Am Mittwoch hat der Rat der Stadt Münster beschlossen, den Katholikentag 2018 mit Sachleistungen in Höhe von 982.000 Euro zu finanzieren. Vorausgegangen war der Entscheidung eine mehr als zweijährige Debatte, ob und in welcher Höhe der Katholikentag mit städtischen Geldern gefördert werden soll. 2015 hatte der Rat der Stadt Münster deutschlandweit für Aufmerksamkeit gesorgt, weil er gegen einen vom Katholikentagsveranstalter beantragten Barzuschuss in Höhe von 1,2 Millionen Euro gestimmt hatte.
Vor dem Historischen Rathaus am Prinzipalmarkt von Münster mahnte am Mittwoch eine drei Meter hohe Figur die Ratsmitglieder, noch einmal sehr genau über die geplante städtische Finanzierung des Katholikentags 2018 nachzudenken: Die Mosesfigur der Aktionsgruppe "Das 11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!".
Im Ratssaal wurden die Ratsherren und -frauen hingegen von einem rund ein Meter hohen Kreuz samt leidendem Jesus und flackernden Kerzen in Empfang genommen, welches auf dem Tisch des Oberbürgermeisters prangte. Und das ausgerechnet zu Beginn jener Sitzung, in welcher der Rat von Münster die seit über zwei Jahren intensiv diskutierte Frage zu beantworten hatte, in welcher Höhe er den Katholikentag 2018 aus dem Stadtsäckel zu fördern beabsichtigt. Wie sich schnell herausstellte, war die geistliche Dekoration kein persönliches Statement zum Katholikentag von Oberbürgermeister Markus Lewe, der vor seiner OB-Tätigkeit für das Bistum Münster arbeitete. Es war auch kein Willkommensgruß für die gespannt im Publikum harrenden Vertreter des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK), die die städtischen Gelder zur Förderung ihres Glaubensfestes beantragt hatten. Vielmehr stand es nur am Anfang der Ratssitzung auf dem Tisch, da es galt, zwei neue Ratsmitglieder zu vereidigen. Unterm Kruzifix und mit Gottesformel. Willkommen in Münster!
Rund zwei Stunden lang stritten die Ratsmitglieder über diverse Themen und Anträge. Debatten, die sich letztlich immer um den einen Punkt drehten: Die klamme Haushaltslage der Stadt Münster. Diese hat derzeit über 800 Millionen Euro Schulden. Gegen 19:20 Uhr begann schließlich die Verhandlung von Tagesordnungspunkt 19: "101. Deutscher Katholikentag vom 09. -13. Mai 2018 in Münster – Kommunale Unterstützung durch Sachleistungen und Finanzierungsbeiträge".
Der Verhandlung des Themas an diesem Abend war eine lange Diskussion vorausgegangen. Bereits 2014 hatte das ZdK als Veranstalter des Katholikentags bei der Stadt Münster einen städtischen Barzuschuss in Höhe von 1,5 Millionen Euro zur Förderung des Events beantragt. Ein übliches Verfahren – seit Jahrzehnten lassen sich die Veranstalter der im jährlichen Wechsel stattfindenden Katholikentage und Evangelischen Kirchentage 30-50% der Kosten ihrer Glaubensfeste von Bund, Land und Stadt bezahlen. Bislang wurden ihnen diese Mittel stets unhinterfragt genehmigt, doch 2014 sorgte die politische Kunstaktion "Das 11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!" in Regensburg und Leipzig dafür, dass diese fragwürdige Finanzierungspraxis erstmals von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen und kritisch hinterfragt wurde. Auch in Münster stieß die Aktionsgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung 2014 die öffentliche Diskussion um den städtischen Zuschuss an. Als der Rat der Stadt Münster nach langen zähen Diskussionen mit der Mehrheit von SPD, Grünen und Linken im März 2015 dem ZdK den beantragten und inzwischen auf 1,2 Millionen geschrumpften städtischen Barzuschuss verweigerte, berichtete die Presse deutschlandweit über das Ereignis, denn diesen Mut hatte bisher noch kein Rat gezeigt.
Da man es sich jedoch nicht völlig mit der in Münster nach wie vor sehr mächtigen katholischen Kirche verscherzen wollte, hatte man einen Vorschlag zur Güte gemacht: Das ZdK sollte zwar keinen Barzuschuss dafür jedoch Sachleistungen wie Turnhallennutzung oder den Transport der Besucher mit dem städtischen ÖPNV erhalten. Das ZdK wurde damals von der Stadtverwaltung gebeten, eine entsprechende Auflistung der benötigten Leistungen anzufertigen. Das tat das ZdK und kam auf Sachleistungen im Wert von 1,27 Millionen Euro. Eine Liste, die von der Stadtverwaltung umgehend um den Posten "Bereitstellung von Lagerflächen und Büros für die Geschäftsstelle" in Höhe von 285.000 Euro gekürzt wurde, da die Stadt keine entsprechenden Räumlichkeiten besitzt. Sehr wohl besitzt solche Räumlichkeiten dagegen das Bistum Münster, das mit Immobilien in bester Innenstadtlage ohnehin reich gesegnet ist. In einer solchen Immobilie befindet sich inzwischen die Geschäftsstelle des Katholikentags.
Übrig blieben nach der Kürzung Sachleistungen in Höhe von 982.000 Euro. Doch auch auf diese konnte sich der Rat der Stadt Münster im Mai 2015 nicht verständigen, da insbesondere den Grünen diese Summe viel zu hoch war und die einzelnen Kostenpositionen viel zu wenig aufgeschlüsselt und transparent.
Über zwei Jahre sind seitdem ins Land gezogen, in denen sich im Rat der Stadt Münster einige gravierende Änderungen ergeben haben: Die Grünen haben ihr Bündnis mit der SPD aufgekündigt und sind eine Koalition mit der CDU eingegangen. Lange hatte man das leidige Thema Katholikentagsfinanzierung ausgeklammert, denn dass es hierbei Spannungen zwischen den eifrigsten Befürwortern einer möglichst hohen Katholikentagsfinanzierung (CDU) und den eifrigsten Kritikern und Herunterhandlern der Katholikentagsfinanzierung (Grüne) geben würde, war absehbar. 10 Monate vor dem Katholikentag 2018 präsentierte das ungleiche Gespann nun jedoch in Zusammenarbeit mit der Stadtkämmerei eine Beschlussvorlage, über die am Mittwoch in der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause abgestimmt wurde.
Der Beschlussvorschlag der Vorlage V/0582/2017 lautet wie folgt:
"1. Der Rat nimmt zur Kenntnis, dass eine Finanzierung von Sachleistungen und vergleichbaren Leistungen in einer Höhe von bis zu 982.000 € erforderlich ist.
a. Die Stadt Münster unterstützt den Veranstalter des 101. Deutschen Katholikentages mit einer Finanzierung von Sachleistungen in Höhe von 682.00 Euro.
b. Die Stadt Münster unterstützt den Veranstalter darüber hinaus die Deckungslücke von 300.000 Euro zu schließen, vorrangig durch die Akquise weiterer Finanzierungsmittel wie Sponsorenmittel, Spenden etc.
2. Die Hinweise zur Kostenbeteiligung werden, wie in der Begründung dargestellt, zur Kenntnis genommen."
Eine Beschlussvorlage, die zu heftigen Diskussionen in der Ratssitzung führte.
Rüdiger Sagel, Fraktionschef der Linken, betonte, dass es nach Auffassung der Linken keine öffentliche und auch keine städtische Aufgabe sei, den Katholikentag zu finanzieren – jedenfalls nicht in einem höheren Maß als andere Veranstaltungen. Sagel verwies ferner auf den aktuellen Haushaltsüberschuss des Bistums Münster von 50,1 Millionen Euro, aus dem die fehlenden Geldmittel des Kirchentagsveranstalters sicherlich zu bestreiten seien.
Unterstützung erhielt die Position der Linken überraschenderweise vom anderen Ende des politischen Spektrums. AfD-Ratsherr Martin Schiller wies darauf hin, dass man nun zwei Stunden über den angespannten Haushalt diskutiert und ein Bekenntnis zum Sparen abgelegt habe und dass die Ablehnung der Finanzierung des Katholikentages doch eine gute Möglichkeit biete, nun mit dem Sparen anzufangen – insbesondere da die katholische Kirche Kohle ohne Ende habe.
Doch nicht nur an den Rändern des politischen Spektrums regte sich Kritik an der Finanzierung, sondern auch in dessen Mitte. FDP-Fraktionsvorsitzende Carola Möllemann-Appelhoff wiederholte die Position, die die FDP seit Beginn der Finanzierungsdebatte 2014 im Rat vorgetragen hatte: Dass man sich darüber freue, dass der Katholikentag nach Münster kommt, dass es sich die Stadt aufgrund der angespannten Haushaltslage jedoch nicht leisten könne, ihn zu finanzieren.
Vor allem jedoch bekamen in der Diskussion die Grünen ihr Fett weg. Statt offen zuzugeben, dass sie bei der Frage der Katholikentagsfinanzierung eingeknickt sind, um die Koalition mit der CDU nicht zu gefährden, versuchte Grünen-Fraktionschef Otto Reiners, die Beschlussvorlage mit einer Flucht nach vorn zu verteidigen. Die Position der Grünen habe sich seit 2015 nicht geändert, so Reiners. Zum einen sei der fragliche Betrag nun mit 682.000 Euro wesentlich geringer als in der Sachleistungsdebatte 2015 und zum anderen vertrete man nach wie vor die Auffassung, dass man den Katholikentag nur in demselben Maße fördern wolle wie andere Großveranstaltungen. Eine Aussage, die zu einiger Belustigung unter jenen Ratsmitgliedern und Besuchern führte, die die damalige Debatte verfolgt hatten.
SPD-Fraktionschef Michael Jung erinnerte die Grünen daran, dass es vor zwei Jahren, als noch SPD und Grüne im Rat zusammenarbeiteten, vor allem die Fraktion der Grünen war, die sich "als Verteidiger des säkularen Staats" aufgespielt und sich vehement gegen Sachleistungen in Höhe von 982.000 Euro ausgesprochen hatten. Um genau diese Summe ginge es in der aktuellen Beschlussvorlage jedoch wieder, so Jung. Denn falls die 300.000 Euro nicht durch Spenden eingeworben werden können, fließt das Geld letztlich aus dem Stadtsäckel. Auch wiesen einige verklausulierte Formulierunge in der Beschlussvorlage darauf hin, dass man plane, doch Bargeld an den Kirchentagsveranstalter fließen zu lassen und damit den Ratsbeschluss von 2015 auszuhebeln.
Linken-Fraktionschef Rüdiger Sagel wies die Grünen darauf hin, dass sich der Rat erst nach zähem Ringen dazu entschlossen hatte, das letzte Stadtfest mit 70.000 Euro zu fördern und dass man bei einer städtischen Förderung von 70.000 Euro für ein dreitägiges Stadtfest und 982.000 Euro für einen fünftägigen Katholikentag, bei dem weniger Besuchern als beim Stadtfest erwartet werden, wohl kaum von einer Gleichbehandlung sprechen könne. Auch an einen Ergänzungsantrag der Grünen aus dem Jahr 2015 erinnerte Sagel. Die Grünen hatten damals lauthals gefordert, die Stadt möge beim Bistum anfragen, inwieweit dieses sich in der Lage sieht, durch den Verkauf einiger Immobilien in Innenstadtlage das erforderliche Geld für den Katholikentagsveranstalter aufzutreiben. Die in der Beschlussvorlage beschriebene Konstruktion, dass die Stadt für den Katholikentagsveranstalter Spendenakquise betreiben wird, hält Sagel darüber hinaus für rechtlich bedenklich.
Nach vierzig Minuten Diskussion, den üblichen Pro-Katholikentags-Floskeln der CDU und einem Änderungsantrag der Fraktion ÖDP/Piraten, der keine Mehrheit fand, wurde die Beschlussvorlage V/0582/2017 kurz vor 20:00 Uhr mit den Stimmen von CDU, Grünen, ÖDP und UWG angenommen. Linke, FDP, Piraten und AfD stimmten dagegen. Die SPD enthielt sich – allerdings nicht aus grundsätzlichem Zweifel an der Katholikentagsfinanzierung, sondern weil man einen deutlichen Beschluss über 982.000 Euro vorgezogen hätte, damit der Katholikentagsveranstalter mehr Planungssicherheit hat.
Bereits eine Stunde später veröffentlichte die Geschäftsstelle des Katholikentags eine Pressemitteilung, in der deutlich wurde, dass es sich bei dem von den Grünen in der Diskussion verzweifelt verteidigten Betrag von 682.000 Euro von Anfang an um reine Augenwischerei handelte: "Der Katholikentag begrüßt die Zusicherung der Stadt Münster, ihn mit einer knappen Million Euro zu unterstützen."
Rund ein Drittel der geplanten Kosten für den Katholikentag 2018 in Höhe von 9,3 Millionen Euro wird nun die öffentliche Hand tragen: 1,6 Millionen Euro das Land NRW, 982.000 Euro die Stadt Münster und 400.000 Euro der Bund.
Ob gegen die Entscheidung des Rates rechtliche Mittel möglich sind, wird derzeit geprüft. Nicht nur die fragwürdige Praxis, durch die Stadt Spenden und Sponsorenmittel für einen religiösen Verein einzuwerben, ist höchst bedenklich, auch die offenbar geplante teilweise Auszahlung von Geldern an den Katholikentagsveranstalter verstößt gegen den Beschluss von 2015, den Katholikentag lediglich mit Sachleistungen zu fördern.
8 Kommentare
Kommentare
Sven am Permanenter Link
die reiten ein totes Pferd...
Roland Weber am Permanenter Link
Wie kann man erwarten, dass ein Rat, der als demokratische Institution unter dem Kruzifix tagt, sich gegen die finanziellen Interessen der Kirche stellt?
Kay Krause am Permanenter Link
Das verstehe nich jetzt nicht: wieso konnten die Damen und Herren Stadträte diesen Beschluss fassen, obwohl ich doch strikt dagegen war und das auch schriftlich im hpd kundgetan habe?
Wolfgang am Permanenter Link
"Turnhallennutzung oder den Transport der Besucher mit dem städtischen ÖPNV "
Ich möchte daran erinnern, Jesus wurde in einem Stall geboren und als Beförderungsmittel diente ein Esel. Heute heißt der Stall Rathaus und die Ratsmitglieder fahren teure Schlitten. Aber Esel sind sie geblieben.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Schweinerei, elendige.
Horst Herrmann am Permanenter Link
In Abwandlung eines bekannten Spruchs: "Da spielen sie Tage, Wochen, Monate gegeneinander, und am Ende gewinnen immer die Katholiken."
Wolfgang am Permanenter Link
Unter sogenannten Sachleistungen kann man vieles unterbringen: Messwein, Toilettenpapier, Musik, Bratwurst und Frikadellen und nicht vergessen die vielen Gebetbücher. Ob Jesus auch eine Einladung bekommt?
Wolfgang am Permanenter Link
Ich verstehe die Zuzahlung nicht: Jesus konnte bekanntlich aus Wasser Wein machen, warum beherrschen die Kirchenfuzzis es nicht, aus Papier Geld zu machen? Müsste doch mit einem entsprechenden Gebet möglich sein?