Mit einem bunten Protest und zahlreichen kleineren kreativen Aktionen stellten sich über 2500 Menschen den christlich-fundamentalistischen Abtreibungsgegner*innen auf ihrem sogenannten "Marsch für das Leben" entgegen. Dazu aufgerufen hatte neben anderen Akteur*innen das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung.
"In Beratungsstellen werden die Veränderungen hinsichtlich des Zugangs zu einem Schwangerschaftsabbruch wohl am deutlichsten spürbar", erklärt Ines Scheibe, Bündniskoordinatorin und für den Humanistischen Verband und in der Schwangerenkonfliktberatung tätig. "Dass Gynäkolog*innen im Rahmen ihrer Ausbildung die Methoden für Abbrüche nicht standardmäßig erlernen, wird mittel- und längerfristig ein Problem darstellen."
Stefan Nachtwey, Bündnissprecher und als Geschäftsführer für das Familienplanungszentrum BALANCE tätig, ergänzt: "Ich freue mich, dass heute, eine Woche vor der Bundestagswahl, so viele Menschen gegen Rassismus und für sexuelle Selbstbestimmung gemeinsam auf die Straßen gegangen sind. Es wäre Aufgabe der Politik, sicherzustellen, dass in Deutschland ein straffreier und sicherer Schwangerschaftsabbruch ermöglicht wird. Mit dem Einzug der AfD in den Deutschen Bundestag ist dies verstärkt in Gefahr."
Der Aktionstag startete um 12.00 Uhr mit einer Auftaktkundgebung auf dem Platz des 18. März vor dem Brandenburger Tor. Es sprachen Marlies Tepe (Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft), eine Vertreterin der Gruppe Dziewuchy Dziewuchom und das Bündnis Frauen*kampftag sowie Vertreter*innen der parteilichen Jugendorganisationen linksjugend [´solid], Grüne Jugend und Jusos Berlin. Musikalische Unterstützung gab es durch Auftritte von Lady Lazy und der Trommler*innengruppe uSAMBAras.
Während des Demonstrationszuges ab 15 Uhr über die Straße Unter den Linden wurden die vorbeiziehenden "Lebensschützer" mit kreativen Sprüchen und lauter Musik konfrontiert. Auf der Abschlusskundgebung im Lustgarten am Berliner Dom trafen die Demonstrant*innen wie geplant auf die Teilnehmer*innen der We’llcome United Parade, um ein starkes Zeichen gegen Rassismus mit einer gemeinsamen Kundgebung zu setzen. Ab 16 Uhr gab es dort eine Solidaritätsnote an We’llcome United sowie an die Abschlusskundgebung der Hebammen, die sich gegen ihre prekären Arbeitsverhältnisse und die neue Gesetzgebung zur Wehr setzen.
Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung
Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung wurde 2012 gegründet und organisiert seither Proteste gegen den jährlich stattfindenden, bundesweiten sogenannten "Marsch für das Leben". Das Bündnis ist ein breiter Zusammenschluss aus Beratungsstellen, Verbänden, politischen Gruppierungen und Parteien. Eine der Kernforderungen ist der uneingeschränkte Zugang zu einem legalen Schwangerschaftsabbruch und die Streichung des Paragraphen 218 aus dem Strafgesetzbuch. Weiterhin fordert das Bündnis eine geschlechter- und kultursensible Sexualaufklärung für alle und angemessene Unterstützung für alle, die sich für ein Kind entscheiden, damit sie ihre eigene Lebensplanung aufrechterhalten können.
Die Bündniserklärung und alle bisherigen Unterzeichner*innen finden Sie auf der Webseite des Bündnisses
13 Kommentare
Kommentare
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Kann mir jemand erklären, was Rassismus mit dem Thema Abtreibung zu tun hat?
Vielleicht gibt es ja einen einleuchtenden Grund. Nur: Ich sehe ihn nicht.
Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass beim "Marsch für das Leben" jemals rassistisches Gedankengut verbreitet worden wäre.
Bruno Kaufmann am Permanenter Link
Lieber Herr Schönecker, Rassismus und Abtreibung hat auf den ersten Blick tatsächlich nichts miteinander zu tun. Im Bericht wird aber auch nicht behauptet Abtreibungsgegner seien Rassisten.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Danke für Ihre Erklärung!
Eine teilweise Überlappung von Abtreibungsgegnern und Rassisten mag es tatsächlich geben.
Es unterscheiden sich aber die Begründungen für die Ablehnung der Abtreibung:
Konservative, insbes. konservative Katholiken, begründen die Ablehnung der Abtreibung meistens mit "Schutz des ungeborenen Lebens".
Rechte und Rassisten begründen eher mit "Erhaltung des eigenen Volkes". Das halte ich für ein sehr schlechtes Argument.
Ich kann Ihnen versichern, dass ich als sehr konservativer Mensch und Abtreibungsgegner überhaupt nichts von Rassismus halte. Ich begrüße z.B. ausdrücklich die Ernennung einheimischer Bischöfe in Afrika, Asien und Amerika und hätte überhaupt nichts gegen z.B. einen Papst von den Philippinen. Auch gegen die Vermischung von Rassen, wie es sie ja im Mittelmeerraum seit Jahrtausenden gibt, habe ich nichts einzuwenden.
Im speziellen Fall des "Marsches für das Leben" ist, glaube ich, die AfD erfreulich wenig präsent. Deshalb halte ich hier die Vermischung der Themen für fehl am Platz.
Es ist so, als würde bei einer Gay-Parade eine Gegendemo Plakate gegen die Ausschreitungen in Hamburg herzeigen, weil doch hier wie dort eher Linke aktiv sind. Ich denke, die Homosexuellen-Szene würde die Verlinkung homosexuell-links-anarchistisch-Brandstifter völlig zu Recht als diffamierend empfinden.
Ebenso möchte ich als Konservativer nicht mit Rassisten in Verbindung gebracht werden.
Ich hoffe, Sie verstehen meinen Standpunkt.
Falls der "Marsch für das Leben" inzwischen doch von der AfD unterwandert sein sollte, dann bitte ich um Aufklärung. Ich verfolge deutsche Demonstration nicht sonderlich aufmerksam.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Schönecker
Bruno Kaufmann am Permanenter Link
Lieber Herr Schönecker,
es freut mich, dass Sie kein Rassist sind, und ich glaube es Ihnen gerne, dass das so ist (obwohl ich Ihre Nicht-Rassist-Sein-Definition als etwas merkwürdig empfinde).
Ich glaube nicht, dass irgend ein Homosexueller sich darüber empören würde, wenn an einer Gegendemo zu einer Gay-Parade auch noch ein Anti-G20-Ausschreitungen-Plakat in die Luft gehalten würden. Ich glaube eher, dass Homosexuelle Menschen sich über ein solches Plakat freuen würden, weil sie in all den unvernünftigen Gegendemonstranten doch noch einen klar denkenden Menschen ausmachen könnten.
Schauen Sie, lieber Herr Schönecker, heute ist es schwierig, Leute auf die Strassen zu kriegen, weil es uns doch im Allgemeinen sehr gut geht. Deshalb müssen linke wie auch rechte Gruppierungen ihre Kräfte bündeln mehrere Themen gleichzeitig mit einer Demo bekämpfen wenn man schon Mal die Leute auf der Strasse bekommen hat. Das machen auch eher konservative Kreise so. Bei den Impfgegnern-Demo wird dann auch gegen Pharmakonzerne und die Lügenpresse gewettert ( s. https://hpd.de/artikel/impfgegnern-demobericht-14790 ). Das liegt in der Logik (resp. Unlogik) eines emotional aufgeladenen Demonstrationszug. Sich deswegen «diffamiert» fühlen, wie Sie es für möglich halten, ist aus meiner Sicht dann schon etwas überempfindlich. Wer das nicht aushält, sollte keine News mehr konsumieren und nur noch Rosamunde Pilcher Schmonzetten lesen.
Herzliche Grüsse
Bruno Kaufmann
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Lieber Herr Kaufmann!
Dass ich auf verkürzte Slogans, wie sie auf Demos zu hören und zu lesen sind, überempfindlich reagiere, mag sein.
Ich kann aus denselben Gründen auch Wahlplakate nicht leiden. Sie bieten ausschließlich Emotion, keinen Inhalt.
Ich lese aus diesem Grund aber nicht Rosamunde Pilcher, sondern komplette Wahlprogramme. Und zwar sowohl linke als auch rechte. Das trägt zur Orientierung bei.
Und um mich ansonsten weltanschaulich zu orientieren, lese ich halt auch gerne mehr als "Mein Bauch gehört mir!". Das alleine ist ja kein Argument. Genauso wie "Freu dich, Gott liebt dich!" noch kein Argument darstellt (selbst wenn ich es immer wieder gerne höre).
Was die von Ihnen erwähnten Misch-Demonstrationen angeht: Da bin ich skeptisch. Als Individualist und gelegentlicher Querdenker könnte ich wahrscheinlich an keiner einzigen solchen Demonstration teilnehmen, aus der Befürchtung, für eine Meinung vereinnahmt zu werden, die nicht die meine ist.
Aber was solls. Ich spaziere ohnehin lieber alleine in den Bergen als mit tausenden in der Stadt.
Mit Ihnen aber, habe ich das Gefühl, könnte ich recht angeregt diskutieren. Sie beherrschen die Kunst, Argumente statt Slogans zu liefern. Sehr wohltuend!
Bruno Kaufmann am Permanenter Link
Lieber Herr Schönecker, das ist gern geschehen.
PS: Ich habe Sie in meinem Kommentar nicht als «überempfindlich» bezeichnet. Ich halte nur Menschen, die sich diffamiert fühlen, wenn Demonstrationszüge nicht «themenrein» sind, für etwas überempfindlich. Mein Rosamunde-Pilcher-Literaturhinweis möchte ich nicht als wertend verstanden wissen: Rosamunde Pilcher hat es geschafft das humane Bedürfnis nach etwas Romantik und Harmonie von vielen Menschen zu befriedigen. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Herzlich
Bruno Kaufmann
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Lieber Herr Kaufmann!
Danke für das nette Gespräch!
Besonderen Dank für den Rosamunde-Pilcher-Hinweis. Ich selbst tappe gelegentlich in die Falle, reine Unterhaltungslektüre (oder -musik) abwertend zu kommentieren. Sie haben natürlich recht: Rosamunde-Pilcher-Leser können höchst gebildete Menschen sein, die nebenbei ein Bedürfnis nach Romantik verspüren.
Mit besten Grüßen
Norbert Schönecker
Bruno Kaufmann am Permanenter Link
Ein herzliches Dankeschön an alle, die auf die Strasse gegangen sind.
Nicht begeistern kann ich mich für das in diesem Bericht verwendeten «[männliche Form]*innen»-Gewürg. Lasst uns nach einer ästhetischeren Lösung für die Inklusion aller Geschlechter suchen, die typografisch Unaufgeregter daherkommt und nicht den Lesefluss von 95% der Menschheit stört. Ich meine, dass sind Männer, Queers und Frauen der Menschheit schuldig – der Schriftkultur zu liebe.
Rene Goeckel am Permanenter Link
Meiner Meinung nach kann es kein Gesetz geben, das nur Frauen betrifft. Oder nur Schwule, wie damals der Paragraph 175. Oder ein strafbewehrtes Inzestverbot. All das ist nicht Sache des Staates.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Erstens: Der Abtreibungsparagraph betrifft Embryos beiderlei Geschlechts.
Zweitens: Wie ist das mit dem Mutterschutzgesetz? Abschaffen? Wohl besser nicht.
Es gibt nun mal wesentliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Und was sich unterscheidet, soll auch unterschiedlich behandelt werden, dort, wo das notwendig und sinnvoll ist.
Das Inzestverbot hatte zumindest in einer Zeit, als es noch keine wirksame Empfängnisverhütung gab, für den Staat durchaus Sinn. Rein gesundheitspolitisch gesehen.
Die Frage, ob Verbote, die nicht strafbewehrt sind, überhaupt einen Sinn oder eine Wirkung hätten, wäre eine eigene Diskussion wert.
Rene Goeckel am Permanenter Link
Ich dachte dabei an restriktive Gesetze. Also Verbote. Das versteht sich doch von selbst.
Dieter Egert am Permanenter Link
Richtig. Alle Menschen sind gleich wertvoll, von der Zeugung bis zum Alter. Menschenwürde kann nicht wachsen oder schrumpfen, sie ist unabhängig von allen Fähigkeiten oder Körpergröße.
Alle Menschen müssen alle durch die selben Gesetze geschützt werden, aus den selben Gründen, mit denselben Ausnahmen, mit derselben Konsequenz.
Andreas Wolff am Permanenter Link
Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung endet doch logischerweise dort, wo es um den Sex geht.