Lage oftmals (zunächst) unvorhersehbar oder unberechenbar ist, - und Ergebnisse von Handlungen sich oft mehr oder weniger deutlich von den diesen zugrundeliegenden Absichten & Beweggründen unterscheiden. Dieser letztlich selbstverständliche Umstand bedeutet wiederum nichts anderes, als dass es im Leben gewissermaßen auf die eine oder andere Weise "dialektisch" zugeht. (Dies zu ignorieren rächt sich häufig in Form des Erlebens "blauer Wunder".)
6.)
Für die (Rechts-)Sicherheit der Bürger entscheidend ist v.a eine funktionierende innerstaatliche Gewaltenteilung, andernfalls nützen Ihnen all die vielen sorfältig kodifizierten Gesetze (bzw der bloße "Gesetzesstaat") nichts.
Diese Gewaltenteilung sehe ich in der von Ihnen erwähnten Diktatur nicht gegeben: Herr Erdogan in der Türkei führt uns dies doch gerade aktuell vor. Und in der Vergangenheit stand die formale staatliche Gewaltenteilung in den katholischen Militärdiktaturen etwa Spaniens oder Argentiniens oder Chiles natürlich fein säuberlich geschrieben auf geduldigstem Papier – aber in der politischen Realität existierte sie dort in keinster Weise.
7.)
Irgendwie "gute" Alleinherrscher mag es in der bisherigen Menschheits-Geschichte durchaus gegeben haben; denn nicht jedes Herrscher-Handeln muss als solches schon "schlecht" sein, warum auch? Denken Sie etwa an den mesopotamischen Herrscher Hammurabi, der vor über 3500 Jahren Recht & Gesetz & Sitten systematisch geordnet auf Steintafeln kodifizieren ließ – und das als "Codex Hammurabi" zum Kulturerbe der Menschheit zählt. Denken Sie an Frankreichs König Henri IV., der durch das Toleranzedikt von Nantes (1598) den Bürgerkrieg zwischen Katholiken und Hugenotten für längere Zeit beendete. Denken Sie an Friedrichs II. Abschaffung von Pressezensur & Folter in Preußen 1740. Dies alles waren zweifellos gute Taten. Aber "gut" & "schlecht" – oder "verdienstvoll" & "schädlich" - liegen oft dicht beeinander oder sind häufig sogar heillos ineinander verwoben. Und insbesondere hängt die Bewertung als "gut" oder "schlecht" doch vom jeweils eigenen Interessenstandpunkt (wirtschaftlich, politisch, kirchlich, weltanschaulich, usw) ab.
So hatte etwa derselbe Friedrich II die Herrschaft der ostelbischen Junkerkaste zu Lasten & Leiden der Bauern vollends zementiert, und er hatte die erste Teilung Polens betrieben; beides natürlich aus rein staatspolitischen Überlegungen heraus. Von seinen drei Schlesischen Kriegen ganz zu schweigen. - Oder denken Sie als Österreicher nur an den aufgeklärten & ungestümen Reformer Josef II., dessen Nachfolger zuerst einmal mit einem Haufen an Reform-Zurücknahmen beschäftigt war. - Und hatte nicht der in seinen letzten Jahrzehnten nach außen hin so gütig landesgroßväterlich wirkende Franz Josef I während seiner fast 70jährigen Regierungszeit viele Gelegenheiten zu einer weitergehenden Reichsreform aus Übervorsicht heraus ungenutzt gelassen? Der österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867 löste zwar einige Probleme – und warf doch rasch neue & massive (Nationalitäten-)Probleme auf, die während der folgenden 50 Jahre nicht mehr behoben wurden. Das Ende dieses Liedes kennen Sie ja. - Das hindert übrigens etliche Menschen in heutigen (unsicheren?) Zeiten nicht daran, Franz Josef geradezu zu verklären, – sogar auch in Tschechien, wo man vor über 100 Jahren mehrheitlich aus m.E völlig nachvollziehbaren Gründen von "Habsburk" restlos genug hatte; siehe zu dieser dortigen beinahe liebevollen Verklärung Franz Josefs z.B.: https://www.youtube.com/watch?v=qONXen00w_o sowie http://www.franz-josef.cz/kontakt.html) -
Vergessen wir übrigens nicht, dass (jedenfalls in Europa, - und selbst in Liechtenstein unter Fürst Hans-Adam II.) die heutigen Monarchien durchweg konstitutionelle & parlamentarische Monarchien sind, also Spielarten einer demokratischen(!) Regierungsform, in welcher nur die formell oberste Staatsspitze nicht wählbar ist.
Zudem wäre in der jetzigen hochtechnisierten extrem-arbeitsteiligen kapitalistischen Marktgesellschaft ein buchstäblicher "Alleinherrscher" selbst etwa des klassisch absolutistischen Formats (mit ihm befehlsmäßig unterstelltem Apparat aus Ministern & Beamten) vollends überfordert bzw aufgeschmissen: seine Mon(!)-archie oder Auto(!)-kratie wäre schon umgehend beim Teufel gelandet, noch ehe sie überhaupt richtig angefangen hätte. (Hingegen in einer Militärdiktatur stehen diese Dinge leider gänzlich anders, deshalb ist sie auch so dermaßen schwierig wieder loszuwerden.)
8.)
Zu der von Ihnen – und ebenso auch von mir – so außerordentlich hoch geschätzten individuellen Freiheit gehören notwendigerweise auch eine grundsätzliche soziale Chancengleichheit & Solidarität, denn andernfalls katapultieren wir allesamt uns in frühkapitalistisch-liberale oder aber dritte-welt-artige Verhältnisse hinein, wo ganz wenige Superreiche über eine winzige Mittelschicht und eine 'zig-Millionen-Masse arbeitender wie arbeitsloser Armer gebieten – und ein weitestgehend auf gesellschaftliche Kontroll- & Repressions-Funktionen reduzierter Staatsapparat einer sich extrem aufblähenden organisierten Bandenkriminalität nicht mehr Herr würde.
Also "liberté" allein ohne "égalité" & "fraternité" geht überhaupt nicht, ebensowenig wie Konservatismus ohne ein notwendiges Minimum an Reformbereitschaft. Denn nichts bleibt wie es ist, und nicht nur wir selber sind "nur Vorübergehende", sondern am Ende auch all unsere kollektiv erzeugten Ordnungen (auch diejenigen geistiger Art...). Daher sind "die Zeiten" immer "bewegt" – und "Ruhe" bedeutet meistens nur "Ruhe vor dem Sturm". Dies alles sollten wir möglichst nicht vergessen.
9.)
Demokratie ist nicht unzerbrechlich, - und wenn sie erst einmal verloren ist, dann kommt sie wahrlich nicht ohne weiteres wieder zurück. Gerade wir Deutsche & Österreicher sollten das aus unserer eigenen Geschichte nur allzu gut wissen. Auch in Spanien dauerte das Franco-Regime reichliche 40(!) Jahre, bevor dort die Demokratie in vorsichtigen Schritten wiederhergestellt werden konnte (und noch bis heute sind dort längst nicht alle von Bürgerkrieg & Diktatur geschlagenen Wunden geheilt); und ähnlich verhält es sich in Südamerika.
Halten wir also – auch bei kritischer Sicht auf sie - unbedingt an der Demokratie fest! Und dies wenigstens aus "kühlen Nützlichkeitserwägungen", wenn sonst nichts geht, denn:
Wenn Sie Pech haben, dann würde Ihnen nämlich selbst ein von Ihnen geschätzter Diktator unter gewissen Umständen eines Tages das Leben zur Hölle machen (wie die Geschichte ja durchaus des öfteren gezeigt hat), verlassen Sie sich drauf.
Denn auch als kath. Priester sind Sie nicht 100% geschützt: Etwa ein Vertrag oder Konkordat zwischen Diktator und Kirche bedeutet nicht zwingend einen Vertrag des Regimes mit jedem einzelnen Geistlichen dieser Kirche. Im Gegenteil: Aufmüpfigkeit wird rasch bestraft – und Vorgesetzte neigen in conflicto schon mal gerne zu einem Bauernopfer. Und dann stehen Sie da...
∑)
Der Dreh- und Angelpunkt ist meiner Auffassung nach die Würde des Menschen. Diese zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt ( so Art 1 des deutschen Gundgesetzes).
Ich sehe es ganz allgemein so: Wer – ob in Politik, Wirtschaft, Religion, Ideologie, oder auch in der Privatsphäre – die Menschenwürde immer wieder tätlich verletzt, legt damit auf längere Sicht einen Brandsatz – und ist dafür zur Rechenschaft zu ziehen.
MfG Göring
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Herr Göring!
Danke für Ihren Kommentar! Trotz seiner Länge war er für mich kurzweilig zu lesen. Und außerdem erfreulich, weil Sie ohne Polemik auskamen und die Demokratie keineswegs als "heilige Kuh" betrachten, sondern - wie ich - als fehleranfällige Staatsform.
Ich kann Ihnen so gut wie überall recht geben. Demokratische Elemente sind in vielen Bereichen äußerst nützlich. Als Freund der Kirche und des Mittelalters fallen mir die Orden und die Zünfte ein. Heute freue ich mich über die Möglichkeit von Volksabstimmungen. Und meine eigenen demokratischen Rechte nehme ich gerne wahr (wenn auch meistens erfolglos).
Selbst bei Kaiser Franz Joseph muss ich Ihnen - widerwillig - recht geben: Seine ersten Regierungsjahrzehnte waren ein Fiasko, dann war er recht gut, zuletzt hat er gegen den 1. Weltkrieg nichts unternommen, ihn vielleicht sogar gewollt.
Aber: Das Volk - der demos - hat den Krieg auch gewollt. Eine demokratische Volksabstimmung hätte ziemlich sicher auch zum Krieg geführt. Wem hätte also eine demokratische Verfassung des Vielvölkerstaates genützt? Zum damaligen Zeitpunkt am meisten den nationalistischen Agitatoren. Wenig erfreuliche Aussichten.
Über katastrophale Fehler von Demokratien im Lauf der Geschichte bis heute haben Sie in höchst respektabler Weise selbst geschrieben. Da will ich nichts mehr hinzufügen.
Absolut Recht gebe ich Ihnen, was die Gewaltentrennung betrifft. Eine Diktatur mit konsequenter Gewaltenteilung ist nicht vorstellbar, und das ist ein großer Nachteil. Hier müsste man sich - wie überhaupt - auf die Selbstbeschränkung des Diktators (oder, weniger vorbelastet: des Monarchen) verlassen. Hier liegt eine große Gefahr einer monarchischen Staatsform.
Ist aber eine Demokratie ein Garant für funktionierende Gewaltentrennung? Historisch: nein. In der Gegenwart: leider auch nein. In Österreich (und in Deutschland auch) kann es passieren, dass ein und dieselbe politische Partei im Nationalrat ein Gesetz erlässt (meistens gemeinsam mit dem Koalitionspartner) - also die Legislative ist- , anschließend Minister dieser Partei das Gesetz vollziehen - also die Exekutive sind - und der Justizminister derselben Partei der Staatsanwaltschaft Weisungen erteilen und somit u.U. sogar Untersuchungshaft anordnen kann - fast schon Judikative.
Der Parteichef hat also über zweieinhalb der drei Gewalten die Kontrolle.
Oft sind Justizminister in der Praxis parteilos. Aber nicht immer.
Was ich Ihnen vor allem sagen will: Es ist schön, dass Sie nicht in den Chor "Demokratie ist immer gut, alles andere ist immer schlecht" einstimmen. Wer sich, wie Sie, unvoreingenommen mit Geschichte beschäftigt, weiß es einfach besser.
Zuletzt: Ich lebe gerne in meinem demokratischen Land. Hätte ich jemals in einer Diktatur gelebt, wüsste ich es vielleicht noch mehr zu schätzen. Andererseits gab es auch schon Demokratien, in denen ich die "Volksherrschaft" keine zwei Wochen ausgehalten hätte. Womit ich als Schlusssatz auf Ihren letzten Absatz verweise, der mir aus der Seele spricht.
Thomas Göring am Permanenter Link
Hallo Herr Schönecker,
im Gegensatz zu neulich werde ich mich heute möglichst kurz fassen. :-)
Zuerst einmal danke für Ihre positive und großenteils zustimmende Antwort, die mich sehr erfreut hat.
Dass ich in meinen Ausführungen zur Demokratie auf Polemik oder Bissigkeit verzichten konnte, liegt auch mit an Ihnen, Sie haben mir diesen Verzicht leicht gemacht. Deshalb möchte ich Sie das auch wissen lassen.
Soweit ich Ihre bisherigen Kommentare auch zu anderen hpd-Artikeln gelesen oder wenigstens gesichtet habe, ist mein Eindruck der, dass Sie auch bei festem Beharren auf Ihrer jeweiligen Sache nicht gerade zu Polemik & Verbalattacken neigen, sondern Ihre Ansicht im wesentlichen (zu) begründen (versuchen). Ob Andere diese Begründungen nun immer teilen oder nicht, mag dahingestellt bleiben, denn ich rede jetzt nur von dem Ton, der die Musik macht.
Da finden sich hier im hpd nämlich immer mal wieder auch Leserkommentare gänzlich anderen Kalibers (und zwar egal aus welcher Weltsicht...).
Soweit ich das nach meiner erst 2jährigen Dauer des hpd-Lesens einschätzen kann, sind Sie hier offenbar der einzige kirchliche Leser & Kommentarverfasser, der selbst bei heftigem Gegenwind seitens anderer Leser eher ruhig bei der Sache bleibt (was einen gelegentlichen scharfen Ton durchaus mit einschließen darf) – und der zugleich dem hpd weiterhin mit regelmäßigen Wortmeldungen erhalten geblieben ist!
Hier haben sich schon etliche andere Kirchenleute (kath wie prot.) zu Worte gemeldet – aber bislang letztlich jedes Mal auf eine recht ähnliche Weise, nämlich: v.a mit viel polemischem Feuerwerk, polternden Verbalattacken, und sonstigen wohl eher etwas narzisstischen Pirouetten (ohne aber den wirklichen Menschen hinter ihren Auslassungen auch nur im Entferntesten durchscheinen zu lassen); - und nach relativ kurzer Zeit war i.d.R von ihnen nichts mehr zu hören bzw zu lesen: sie kamen ungehalten - und verschwanden wutschnaubend. Also: Auftritt – Explosion – Abgang – Ende.
So agierte einer von ihnen dabei stets vom allerhöchsten Rosse herab – allerdings großenteils hochnäsig mit gewissen Ausdrücken & Redewendungen um sich werfend, die mir von einem Aufsatz über den "vulgären" & "niveaulosen" Neuen Atheismus in der Herder-Korrespondenz her irgendwie bekannt vorkamen. Es schien, als wollte er den gottlosen hpd-Lesern an beliebig vielen Gegenständen mal so richtig zeigen, dass sie ihm mit seinem Höchstniveau nicht das Wasser reichen können. Allerdings seine speziell gegenüber einem ganz bestimmten Leser immer gehässiger werdenden Kommentare führten am Ende zu vorzeitiger Schließung des Kommentarbereichs durch die Redaktion. Dazu gehört schon 'was. - Ein anderer von ihnen hingegen schleuderte der versammelten Leserschaft ihre persönliche Schuld vor Gott sowie die Drohung mit der dafür möglichen Höllenstrafe nach dem Tode entgegen. Eine originelle Art des Argumentierens. - Wieder Andere verzettelten sich in endlose Zankereien mit anderen Lesern, selbstredend zumeist gespickt mit vielen "ja aber"-Wendungen, bitteren Vorwürfen und stets abrupten Themenwechseln im Widerspruchsfall. - Zum Streit gehören zwar immer beide Seiten, aber er kann schon durch eine Seite allein entschärft & befriedet werden, wie ich aus eigener Erfahrung auch im hiesigen Kommentarschreiben weiß.
Es geht nicht um ein Umschiffen strittiger Themen oder heißer Eisen, wohl aber um einen anständigen Umgangston in der Diskussion. Auch wenn wir in puncto Religion weltanschauliche Gegner sind, sind wir doch immer zuvörderst auch Menschen. - Kurz: Die Sprache Ihrer mir bekannten Kommentare hebt sich von all dem Genannten für mein Empfinden angenehm ab.
Und dafür heute meinen Dank an Sie.
MfG Th. Göring
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Göring!
Ich habe mich lange über Ihr Schreiben gefreut.
Und jetzt antworte ich endlich.
Dass wir, wie Sie es formulieren, "zuvörderst Menschen" sind, ist auch mir ein Anliegen. Schön, dass wir das aneinander merken.
Vor einigen Monaten hatte auch ich beschlossen, mein Schreiben auf hpd einzustellen. Mir waren die häufigen teils persönlichen Unterstellungen mir gegenüber (ich hätte keine Ahnung von Wissenschaft, wäre nur am Geld der Kirche interessiert, sei als Christ automatisch Rassist, sehne mich nach kirchlicher Diktatur) höchst zuwider.
Nach einigen Wochen kam ich aber doch zurück. Aber über konkrete Glaubensdinge schreibe ich hier immer noch ungern. Lieber zu Themen Politik und Wissenschaft.
Überraschend viele Poster schlenken mir gegenüber aber sehr schnell zum Thema Religion und Glaube über. Offenbar ist das Interesse doch sehr groß.
Mir scheint, dass ich in den letzten Monaten mehr konstruktive Antworten bekomme als früher. Auch mir fällt dabei die Abwesenheit eines früher sehr aktiven Schreibers auf. Allerdings eines kämpferischen Agnostikers/Atheisten.
Dass es in kirchlichen Kreisen auch höchst aggressive/neurotische/erregbare Gemüter gibt, ist unbestreitbar. Es wird aber auch zutreffen, dass solche Naturen eher dazu neigen, im "Feindesland" für Unruhe zu sorgen, als der Durchschnittschrist. Die christlichen Poster im hpd sind sicher kein repräsentativer Querschnitt der Großkirchen. Das kann ich Ihnen versichern. Die meisten von uns sind recht lieb.
Ich vermute ja auch, dass der Durchschnittshumanist etwas besseres zu tun hat, als auf hpd gegen Katholiken zu wettern.
Jedenfalls freut es mich, in Ihnen (und auch einigen anderen hpd-Postern) den Beweis zu haben, dass Menschen unterschiedlicher Weltsichten gemeinsam konstruktiv an einer Verbesserung der Welt arbeiten können.