In Großbritannien wird es künftig einen verpflichtenden Beziehungs- und Sexualkundeunterricht geben. Das Königshaus hat Ende April einem entsprechenden Gesetzentwurf zugestimmt. Während das Pflichtfach in den Grundschulen auf einen Beziehungsunterricht reduziert werden wird, wird den Schülern in den britischen Sekundarschulen auch Sexualkunde erteilt. Die britischen Humanisten warnen vor Ausnahmen für religiöse Schulen und Schüler.
Der Gesetzentwurf sieht auch vor, dass künftig ein Unterricht im Umgang mit den persönlichen, sozialen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Rechten eingeführt wird. Nach jahrzehntelanger Lobbyarbeit von Verbänden und Organisationen, die sich mit sozialen, gesundheitlichen und individuellen Rechten auseinandersetzen – darunter auch die britischen Humanisten –, wurde nun gesetzlich geregelt, dass die Schulen die entsprechenden Lehrkräfte vorhalten und sicherstellen müssen, dass der Unterricht erteilt wird. In den kommenden Monaten wird die britische Regierung gemeinsam mit den Schulinspektoren die Inhalte des Unterrichts festlegen. Dabei soll auch geprüft werden, wo die Schulen Unterstützung und Orientierung brauchen, um einen qualitativ hochwertigen Unterricht erteilen zu können.
Jay Harman von den britischen Humanisten freute sich, dass nach der jahrzehntelangen Arbeit bedeutende Schritte eingeleitet werden, um allen Schülern die Informationen zu geben, die sie benötigen, "um sicher und gesund zu bleiben, glückliche und respektvolle Beziehungen zu führen und lernen, mit abwertenden Stereotypen und Einstellungen umzugehen."
Der Humanistische Verband in Großbritannien (BHA) wird neben anderen Organisationen an diesen Konsultationen teilnehmen. Die BHA wird sich dabei für einheitliche Standards für alle Schüler und Schulen einsetzen, damit der Unterricht tatsächlich in allen Schulen und gegenüber allen Schulen im gleichen Umfang erteilt wird.
Das Bildungsministerium hatte zuvor erklärt, dass "Glaubensschulen" auch weiterhin in der Lage sein werden, "in Übereinstimmung mit den Grundsätzen ihres Glaubens zu lehren" und Rücksicht auf die religiösen Hintergründe der Schüler genommen werde. Auch in der parlamentarischen Debatte spielte dieser Aspekt eine große Rolle. Mehrere Abgeordnete sprachen sich für Ausnahmen für gäubige Schüler und religiöse Schulen aus.
Die BHA reagierte daraufhin umgehend. "Das Recht der Kinder auf exakte und evidenzbasierte Informationen über Beziehungen und Sexualität sollte weder etwas mit ihrem religiösen oder nicht-religiösen Hintergrund noch mit der Art der Schule zu tun haben, die sie besuchen. Wenn alle Kinder ein Recht auf umfassende und altersgerechte Beziehung- und Sexualbildung haben, wie die Regierung behauptet, dann müssen auch alle Kinder den gleichen Zugang zu ihr bekommen. Wenn man bestimmten Schulen gestattet, diesen Unterricht anders zu gestalten oder nicht zu erteilen, dann existiert entweder dieses Recht nicht oder man billigt die regelhafte Verletzung dieses Rechts."
Dies werde man nicht hinnehmen und sich bei den Konsultationen in den kommenden Monaten dafür einsetzen, dass der Unterricht in allen Schulen und gegenüber allen Schülern im gleichen Umfang erteilt wird, erklärte die BHA nach der königlichen Zustimmung zum Gesetzentwurf.
3 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Das Bildungsministerium hatte zuvor erklärt, dass "Glaubensschulen" auch weiterhin in der Lage sein werden, "in Übereinstimmung mit den Grundsätzen ihres Glaubens zu lehren" und Rücksicht auf
Gerade die, die eine derartige Erziehung aufgrund ihrer kulturell-religiösen Konditionierung am nötigsten hätten, sollen also davor verschont werden? Werden auch übergewichtige Kinder vom Sportunterricht befreit, wenn sie durch mangelnde Bewegung übergewichtig wurden? Oder werden Nichtschwimmer vom Schwimmunterricht befreit, weil sie nicht schwimmen können? Am Ende gar Analphabeten vom Erlernen der Schrift, weil sie nicht schreiben können?
Diese Quatschbeispiele illustrieren das Problem: Während man all diese Kinder zum Unterricht schickt, WEIL sie übergewichtig oder Nichtschwimmer sind oder nicht lesen und schreiben können, werden Kinder aus orthodox-religiösen Elternhäusern wegen ihrer Glaubensgrundsätze davon befreit, das zu erlernen, was sie gerade wegen ihres kulturell-religiösen Umfelds am dringendsten bräuchten: Den entspannten, gleichberechtigten und respektvollen Umgang mit dem anderen Geschlecht - oder auch dem eigenen, wenn eine entsprechende Neigung vorliegt.
Die Ursache dieses Widersinns liegt darin, dass das orthodoxe Elternhaus diesen entspannten Umgang mit den anderen - gar dem eigenen - Geschlecht nicht erträgt - also nicht toleriert. Deshalb sollte man parallel auch verpflichtenden Beziehungs- und Sexualkundeunterricht für all die Eltern einführen, die ihre Kinder nicht in den Beziehungs- und Sexualkundeunterricht lassen wollen. Die Eltern haben es nötig, damit sie ihren Kinder ein besseres Leben ermöglichen können.
Geschlechterapartheit ist auch eine Form des Rassismus, die regelmäßig zu einem Dauerkonflikt wird - es sei denn orthodoxe Männer und Frauen wohnen bis zu ihrem Lebensende auf unterschiedlichen Planeten...
Tobias am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Kammermeier,
ich möchte mich mal ganz herzlich für Ihre Kommentare bedanken, die ich immer sehr gerne lese.
Ich stimme Ihnen bislang zu 100% zu.
Markus am Permanenter Link
"Den entspannten [...] Umgang mit dem anderen Geschlecht - oder auch dem eigenen, wenn eine entsprechende Neigung vorliegt."
Da muss keine "entsprechende Neigung" vorliegen. Eine der wichtigsten Aufgaben des Geschlechtsunterrichts ist schließlich eine gesundes Einstellung zur Sexualität zu vermitteln, darauf hinzuweisen wie diffus negativ die Einstellung im Volk gegenüber Sex ist und mit falschen Ansprüchen an Geschlechterrollen aufzuräumen, mit den vorwiegend die Jungen und Männer in unserer Kultur terrorisiert werden. Der Unterricht sollte buchstäblich dazu ermutigen, sich mit seiner eigenen Sexualität auseinander zu setzen und ein gesundes Selbstverständnis zu entwickeln, das zu eigenverantwortlichem Handeln befähigt und frei ist von Zwängen.
Insgesamt eine hoffnungsvolle Nachricht. Ausnahmen haben hier sicherlich keinen Platz. Dass sich der BHA dafür einsetzt, stimmt ebenfalls optimistisch. Es ist ihm viel Erfolg zu Wünschen und hoffentlich ist das Ergebnis besser als bei uns. Die Unterrichtspflicht besteht bei uns ja schon seit Jahrzehnten für die 5. (oder 6.?) Klassen. Die Praxis (in Bayern) sieht so aus, dass die Eltern befragt werden, ob sie diesen Unterricht wünschen. Meines Erachtens regelmäßig entscheiden sich diese dagegen, sehr zur Erleichterung der Lehrerschaft und somit bleibt der Lehrplan unwirksam und das Gesetz eine bedeutungslose Vorschrift.