Kommentar

Dawkins, die Linke und die Islamkritik

Weil der Evolutionsbiologe und Religionskritiker Richard Dawkins den Islam mit deutlichen Worten kritisierte, sagte ein Radiosender in Kalifornien eine Veranstaltung mit ihm ab. Eine falsche Entscheidung, die eine problematische Entwicklung innerhalb der Linken aufzeigt, findet hpd-Redakteurin Daniela Wakonigg.

Amerikas Konservative lachen sich ins Fäustchen. Kurz nach der Ausladung von Dawkins durch den progressiven Radiosender KPFA erklärte die konservative politische Zeitschrift National Review:

"Nun ist es offiziell: Die Neuen Atheisten sind bei den Linken nicht mehr willkommen. Zerschmettert, verdammt und ausgeladen sind diese gottlosen und einst beliebten ‚öffentlichen Intellektuellen’ nun heimatlos und verschmäht von ihren einstigen progressiven Verbündeten."

In der Tat, nicht nur in Amerika, sondern auch hierzulande gibt es mittlerweile ein Zerwürfnis zwischen einflussreichen Kreisen im linken Spektrum und den Säkularen. Doch der Grund für dieses Zerwürfnis sind nicht die Säkularen, es sind jene Linken, die nicht mehr zu wissen scheinen, wo links eigentlich ist.

Der Kampf für Selbstbestimmung, für Frauen- und Menschenrechte, für Meinungs- und Pressefreiheit ebenso wie die Kritik am problematischen Einfluss von Religion und Religionsfunktionären auf die Gesellschaft – das alles war einmal links. Doch für einige Kreise innerhalb der Linken gilt dies offenbar nur noch eingeschränkt – insbesondere wenn die zu kritisierende Religion "Islam" heißt. In diesem Fall wird ein gefährlicher Kurzschlussmechanismus ausgelöst, der durch ein weiteres klassisches linkes Thema bewirkt wird, den Anti-Rassismus. "Wer den Islam kritisiert", so die Logik dieses intellektuellen Kurzschlusses, "der kritisiert in Wahrheit gar keine Religion, sondern diejenigen, die der Religion angehören. Und wer etwas gegen Muslime hat, der ist ein Rassist."

An genau diesem Mechanismus müssen sich anti-rassistische Religionskritiker, wie auch Dawkins einer ist, immer wieder abarbeiten. Ja, es gibt Rassisten, die den Islam verdammen und damit eigentlich muslimische Menschen meinen, weil diese aus anderen Ländern und Kulturen stammen. Doch nicht jeder, der den Islam kritisiert, vermischt Religionskritik mit Fremdenhass. Gerade Religionskritiker wie Dawkins haben immer wieder darauf hingewiesen, dass es ihnen um eine Kritik am Islam geht, nicht um eine Kritik an ‚den Muslimen’. Zumal letztere auch vollkommen unsinnig wäre, da die Gruppe der Muslime ebenso uneinheitlich ist wie die der Christen. Gibt es doch fundamentalistische und konservative Muslime ebenso wie liberale und religiös desinteressierte Muslime.

Der Islam selbst jedoch ist nach allen bislang geltenden linken Maßstäben höchst kritisierenswert. Nicht zuletzt, weil er nach konservativer – und damit weltweit vorherrschender – Auslegung nicht bloß ein persönliches Bekenntnis, sondern auch ein religiös geprägtes Staatssystem fordert. Wie dies in der Realität aussieht, ist bereits in mehreren islamischen Ländern der Erde zu beobachten. Dort herrscht nur eingeschränkte Meinungs- und Pressefreiheit, es gibt Folter und Todesstrafe und Frauen sind von einer Gleichberechtigung mit Männern weit entfernt. Unter dieser menschenrechtlich höchst bedenklichen Situation leiden zumeist die Menschen in diesen Ländern selbst – wie auch Dawkins und andere säkulare Islamkritiker immer wieder betonen.

Wer Kritik an diesen Zuständen und am Islam als treibende Kraft derselben als Islamophobie bezeichnet oder gar die Auffassung vertritt, Menschenrechte seien nur eine Erfindung des Westens, die man nicht als Maßstab an andere Kulturen anlegen dürfe, akzeptiert, dass Menschen, die versuchen, aus jenen Systemen auszubrechen oder sie zu reformieren, eingesperrt, gefoltert und hingerichtet werden. Wer das lediglich als kulturelle Eigenheit betrachtet, die es zu respektieren gilt, statt den Verfolgten die Hand zu reichen, handelt im höchsten Maße menschenverachtend.