Blutiges Pfingstwunder: Wie die Kirche die Idee vom Heiligen Geist durchsetzte

Herr, wirf Feuerchen vom Himmel

Wieder einmal ist Pfingsten, und kaum jemand weiß, was da gefeiert wird: Der Heilige Geist. Die Dreieinigkeit Gottes. Verstanden hat die nie jemand so richtig. Sie durchzusetzen war für die Kirche im 4. Jahrhundert allerdings ein Meilenstein auf dem Weg zur Weltmacht - und der erste Grund, Glaubensabweichler zu verfolgen und zu töten.

Pfingsten, was war das noch mal? Alle freuen sich immer über den freien Montag, aber nur jeder vierte Deutsche weiß, womit er ihn verdient hat. Ist da ein Pfingstochse in den Himmel geflogen, brannte ein Busch, oder war wieder was mit Jesus? Ab und zu kommt ein Feiertag in den Kalender gesegelt, keinen kümmert der Anlass so recht. Putzt man halt am Auto rum oder liegt einen Tag länger neben dem Bierkasten am See. Gottes Wege sind ja sowieso unerforschlich.

Sind sie allerdings eben nicht. Es hat ja viel Tradition, aus vermeintlich göttlicher Überlieferung einen Sinn konstruieren zu wollen, all die Widersprüche und Ungereimtheiten unter einen Hut zu bringen. Das nennt man dann Theologie. Damit haben die Kirchenoberen sich Jahrhunderte lang beschäftigt, und ihren Einsichten hatte man besser Folge zu leisten, wenn einem sein Leben lieb war.

Wie man weiß, hüllt Gott sich seit biblischen Zeiten in eine Wolke des Schweigens und schickt höchstens hin und wieder ein paar Marienhologramme an nicht weiter frequentierte Orte, um vereinzelten Religionsgläubigen ihre Religion zu bestätigen. Bessere Kommunikationswege sind ihm wohl noch nicht eingefallen, oder er gefällt sich eben halt auch in der Rolle des Unerforschlichen, des Liebhabers bizarrer Streiche, die seine alttestamentarischen Massenmorde als Hobby abgelöst haben. Was allerdings nicht unerforschlich ist, sind die Wege seiner Verkünder, der Kirchen. Die haben durchaus eine historisch greifbare Vergangenheit, und erst wenn man ihre Geschichte verstanden hat, versteht man, warum wir Pfingsten, naja, begehen.

Pfingsten ist nämlich das Fest des Heiligen Geistes, und seien wir ehrlich: Den hat noch nie jemand wirklich kapiert. In der Bibel gibt es ein paar wenige Stellen, die seine Existenz möglicherweise andeuten, und die sind, wenn man von allen anderen Glaubwürdigkeitsproblemen der Bibel absieht, natürlich auch wieder ein Übersetzungsproblem. Der Heilige Geist, gibt’s den eigentlich? Was haben wir uns darunter vorzustellen. Glücklicherweise gibt es ja katholisch.de, hier kann man sich sozusagen aus erster Hand informieren. Sie haben sogar ein Video über den Heiligen Geist, und da erfährt man also nichts weiter über seine Natur oder sein Aussehen und seine Funktionsweise, aber man erfährt, was er tut: Überall da, wo etwas Neues aufbricht und entsteht, wirkt der Heilige Geist mit.

Potzblitz, denkt man da, für eine solche schwer greifbare Lebenssituation hat der liebe Gott eine eigene Teilgottheit geschaffen, obwohl er ja ohnehin schon allmächtig ist und also eigentlich den Heiligen-Geist-Job auch allein übernehmen könnte? Was mag ihn dazu bewogen haben? Wieso gibt es keine Teilgottheit mit dem Superskill, die Traurigen zu trösten? Kriege zu verhindern? Endlich mal den den Müll rauszubringen? Nein, wir haben es mit einer Gottheit zu tun, die überall dort geheimnisvoll einwirkt, wo neue Dinge angeschoben werden, warum auch immer, sowie offenbar: Welche Dinge auch immer.
 
Gottes Vertreter auf Erden haben immer schon Probleme gehabt, das Konzept zu erklären, zumal man den Heiligen Geist heutzutage erst dann richtig spüren kann, wenn man sich eine ganze Weile mit Tanzen und Singen verausgabt hat, und das im Kreise von Leuten, die alle an ihn glauben. Da ist es dann ein bisschen wie auf einem Technorave, man spürt diese Entgrenzung, und es ist vor allem auch ein bisschen wie in der Bibel. An Pfingsten nämlich ist der Heilige Geist zum ersten Mal in Erscheinung getreten, und er gab den Anstoß zu etwas Neuem. Jesus war ja nun schon ein paar Wochen tot, dann irgendwie wieder lebendig, und nun war es auch wieder eine Weile her, dass er in den Himmel geflogen war. Seine Jünger hielten sich in Jerusalem auf und wussten wohl auch nicht so recht, was sie nun tun sollten.

Dann kam eines Tages auf dem Marktplatz der Heilige Geist über sie, und einmal mehr zeigte Gott seinen Sinn für Special Effects: Der Heilige Geist, also irgendwie auch er selbst, kam in der Form von feurigen Zungen auf die Jünger hernieder, diese trugen daraufhin öffentlich ihre Botschaft vor, und siehe da, sie wurden von allen Anwesenden, von wo sie auch kamen, verstanden. Die Jünger waren, zumindest in der kirchlichen Überlieferung, zu Sprachgenies geworden, oder zumindest kam es ihnen selber so vor. Noch in der Bibel selbst findet sich der Verdacht, dass sie einfach nur ein bisschen zu stark dem Wein zugesprochen hatten.

Was aus ihrem sagenhaften Sprachtalent später dann wurde, entzieht sich leider der Überlieferung, auch, ob die Flammenzungen irgendwann wieder herausgefahren sind aus den Jüngern, und ob sie Brandmarken hinterließen. Fakt ist: Diese etwas befremdliche Geschichte ist eine von vielen fantasievollen Fabeln aus der Bibel, aber sie hat in der Folge eine Bedeutung erlangt wie wenige andere. Weil sie politisch von Wert war. Mit einem letzten Taschenspielertrick zieht Gott sich hier bis auf Weiteres aus dem operativen Geschäft zurück, bis er später dann, am Jüngsten Tag, die Welt zu vernichten gedenkt.

Bis dahin übergibt er seine Amtsgeschäfte einer gerade entstehenden Institution: Der Kirche. In dem Maße, wie sie an Organisiertheit und Einfluss gewann, kam ihr auch eine eigene Göttlichkeit gut zupass. Gott und Jesus, schön und gut – aber wenn man sich wirklich Respekt verschaffen will, wäre es doch nützlich, wenn Gottes Verkünder, die Priester, selber im Ruch des Göttlichen stünden. Auf den ohnehin schon wenig nachvollziehbaren doppelten Schöpfer, der aus Jesus und seinem Vater bestand, sattelte man noch drauf: Der Heilige Geist war dann eben auch noch Gott, und die Priester im weiten Erdenrund konnten ihn vor ihrer Gemeinde heraufbeschwören. Mit Pfingsten beginnt die Kirche.

In den ersten Jahrhunderten tobten zwischen den verschiedenen christlichen Gruppierungen vertrackte Auseinandersetzungen über die Natur Gottes und der ihm beigeordneten beiden Figuren. In dem Moment, da die ehemalige Outsidersekte sich anschickt, ein wirkungsvolles Machtinstrument des römischen Kaisers zu werden, wird dann eine Vereinheitlichung des Glaubens durchgeprügelt. Im ersten Konzil von Nicäa streiten sich die Kleriker im Jahr 325 so lange darüber, ob Jesus und der Heilige Geist wirklich auch Gott sind, bis es Kaiser Konstantin zu bunt wird und er den Streit zunächst einmal von höchster Stelle entscheidet: Dreieinigkeit und basta. Ab sofort wird exkommuniziert, wer das nicht glaubt, die Schriften des theologischen Widersachers Arius werden verbrannt und ihr Besitz unter Todesstrafe gestellt. Eine theologisch vereinheitliche Kirche steht bereit, mit dem Kaiser eine schlagkräftige Allianz zu bilden. Dass er ein Mann der Tat ist, weist der Christenförderer bereits ein Jahr später nach, als er seine Frau und seinen ältesten Sohn ermorden lässt.

Der Heilige Geist war nun so stark wie nie zuvor, und er verhilft uns allen zu einem freien Montag. Alles hätte aber auch wieder anders kommen können: Im Jahr 361 übernahm Kaiser Julian die Macht, ein Mann, der sich weniger von den Spitzfindigkeiten christlicher Bibeldeutung inspirieren ließ als vom Reichtum der damals noch greifbaren antiken Wissenschaft und Philosophie. Er war ein ausgewiesener Förderer der alten römischen Religion und hätte die Kirche wieder aus ihrer Verfilzung mit der kaiserlichen Macht entfernen können – wäre er nicht so versessen gewesen, Persien zu überfallen. Nach nur zwei Jahren Regierungszeit starb er auf seinem Feldzug, und die Christen kamen wieder an die Schalthebel der Macht.

Ein paar Jahre später setzen sie den Heiligen Geist endgültig durch: Im Jahr 380 beenden die drei Kaiser Theodosius I., Gratian und Valentinian II. die Religionsfreiheit in ihrem Reich. Ab sofort wird bestraft, wer sich nicht zur Heiligen Dreieinigkeit bekennt. Nach dem Konzil von Konstantinopel 381 erklärt Kaiser Theodosius über Glaubensabweichler: "Die Übrigen, wahnwitzig und geistesgestört wie sie sind, sollen die Schmach ihres häretischen Glaubens tragen." Es dauert noch vier Jahre. Dann wird Priscillian, der asketische Bischof von Ávila, auf der Synode von Trier verurteilt und mit dem Schwert hingerichtet, mehrere seiner Anhänger mit ihm. Etwas Neues hatte begonnen, die blutige Verfolgung von so genannten Ketzern im Namen der Kirche, und ob der Heilige Geist dabei seine Finger mit im Spiel hatte, sollen Kundigere beurteilen.