Neue Herausforderung für Linke Laizisten

ERFURT. (hpd) Mehr als drei Jahre sind vergangen seit der Gründung der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Laizismus in und bei der Partei DIE LINKE Thüringen. Diese LAG hatte mit ihren Wortmeldungen für eine Politik zur Durchsetzung der verfassungsmäßig gebotenen Trennung von Staat und Kirche rasch für Furore und für das Missfallen bei maßgeblichen Parteifunktionären gesorgt.

Seit Mitte 2013 war es dann stiller um die linken Thüringer Laizisten geworden. Kurz vor Weihnachten fand aber eine turnusmäßige Mitgliederversammlung statt, auf der Uwe Schenke und Rolf Krieg zu Vorsitzenden des vierköpfigen Sprecherrates gewählt worden sind. Uwe Schenke, der 2011 einer der LAG-Initiatoren war, stand jetzt in einem Interview dem hpd Rede und Antwort.

 

hpd: Zunächst einmal Glückwunsch zu Ihrer Wahl. Worum ging es 20. Dezember noch?

Uwe Schenke: Im Mittelpunkt stand das sogenannte kirchliche Arbeitsrecht, das in seiner Form in Westeuropa einmalig ist – allerdings zum Nachteil der in kirchlichen Unternehmen tätigen Mitarbeiter. Hierzu habe ich als selbst Betroffener ein Referat gehalten. Unsere Landesarbeitsgemeinschaft mahnt in ihrem Positionspapier deutlich den Schutz weltanschaulicher und religiöser Minderheiten an und tritt für die institutionelle Trennung von Staat und Kirche ein. Wobei – in Thüringen wie in allen ostdeutschen Ländern sind religionsfreie Menschen eben keine Minderheit, sondern eine deutliche Bevölkerungsmehrheit. Nur wollen Politik und Klerus das einfach nicht zur Kenntnis nehmen.

 

Was sprechen Sie derzeit konkret an?

Allgemeine bürgerliche Grundrechte und Arbeitnehmer/innen-Rechte müssen in den Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen Geltung haben, das gilt auch für das Streikrecht und das Betriebsverfassungsgesetz in Unternehmen und Einrichtungen, die mit dem Verkündungsauftrag nichts zu tun haben und “am Markt” mit anderen Anbietern konkurrieren. Wir begrüßen deshalb die jüngst von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angebotene Öffnung gegenüber der Linkspartei als einen Beitrag  hin zur politischen Normalität. In diesem Zusammenhang sollten auch in Thüringen Gespräche geführt werden über die Ablösung der sogenannten und eigentlich schon im 19. Jahrhundert abgegoltenen Staatsleistungen an evangelische und katholische Kirche.

 

Die LINKE ist nun seit Dezember nicht mehr Opposition im Landtag, sondern stellt mit Bodo Ramelow sogar den Ministerpräsidenten einer Drei-Parteien-Koalition. Was bedeutet das für die linken Thüringer Laizisten?

Wir hoffen, dass die im Landtagswahlprogramm formulierten Forderungen “Abschaffung der ACK- Klausel” (d.h. Kirchenmitgliedschaft als Einstellungsvoraussetzung in kirchlichen Unternehmen), das “Kirchenarbeitsrecht wird nicht mehr für zeitgemäß gehalten” und “Ablösung der Kirchenstaatsleistungen” jetzt auf Landesebene in Angriff genommen werden. Das bedeutet für uns als LAG, dass wir durchaus eine gewisse Kontrolle bei der Umsetzung des Wahlprogrammes auf die Regierungsarbeit ausüben müssen; das ist also eine ganz neue Herausforderung.

 

Welche Themen wurden wurden darüber hinaus noch angesprochen?

Wir wünschen uns einen Auf- bzw. Ausbau der Zusammenarbeit mit den Säkularen Grünen sowie den Laizisten in der SPD, auch wenn diese sich organisatorisch noch kaum entwickelt haben. Und wir sollten unbedingt auch das sogenannte Lutherjahr 2017 im Auge behalten und uns der Frage stellen, wie verhalten wir uns als Laizisten zu der einseitigen und unkritischen Berichterstattung der Person Luthers in den Medien. Denn Luther war in seinen Schriften widersprüchlich und dies sollten wir auch mit Themen besetzen.

Aktuell ist seitens des Klerus auch wieder das Thema Finanzierung von Kirchenbaulasten zu Lasten der Kommunen vor Gericht gebracht worden. Auch hier sollten wir uns politisch und juristisch zu Wort melden – zumal es ja bereits höchstgerichtliche Aussagen zum Thema gibt; also die Zurückweisung klerikaler Ansprüche per Urteil. Eigentlich sollten unter der neuen Regierung überhaupt alle Staat-Kirchen-Verträge offengelegt werden, die ja sämtlich die beiden sogenannten Amtskirchen materiell und finanziell privilegieren, obwohl diese weniger als 30 Prozent der Thüringer in ihren Reihen zählen.

Das betrifft sogar solch simple Fragen, ob und wie Kirchen für die Nutzung kommunaler Räume zur Kasse gebeten werden. Immerhin müssen andere Nutzer für Veranstaltungen dort Entgelte zahlen. Angesprochen wurden auch rein örtliche Probleme, z.B. in Eisenach.

 

Eines aber vermisse ich in der Aufzählung. Was ist aus einer ganz besonderen Initiative der LAG geworden? Bei einer Veranstaltung der LAG im April 2013 wurde doch dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Links-Fraktion ein ausführlicher Entwurf für eine Große Anfrage im Landtag überreicht. (siehe Anlage) Haben Sie darauf eine Antwort bekommen? Hat sich da etwas getan?

Hier muss ich doch etwas ausführlicher werden. Zunächst, die Fraktion – und auch der Landesvorstand - haben sich bis zum heutigen Tag nicht zu dem angesprochenen Papier positioniert. Wie die Fraktion damit umgegangen ist, wissen wir nicht. Es gab keinerlei Antwort, obwohl der Fraktionsgeschäftsführer das Papier offiziell entgegen genommen hatte.

Zur Partei selbst kann ich sagen, dass der von uns angesprochene Komplex nach Aussagen eines Landesvorstandsmitgliedes nicht einmal auf der Tagesordnung einer Landesvorstandssitzung stand. Dies reiht sich ein in die Ignoranz eines Beschlusses des 3. Landesparteitags, Regionalkonferenzen zum Thema Laizismus durchzuführen. Vom “Untergang des Abendlandes” - wie dies die Medien propagiert haben - kann mit der Wahl von Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten keine Rede sein.

Neben unserer Kritik an der bedingungungslosen Anerkennung des politischen Kampfbegriffes “Unrechtsstaat DDR”, werden unsererseits mindestens drei Aspekte des Koalitionsvertrages kritisch betrachtet, die für die säkulare Szene, für Religionsfreie und Laizisten von enttäuschender Bedeutung sind. Es gibt weder klare Aussagen zur verfassungsgemäßen Trennung von Staat und Kirche noch zur Trennung der Kirche von der Schule. Es wird eher eine stärkere finanzielle Privilegierung der sogenannten Freien Schulen geben, die zu 70 Prozent unter religiöser Trägerschaft geführt werden. Also für Bildungshäuser, bei der die religiöse Prägung der Kinder im Vordergrund des Bildungsauftrages steht. Dies ist nichts anderes als staatlich forcierte christliche Missionierung unter einem linken Ministerpräsidenten.

Ebenso wurden die Arbeitnehmerrechte kirchlicher Einrichtungen, die von öffentlichen Geldern bis zu 100 Prozent finanziert werden, im Koalitionsvertrag nicht einmal benannt. Die von Thüringen gezahlten Staatsleistungen finden ebenso wenig Eingang ins Regierungsprogramm. Aber das geht einher mit einem weiteren Abschnitt des Koalitionsvertrages. Unter 6. Kultur / Medien / Netzpolitik heißt es in einem Unterpunkt von 6.1 Kultur: “Religiöse Vielfalt gestalten Weltanschauliche und religiöse Vielfalt gehören zu Thüringen…..”, aber weniger als 30 prozent der Menschen in Thüringen sind religiös gebunden. Wo werden die zukünftigen Rechte der Mehrheit – 70 Prozent gehören keiner religiösen Gemeinschaft an - explizit benannt? 

Fazit, wer befürchtet oder gehofft hatte, dass mit einer erstmaligen Landesregierung “Rot-Rot-Grün” ein Machtwechsel oder wenigstens ein Politikwechsel stattfinden würde, der geht fehl. Mit dem von SPD, GRÜNEN und LINKEN geschlossenen Koalitionsvertrag wird es keinen Politikwechsel in Thüringen geben. Dieser Vertrag stellt sogar einen Affront gegen alle Laizisten dar. Die Arbeit der LAG Laizismus wird mit dieser Regierung nicht einfacher, sondern sie wird intensiver geführt werden müssen. Es wird dazu für die Zukunft eine Zusammenarbeit der Laizisten der Regierungsparteien von LINKE, SPD und GRÜNEN in diesem Jahr angestrebt und es soll auch ein verbindliches Treffen mit Mitgliedern der Giordano-Bruno-Stiftung stattfinden.

 

Vielen Dank, Herr Schenke, was diese doch sehr, sehr offene und ausführliche Antwort angeht. Was den Entwurf für eine große Anfrage angeht, so ist es sehr schade, dass gerade die Linksfraktion solch ein Thema ausgesessen hat, denn selbst eine minimale Antwort hätte ja endlich etwas mehr Licht auf die Verflechtung von Staat und Kirchen im Lande Thüringen geworfen und konkrete Daten für politische Forderungen geliefert. Für Ihre weitere politische Arbeit kann man da nur Optimismus und Standhaftigkeit wünschen.

 

Das Interview führte Siegfried R. Krebs für den hpd.