Die Genderwissenschaften sind eine Weiterentwicklung der so genannten "Womens Studies" der 60er Jahre. "Wissenschaftliche Frauenforschung" gab es bereits viel früher. Allerdings aus einer rein männlichen Perspektive, denn für die Frauen blieben die Universitäten bis ins 20. Jahrhundert hinein verschlossen.
So war die männliche Frauenforschung oft vom Rollenverständnis des Mannes geprägt, und/ oder mit religiösen Dogmen durchsetzt. Auch historisch interessante Theorien zur Bildung der Geschlechter hielten sich im rein männlichen Wissenschaftsdiskurs lange. So postulierte ein Mediziner Anfang des 17. Jahrhunderts, durch eine höhere Körpertemperatur würden sich die männlichen Genitalien beim Mann nach außen stülpen, während sie bei der minderwertigeren, kühleren Frau im Inneren blieben. Dort wären sie anfällig für allerlei Krankheiten, vermutlich wegen ihrer Nähe zum Darm. Die Theorie hielt sich ein Jahrhundert, was gar nicht einmal so überraschend ist. Immerhin gab es keinerlei Leidensdruck männlicher Wissenschaftler, das defizitäre Frauenbild selbst zu korrigieren.
Geschichte der Genderwissenschaften
In den 60er Jahren, – die Frauen der westlichen Welt durften seit wenigen Jahrzehnten studieren, aber noch nicht überall ein eigenes Bankkonto ohne die Erlaubnis des Ehemannes führen, – änderte sich das. Die Frauenforschung sollte aus einer neuen Perspektive, einer feministischen Blickrichtung, neu angegangen werden. Sie beabsichtigte, die Lebenswelt von Frauen, ihre Erfahrungen und ihre Lebensverhältnisse zu analysieren. Dabei war sie von Anfang an interdisziplinär ausgelegt. Das bedeutet, sie war sowohl in der Soziologie, als auch in der Anthropologie, der Geschichte und den Kulturwissenschaften beheimatet.
Aus dieser Entwicklung heraus entstanden die Männerforschung sowie die Geschlechterforschung, die beide Bereiche vereint. Wissenschaftliche Untersuchungen der letzten Jahrzehnte brachten allerdings Schritt für Schritt die Erkenntnis, dass wir im biologischen Sinne keine reine Binarität bei den Geschlechtern haben. Was die Disziplinen "Frauenforschung" und "Männerforschung" noch nahelegten – zwei voneinander klar abgrenzbare Geschlechter – ist biologisch unvollständig. Vielmehr gibt es Mischgeschlechter, die wir als "intersexuell" bezeichnen, sowie Menschen, deren biologisches Geschlecht nicht mit ihrem gefühlten Geschlecht übereinstimmt. Diese nennen wir "transgender". Beide Phänomene kommen in größerer Zahl vor als wir noch vor wenigen Jahren dachten.
Feminismus – oftmals falsch verstanden als Bewegung, die die Ablösung des Patriarchats zugunsten eines Matriarchats plant – ist eine Perspektive, die von der Gleichwertigkeit aller Menschen ausgeht. Eine strukturelle Benachteiligung ebenfalls diskriminierter Gruppen der Gesellschaft wie Inter- und Transsexuelle, gleichgeschlechtlich Liebende, Queere, aber auch People of Color (die fürchterlich abgekürzten "PoC") ist mit dem Grundgedanken des Feminismus unvereinbar. So ging die Frauenforschung über in die Genderstudies, die von der historischen Perspektive der Geschlechterforschung abrückten und sich, ebenfalls interdisziplinär, vor allem um die sogenannte Konstruktion des sozialen Geschlechts ("Gender") kümmerten. Eines der wissenschaftlichen Ziele der Genderstudies ist, herauszufinden, welche biologischen Komponenten von "Geschlecht" tatsächlich existieren, und welche Faktoren von "Geschlecht" sozial konstruiert werden, sprich: Tradition, Rollenverständnis und Zuschreibung von außen sind.
Es geht bei Genderstudies also um die fachübergreifende Analyse von Geschlechterrollen in unserer Gesellschaft. Durch Erkenntnisse, Forschung und Aufklärung soll dabei der Diskriminierung bestimmter gesellschaftlicher Randgruppen entgegen gewirkt werden.
Kritik an den Genderstudies
Seit einigen Jahren geht das Interesse an der Genderforschung, die sich nun immer mehr als Unterbereich einzelner Disziplinen wie der Kulturwissenschaften festigt, zurück. Ein Grund dafür ist die stärkere Ausdifferenzierung der Fächer – die interdisziplinäre Richtung war immer schon in vielen Fachrichtungen beheimatet und wird nun als Teil der Germanistik, der Kulturanthropologie, der Ethnologie, der Biologie und vielen anderen weitergeführt. Ein weiterer Grund könnte in der Kritik durch die Öffentlichkeit liegen. Mit ihrem stärkeren Fokus auf die Diskriminierung unter anderem von Homosexuellen wurde GenderwissenschaftlerInnen eine "Schwulisierung der Gesellschaft" vorgeworfen. Präsent ist in diesem Zusammenhang vielleicht noch die Diskussion um den neuen baden-württembergischen Lehrplan, der "sexuelle Vielfalt" als eines der neuen Themen im Bildungsplan verankern wollte. Und gegen den tausende besorgter Eltern mit peinlicher Unterstützung der Landeskirchen protestierten. Als wäre Homosexualität eine Idee, die Kinder gerne einmal nachmachen würden, sobald sie davon hörten. Für diese und andere Öffnungen in eine stärkere Diversität machten viele den wissenschaftlichen Diskurs der Genderstudies verantwortlich. Trans- und Homosexualität, die Konstruktion von Geschlechtern und der feministische Grundgedanke, so die Kritik, verwirrten Kinder und Jugendliche.
Eine weitere Kritik an der Disziplin ist die "Verunstaltung der deutschen Sprache". Denn auch der Ansatz, die Handlungsmacht der Sprache zu nutzen, um Randgruppen nicht im sprachlichen Ausdruck zusätzlich zu diskriminieren, hat einen seiner Ursprünge in den Genderwissenschaften. Und zwar im Verbund mit der Linguistik, die die Grundannahmen der Geschlechterforschung in verschiedenen empirischen Studien immer wieder bestätigt. Was heute als "politisch korrekt" oder als inklusive Sprache bekannt ist, geht auf die Idee eines solchen "gleichwertigen" Sprachgebrauchs zurück. Verwende ich den Genderstern in Facebook-Diskussionen, lese ich oft: "Schau, da kommt schon wieder so eine Gendertröte!" Tatsächlich kommen Vorschläge wie der Genderstern aber aus der feministischen Linguistik, einem Teilbereich der Sprachwissenschaft. Die Genderstudies, könnte man sagen, lieferten den Handlungsimpuls, die Sprachwissenschaften das wissenschaftliche Fundament und den konkreten Vorschlag. Kritik an den Umsetzungen und allgemeines "Genervt-Sein" trifft dann aber die Disziplin der Genderstudies.
Auch ein Mangel an Forschungsergebnissen wird den Genderstudies häufig vorgeworfen. Tatsächlich ist es schwer, bahnbrechende, rein aus der Geschlechterforschung stammende, wissenschaftliche Veröffentlichungen auszumachen. Durch die interdisziplinäre Anlage des Faches bewegen sich die Genderstudies immer an den Schnittmengen. Aus den Literaturwissenschaften sind mir großartige Untersuchungen zu historischem Frauenbild, Frauenrollen und Frauenforschung des 17. und 18. Jahrhunderts bekannt. Nicht zuletzt die Aufarbeitung der oben erwähnten medizinischen Theorie im Werk Shakespeares, oder die Bände von Elisabeth Bronfen zu Hysterie und weiblichem Tod in der Literatur. Auch die Politik- und die Kulturwissenschaften, die Soziologie, die Psychologie, die Ethnologie und viele andere profitierten und profitieren von dem Perspektivenwechsel, den die Geschlechterforschung seit den 60er Jahren mit sich brachte. Handfeste gesellschaftliche Erfolge der Genderwissenschaften sind heute die Gleichstellungsbeauftragten, die immer stärkere Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen, die bessere Aufklärung über Transsexualität oder auch die Medienbeauftragten, die sich für ein positives, nicht-stigmatisiertes und nicht-klischeehaftes Bild verschiedener Randgruppen in den Medien einsetzen. Die Genderstudies wirken in die anderen Disziplinen und die Gesellschaft hinein.
Ein kleines Fazit
Ob ein eigenständiger Genderstudiengang heute noch sinnvoll ist, oder ob die Disziplin besser in den jeweiligen Rändern anderer Fächer beheimatet wäre, weil sie ohnehin nicht losgelöst existieren kann, lässt sich kaum abschließend beantworten. Die Berechtigung dieser Disziplin schöpft sich wie bei allen wissenschaftlichen Forschungsrichtungen aus dem Vorhandensein einer bestimmten Tatsache. Gibt es das Element Wasser, dann ist es legitim und gegeben, sich diesem Element mit wissenschaftlichen Methoden zu nähern. Gibt es strukturelle Benachteiligung, dann ist das Legitimation genug, diese Benachteiligung in allen Bereichen zu analysieren und darüber zu informieren. Zwei der drei als "Postulat" bezeichneten Grundannahmen der Genderstudies können bei der Beurteilung ihrer Sinnhaftigkeit helfen:
Das Postulat der Problematik gegenwärtiger Geschlechterverhältnisse
Ist man grundsätzlich davon überzeugt, dass die Geschlechterrollen in unserer Gesellschaft strukturelle Ungleichheiten, Diskriminierung, Unterdrückung und Leid verursachen (können), so ist die Absicht hinter den Genderwissenschaften einleuchtend. Sie begreifen tradierte Rollenmuster als etwas, das im schlimmsten Fall alle Geschlechter unfrei macht. Ein Beispiel: 2014 wollte sich in Texas ein Junge das Leben nehmen, weil LehrerInnen und Eltern ihm verboten, mit einem Spielzeug von "My Little Ponies" zu spielen. Er war deswegen in der Schule gehänselt worden. Heute ist der Junge querschnittsgelähmt.
Oft gilt diese Annahme über die Problematik als unstrittig, weil sie hinreichend belegt werden kann. Aktuell zum Beispiel haben wir ca. 24% Frauen in Führungspositionen, während es im mittleren Management knapp doppelt so viele sind. Studien zeigen aber immer wieder, dass dieses Verhältnis nicht an der fachlichen Kompetenz oder der Kollegialität von Frauen liegt. Und, dass das ideale und produktivste Verhältnis in Arbeitssituationen ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis ist.
Das Postulat, dass die gegenwärtigen Geschlechterverhältnisse weder "naturgegeben noch … unveränderlich" sind
Diese Annahme ist die strittigere von beiden. Die Genderstudies gehen generell davon aus, dass es keine zwingende Kausalbeziehung zwischen dem biologischem Geschlecht und der Rolle in der Gesellschaft gibt. Jungs können nicht alle besser Mathe, Mädchen sind nicht per se besser in Sprachen. Transgeschlechtliche Menschen weisen durch ihre bloße Existenz darauf hin, dass die biologische Komponente lange nicht so eindeutig ist wie sie sich in den Köpfen der Menschen bis heute darstellt. Dass meine Tochter die Farbe Pink liebt, sich bereits mit 12 schminken möchte und das ist, was die Gesellschaft als „ein echtes Mädchen“ bezeichnet, ist laut den Genderstudies keineswegs angeboren, sondern in erster Linie sozial konstruiert und durch das erweiterte Umfeld bestimmt. Ein Von-sich-Weisen einer solchen Konstruktion ist eine normale Reaktion. Die Geschlechterforschung fordert uns nicht auf einer abstrakten Ebene heraus, sondern sie zwingt uns, auch uns selbst, unsere eigene Sozialisation und unsere Handlungsmuster zu hinterfragen. Zum Beispiel im Hinblick darauf, ob wir sie ungewollt an unsere Kinder weitergeben. Ihre Implikationen sind also nicht nur politisch, sie sind auch noch höchst privat. Das ist im besten Fall unbequem, und führt häufig zu Ablehnung.
Fragen wir uns, ob wir die Genderstudies eigentlich brauchen, ist das auch eine Frage nach der Gesellschaft, die wir uns vorstellen. Ich denke, dass uns unsere Annahmen zu unserem Geschlecht, zu Weiblichkeit und Männlichkeit, und unser Wegleugnen des "Dazwischen", alle bis zu einem gewissen Grad beschränken oder sogar unterdrücken. Der Familienvater, der am liebsten drei Jahre zuhause bleiben und sein Kind versorgen möchte, stößt auch heute noch auf das gleiche Unverständnis wie seine Ehefrau, die kurz nach der Geburt wieder im Konferenzraum ihrer Firma steht. Der Jugendliche, der sich nicht sicher ist, ob er andere Männer liebt oder vielleicht den "falschen" biologischen Körper hat, erfährt auch heute noch eine Ausgrenzung, die die Suizidraten in dieser Gruppe stark in die Höhe treibt. "Schwul" ist immer noch ein beliebtes Schimpfwort auf dem Pausenhof, und das Mädchen, das sich den Dinosaurier-Schulranzen zur Einschulung gewünscht hat, wird in den ersten Wochen für ihren "Jungs-Schulranzen" ausgelacht. Der einzige Unterschied bei diesen Beispielen ist die gesellschaftliche Macht, die die einzelnen Gruppen haben. Erkennt man die eben genannten Beispiele als Probleme einer Gesellschaft an, sind Genderstudies für uns auch heute noch wichtig. Nicht nur für uns Frauen. Sondern für alle Menschen.
21 Kommentare
Kommentare
WOLF STEINBERGER am Permanenter Link
Ein sehr gut und klar geschriebener Artikel, den ich gern schon vor Jahren gelesen hätte, als ich mühsam versuchte herauszufinden, was Gender-Studien eigentlich sind.
Vielen Dank!
Tina am Permanenter Link
"Wissenschaftliche Untersuchungen der letzten Jahrzehnte brachten allerdings Schritt für Schritt die Erkenntnis, dass wir im biologischen Sinne keine reine Binarität bei den Geschlechtern haben."
Achja? Wo sind denn diese "wissenschaftlichen Untersuchungen?
Nur weil es Menschen gibt, die nicht eindeutig männlich oder weiblich sind, heißt das nicht, dass wir keine geschlechtlich binäre Spezies sind. Die Anzahl von Menschen, die intersexuell sind, ist sehr sehr gering. Es gibt ja auch Menschen die mit anderen Problemen/Krankheiten zur Welt kommen. Aber das ändert ja auch nicht unsere Definition von Mensch.
Und Transgender...
"gefühltes Geschlecht" - was soll denn das heißen? Es gibt auch Menschen, die meinen sie wären eigentlich Katzen und wären im falschen Körper geboren. Warum gibt man Menschen mit solchen psychischen Problemen so eine Deutungshoheit über den Rest der Menschheit??
hj_allemann am Permanenter Link
"Dass meine Tochter die Farbe Pink liebt, sich bereits mit 12 schminken möchte und das ist, was die Gesellschaft als „ein echtes Mädchen“ bezeichnet, ist laut den Genderstudies keineswegs angeboren, sondern in er
Dieses Beispiel ist sehr ambivalent, weil es so in DIESER Form stimmt. Bei einem bestimmten südostasiatischen Stamm ist es typisch weiblich, sich, statt zu schminken, den Hals mit Ringen zu verlängern. Das ist genau so sicher sozial konstruiert. Aber was soll uns damit untergeschoben werden? Daß alle männlichen und weiblichen Verhaltensweisen nur sozial konstruiert sind? Sind sie definitv nicht. In ihrer Mehrheit sind männliche und weibliche Verhaltensweisen genetisch unterschiedlich. In ihrer Mehrheit bedeutet eben auch, daß es Ausnahmen, Variationen etc. gibt. Genauso wie es offensichtlich nicht nur 2 Geschlechter gibt.
Für mich besteht das Problem der Genderstudies, so wie sie heute auftreten, darin, daß sie völlig verrückt geworden sind. Es wird darum gestritten, ob im Krankenhaus SchwesterInnen, Schwester*, SchwesterX und was weiß ich rumläuft. Ich denke die Krankenpfleger (das schließt alle Geschlechter ein) sollten vielleicht lieber für einen vernünftigen Lohn kämpfen. Den Lohn im sozialen Bereich kräftig erhöhen, schließt auch den sogenannten Gender Gap kräftig (und versorgt die Kranken, Kinder, Alten etc. besser).
Der Kampf um das Innen-Sternchen soll die Pflegekräfte doch nur davon ablenken. Und was hat die Schwester davon, daß eine Frau statt eines Mannes im Management des privat geführten Krankenhauses sitzt und sich viel Geld dafür ein steckt, daß sie ihre Entlassung nach einer (selbstverständlich streng wissenschaftlichen Studie) veranlaßt?
Thomas Gießl am Permanenter Link
"Aber was soll uns damit untergeschoben werden? Daß alle männlichen und weiblichen Verhaltensweisen nur sozial konstruiert sind?"
Ich bin kein Experte auf dem Gebiet, aber ich glaube nicht, dass uns das untergeschoben werden soll. Der Frage ist ja, wie sich bestimmte beobachtbare Unterschiede zwischen den Geschlechtern ausprägen.
Ist z.B. die unterwürfig-brave Mädchen- und Frauenrolle (keine Widerworte geben, oft lächeln, nett zu allen - insbesondere Männern - sein, sich darüber freuen, wenn man für ihre makellose Erscheinung gelobt wird, etc.) ein Phänomen, das im Wesentlichen biologisch oder sozial determiniert wird? Angesichts des Umstands, dass Kinder sehr begiering darin sind, Erwachsenen und anderen Kindern zu gefallen, erscheint es mir nicht unplausibel, dass das soziale Umfeld was diese Ausprägungen angeht, eine sehr bestimmende Rolle spielt.
Den Einfluss der Biologie dürfte man vor allem dann erkennen, wenn Personen dazu neigen, aus dem festeren Rollenkorsett auszubrechen, erkennbar z.B. an den Jungen, die gerne Lippenstift und Kleider tragen oder den Frauen, die sich einen Platz in Männerhobbydomänen erkämpft haben. Wir dürfen nämlich davon ausgehen, dass solche Individuen nicht unbedingt von ihrem Umfeld in ihren Neigungen und Interessen bestärkt wurden, sondern sich im Gegensatz ihren Platz an der Sonne gegen deutliche Widerstände erkämpfen mussten.
Die messbar höhere Suizidneigung unter heranwachsenden Homosexuellen kommt in der Regel ja auch nicht davon, dass Homosexualität und Depressionsneigung genetisch determiniert sind. Letzteres folgt ersterem auf dem Fuße, falls die Umstände (un)günstig genug sind...
"Für mich besteht das Problem der Genderstudies, so wie sie heute auftreten, darin, daß sie völlig verrückt geworden sind. Es wird darum gestritten, ob im Krankenhaus SchwesterInnen, Schwester*, SchwesterX und was weiß ich rumläuft. Ich denke die Krankenpfleger (das schließt alle Geschlechter ein) sollten vielleicht lieber für einen vernünftigen Lohn kämpfen. Den Lohn im sozialen Bereich kräftig erhöhen, schließt auch den sogenannten Gender Gap kräftig (und versorgt die Kranken, Kinder, Alten etc. besser)."
Sie kreieren hier einen irrelevanten Gegensatz, wahrscheinlich um vom Thema abzulenken. Hier liegt kein kontradiktorischer Gegensatz vor. Sie können eine geschlechtergerechte Sprache durchsetzen und zur gleichen Zeit außerdem für eine gerechtere Bezahlung (oder sogar für eine gerechtere Gesellschaft im Allgemeinen) kämpfen. Das schließt sich nicht gegenseitig aus.
Als Mann kann man leicht sagen, dass Maskulina alles abdecken, aber selbst ich erinnere mich noch daran, wie in der Grundschule nachgefragt wurde, wieso denn Männer und Frauen da unter Männern subsumiert wurden. Wenn der Kopf noch nicht zugekleistert ist, erkennt man das durchaus als Problem bzw. Ungerechtigkeit. Ich bin jetzt keine Frau, aber es ist durchaus recht einfach nachvollziehen, dass eine Welt die sogar sprachlich als 'Männerwelt' gestaltet und erfasst wird, es jungen Frauen nicht gerade einfach macht, sie als in dieser Welt gewollt, willkommen, akzeptiert, etc. zu fühlen.
Als Männer ist die Vorstellung für uns eher absurd, dass man 'Krankenschwester', 'Putzfrau' oder 'Hebamme' sein könnte - oder sich einfach unter solche Bezeichnungen subsumieren lässt, ohne darauf zu bestehen, dass es auch eine angemessene männliche Berufsbezeichnung gibt. Wieso erwarten wir also von der Hälfte der Weltbevölkerung, dass sie sich willig unter so ein Diktat beugt? Weil das 'immer schon so war'? Das ist kein Argument.
hj_allemann am Permanenter Link
Ihr gutes Recht, meinen Verdacht nicht zu teilen, daß uns mit dem Beispiel des schminkendes Mädchens (z.B.
Aber warum kommen Sie dann mit dem Beispiel: "Der Einfluss der Biologie dürfte man vor alem dann erkennen, wenn Personen dazu neigen, aus dem festen Rollenkorsett auszubrechen..." Ich habe doch gar nicht bezweifelt oder bestritten, daß es gesellschaftliche Determinanten für die Rollen gibt. Ich bin nur gegen die einseitige Betonung der sozialen Determinanz. Die genaue Verteilung wird sicher noch lange Untersuchungsgegenstand sein, denke aber, daß die auch individuell bestimmt ist. Auf die Rolle der Biologie habe ich auch bei Ihnen keinen Hinweis gefunden.
Sie werfen mir vor, ich wolle vom Thema ablenken. Beinahe richtig. Ja, ich möchte ZURÜCKlenken. Natürlich präge ich mit Sprache Gedanken und spontan: Sich einen Mann als Krankenschwester vorzustellen, ist wirklich eher schräg, wobei ich traditionell überhaupt kein Problem darin sehe, mir den Bundeskanzler als Frau vorzustellen, denn sie bekleidet das Amt.
Aber die Frage bleibt, wo fangen wir bei sprachlichen Rollenprägungen an? Wo kämpfen die Genderisten an vorderster Front? Für die korrekte Verwendung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber? Kolletaralschaden im Krieg? Friedensmissionen in Afghanistan? Da habe ich eine eindeutige Antwort: Prof. Dr. gender MüllerX*Innen steht bei mir sogar noch extrem weit hinter "ferner liefen"
Ich bin beruflich auch in Ländern der dritten Welt unterwegs gewesen. Schreckliches Elend und Diktatur habe ich mit eigenen Augen gesehen/erlebt. Und da schreiben Sie: "Wieso erwarten wir also von der Hälfte der Weltbevölkerung, dass sie sich willig unter so ein Diktat beugt?" Diktat? Wissen Sie, was Diktat ist? Spricht die WELTbevölkerung Deutsch? Schon mal im Slum von, sagen wir, Mogadischu gewesen? Ich war auch da schon, und ich habe gar keine Ahnung, was für Sprachen die verwenden und ob die gendergerecht sind. Beim Beschuß mit Granaten fragen die sich sicher: "Waren das jetzt Kanoniere oder KanonierInnen?" Auf der Suche nach Essbarem finden die dann sicher die Muße für eine Antwort.
Stefan Wagner am Permanenter Link
"Wenn der Kopf noch nicht zugekleistert ist, erkennt man das durchaus als Problem bzw. Ungerechtigkeit."
Eine unbelegte Behauptung. Ich habe mich mein Lebtag nicht gefragt, wie ich als Mann und das weibliche Person subsummiert sein kann. "Die Katze" ist mir, als das Hirn noch nicht zugekleistert war, mal aufgefallen. Eine plausible Erklärung bekam ich nicht geliefert und liefern eben auch die Propagandisten der angeblich geschlechtergerechten Sprache nicht, und zwar, weil es ein giftiges Indiz für ihre Theorie ist.
Oder die Koryphäe, die Fachkraft, das Mitglied. Fühlen Sie sich da immer ausgeschlossen und unsichtbar gemacht? Eben.
Zugekleistert wird das Hirn nur von diesem Sprachirrsinn. Als ad-hoc-These war die Idee ja nicht schlecht, aber in 35 Jahren hätte man Zeit genug gehabt, der Sache, auch historisch, auf den Grund zu gehen.
Die Thesen der Initiativen für gerechte Sprache sind falsch. Deswegen lässt sich mit Sprachreform die Welt auch nicht verbessern. Deswegen sollte man da auch keine Energie rein vergeuden, zumal die Neuschöpfungen hässlich sind.
Dass man sich nicht von "Krankenschwester" angesprochen fühlt, wenn man nicht weiblich ist - Schwestern sind die Frauen übrigens i.d.R. auch nicht - könnte einfach damit zu tun haben, dass man das Wort für Männer nicht gewohnt ist, während "Frau Direktor", "Frau Professor" inzwischen sicher viele gewohnt sind.
Wir können aber auch versuchen Monstren wie "Zu-Fuß-Gehenden-Ampel" zum neuen Standard zu machen.
struppi am Permanenter Link
"Die Genderstudies gehen generell davon aus, dass es keine zwingende Kausalbeziehung zwischen dem biologischem Geschlecht und der Rolle in der Gesellschaft gibt."
... und dafür gibt es keine haltbaren Wissenschaftliche Quellen. Bzw zeigen zahlreiche Studien aus den Bereichen Psychologie, Verhaltesforschung, Biologie und Soziologie das es genau so ist. Es gibt einen kausalen zusammenhang zwischen dem Biologischen Geschlecht und dem Verhalten. "Die Rolle" ist wiederrum ist ein soziales Konstrukt. Das Geschlecht mit Sicherheit nicht, auf keiner Ebene.
Wer das glaubt ist Unwissenschaftlich.
libertador am Permanenter Link
Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass der zitierte Satz nicht Ihren Ausführungen widerspricht.
widerspricht nicht
"Es gibt einen kausalen zusammenhang[sic!] zwischen dem Biologischen[sic!] Geschlecht und dem Verhalten."
Ihren letzten beiden Sätze wiederum fehlt die Begründung.
struppi am Permanenter Link
Die Begründung fehlt weil es genug Studien gibt, die genau diese Aussage belegt. Sie lassen sich einfach finden. Und das die Rolle ein Konstrukt ist, muss ich doch nicht begründen. Das sagt schon der Begriff aus.
Ihnen ist nicht aufgefallen das der Satz in sich unbegründet (was eines der grossen Probleme der "Genderstudies" ist, die Thesen sind nicht belegt). Es gibt zum biologischen Geschlecht kausale zusammenhänge, für das Verhalten eines Menschen. Aber die Rolle ist natürlich ein Konstrukt.
Die Thesen von Genderstudies behauptet es wäre genau umgekehrt. Das Geschlecht konstruiert und die Rollen in der Gesellschaft beliebig wählbar. Was so nicht stimmt.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Element Wasser" verstehe ich nicht.
Soll das ein Beispiel für eine bestimmte Tatsache sein?
Norbert Schönecker am Permanenter Link
1)
"Jungs können nicht alle besser Mathe"
Das wird wohl auch niemand behaupten.
Das sagt aber noch nichts darüber aus, ob Jungs IM DURCHSCHNITT besser Mathe können.
Dasselbe gilt für sprachliche und soziale Kompetenzen.
2)
"die "Verunstaltung der deutschen Sprache""
Dazu ein Beispielsatz, genial kreiert vonRobert Chlada, publiziert in der Zeitung "Die weiße Rose" (nicht die der heldenhaften Geschwister Scholl, sondern eine gleichnamige):
"Jeder Bauernbündler sollte die Interessen seiner Standesgenossen vertreten".
Dieser Satz gegendert wird zu:
"Jeder Bäuerinnen- und Bauernbündler und jede Bäuerinnen- und Bauernbündlerin sollte die Intersessen seiner bzw. ihrer Standesgenossinnen und Standesgenossen vertreten."
Das ist freilich etwas langatmig.
Kürzer geht es mit den Binnen-Großbuchstaben:
JedeR BÄAuerInnenbündlerIn sollte die Interessen SeinIhrer StandesgenossInnen vertreten.
Schwer lesbar. Und außerdem geradezu atemberaubend hässlich.
3)
Zum Wert der Genderstudies aus evolutionsbiologischer Sicht könnte ein Blick zur deutschsprachigen Homepage der Richard Dawkins Foundation ganz interessante Diskussionen oder auch Konflikte anregen.
4)
Es gibt kleine Mädchen, die gerne mit Autos spielen. Und kleine Buben, die gerne mit Puppen spielen. Ich habe rein gar nichts dagegen (und habe meinen Nichten gerne Spielzeugautos geschenkt).
Aber viele sensible, moderne Kindergartenpädagoginnen sowie Eltern haben mir bestätigt: auch Kinder, die möglichst unbeeinflusst aufwachsen, folgen tendeziell eher dem Klischee. Anscheinend ist es auf irgendeine Art natürlich.
5)
"Aktuell zum Beispiel haben wir ca. 24% Frauen in Führungspositionen"
Das ist allerdings schade.
In meiner Katholischen Kirche schaut es da sehr schlecht aus.
In der Giordano-Bruno-Stiftung ein klein wenig besser (In Vorstand+Kuratorium beträgt der Frauenanteil 11%, bei den Mitarbeitern und Stipendiaten sind es 40%).
Meine unbewiesene These lautet: Männer betätigen sich lieber ideologisch als Frauen. Letztere arbeiten lieber konkret, anstatt zu ideologisieren.
Thomas Gießl am Permanenter Link
"Das wird wohl auch niemand behaupten.
Das sagt aber noch nichts darüber aus, ob Jungs IM DURCHSCHNITT besser Mathe können.
Dasselbe gilt für sprachliche und soziale Kompetenzen."
Daraus allerdings irgendwelche normativen Schlüsse zu ziehen (z.B. zur Rollenverteilung von Mann und Frau) wäre jedoch ein naturalistischer Fehlschluss.
Gleichfalls folgt aus 'Denkbarkeit' nicht, dass es sich auch tatsächlich so verhält. Schlagen Sie doch mal vor, wie eine adäquate Studie aussehen könnte, die wirklich feststellt, zu welchem Grad Lernerfolge sozial oder genetisch determiniert werden? Viel Spaß dabei. Schon die Frage, ob der real-existierende Mathematikunterricht eine adäquate Form des Mathematikunterrichts darstellt, könnte Sie vor interessante Problem stellen. Nicht zu vergessen der Umstand, dass Kinder auch sehr gerne Erwartungen erfüllen. Wenn also Eltern, Lehrer, etc. Kindern sagen, dass sie im einen Fach besser und im anderen schlechter 'sein müssen', dann schlagen sich derartige Erwartungen durchaus nieder.
"Schwer lesbar. Und außerdem geradezu atemberaubend hässlich."
Ihre persönlichen ästhetischen Empfindungen sind nicht wirklich relevant, tut mir leid.
"Aber viele sensible, moderne Kindergartenpädagoginnen sowie Eltern haben mir bestätigt: auch Kinder, die möglichst unbeeinflusst aufwachsen, folgen tendeziell eher dem Klischee. Anscheinend ist es auf irgendeine Art natürlich."
Wenn Sie uns das jetzt auch noch mit einschlägigen Studien belegen würden, wären wir alle sehr glücklich. Aber ... Moment, Sie haben ja schon bestätigt, dass Sie hier nur Anekdoten mit uns teilen.
"Wissen Sie was, der Vetter meiner Großmutter hatte einmal eine Nachbarin, deren Ex-Mann ihr eine sehr interessante Geschichte erzählt hat..."
malte am Permanenter Link
Aus der Denkbarkeit einer sozialen Determination folgt aber ebenso wenig, dass es sich so verhält.
Sie weisen zu Recht auf den naturalistischen Fehlschluss hin. Damit haben wir es z.B. bei Ulrich Kutschera zu tun. Allerdings ist es in anderen Fällen häufig so, dass der naturalistische Fehlschluss lediglich unterstellt wird, sobald in Fragen des menschlichen Verhaltens irgendwie auf die Biologie verwiesen wird. Diese in sozialwissenschaftlichen Kreisen verbreitete "Biophobie" hat natürlich einen Hintergrund: Historisch gesehen wurde die Biologie häufig dazu herangezogen, Ungleichheit und Unterdrückung zu rechtfertigen. Dementsprechend groß sind die Berührungsängste gegenüber dieser Wissenschaft. Man muss aber bedenken, dass auch die Biologie sich weiterentwickelt hat und seriöse Biologen sich der Problematik des naturalistischen Fehlschlusses mittlerweile durchaus bewusst sind. Biologie ist nicht zwangsläufig immer Biologismus. Ich würde mir von Sozial- und Kulturwissenschaftlern wünschen, dass hier mehr differenziert wird.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
"Daraus allerdings irgendwelche normativen Schlüsse zu ziehen (z.B. zur Rollenverteilung von Mann und Frau) wäre jedoch ein naturalistischer Fehlschluss."
Das stimmt sicher. Ich kenne einige sehr gute Mathematiklehrerinnen. Es wäre schade, wenn es sie nicht gäbe.
Die einfachste Lösung der Problematik der Berufsklischees wäre: Möglichst gar nicht darüber zu reden. Wenn Kinder aufwachsen, ohne die Klischees "Männer reparieren Autos, Frauen schneiden Haare" zu hören, dann sollte sich das Klischee ganz von alleine auflösen.
Mir scheint, dass derzeit Feministinnen mehr über diese Klischees reden (und sie dadurch am leben erhalten) als alle anderen.
Mir fällt auch auf, dass für über 90% aller Kinder Frauen die ersten Mathematik- und Werklehrerinnen sind (nämlich in der Volksschule). Die Erfahrung "Frauen können gut mit Werkzeug und Zahlen umgehen" ist also bei Kindern da.
Trotzdem spielen in Schulen in der Freizeit mehr Buben Fußball und mehr Mädchen Rollenspiele. Und nein, das ist keine Anekdote. Genauso, wie es keine Anekdote ist, dass mehr Mädchen eine Friseurlehre und mehr Burschen eine KFZ-Mechaniker-Lehre anfangen.
Letzteres betrachte ich auch gar nicht als Problem. Das Problem besteht eher darin, dass klassische Männerberufe völlig grundlos besser bezahlt werden. Wenn aber die Mehrheit der Frauen lieber soziale Berufe ausübt und die Mehrheit der Männer eher technische - Warum nicht? Sollen sie doch. Eine gute Mechanikerin soll natürlich ihren Job auch ausüben dürfen, ohne belächelt zu werden. Und idealerweise ohne den Verdacht, dass sie nur wegen einer Quote den Ausbildungsplatz erhalten hätte.
Dass Männer und Frauen unterschiedlich sind, ist doch schön. Andernfalls wäre das Leben viel langweiliger.
Nebenbemerkung: Schönheit der Sprache und Schrift ist keine rein persönliche Angelegenheit. Und Lesbarkeit schon gar nicht.
Stefan Wagner am Permanenter Link
Wann hat denn zum letzten Mal jemand geglaubt, alle Jungs seien besser in Mathe als Mädchen? Das ist doch ein Strohmannargument.
<blockquote>(...) was die Gesellschaft als „ein echtes Mädchen“ bezeichnet, ist laut den Genderstudies keineswegs angeboren, sondern in erster Linie sozial konstruiert und durch das erweiterte Umfeld bestimmt. </blockquote>
Ausgerechnet die Homosexuellen und Transmenschen sind aber ein sehr starkes Argument dagegen, dass Geschlechtsrollen in erster Linie sozial konstruiert sind, denn die wachsen ja in der gleichen Gesellschaft auf und halten gegen den Widerstand der Gesellschaft und die Bemühungen der Eltern sowie gegen den Spott der Altersgenossen an ihrer Identität fest.
<blockquote>Wissenschaftliche Untersuchungen der letzten Jahrzehnte brachten allerdings Schritt für Schritt die Erkenntnis, dass wir im biologischen Sinne keine reine Binarität bei den Geschlechtern haben.</blockquote>
Ah, ja - welche Untersuchungen wären das? Menschen, deren Chromosenpaar nicht einfach XX oder XY ist gibt es, das ist richtig, aber die sind nicht sexuell fortpflanzungsfähig, und Homosexuelle sind es, solange sie ihren sexuellen Präferenzen treu bleiben, auch nicht.
<blockquote>So postulierte ein Mediziner Anfang des 17. Jahrhunderts, durch eine höhere Körpertemperatur würden sich die männlichen Genitalien beim Mann nach außen stülpen, während sie bei der minderwertigeren, kühleren Frau im Inneren blieben. </blockquote>
Wow, Anfang des 17. Jhr? Welche Ansichten der Medizin vom Anfang des 17. Jahrhunderts sind denn heute noch relevant?
<blockquote>Eines der wissenschaftlichen Ziele der Genderstudies ist, herauszufinden, welche biologischen Komponenten von "Geschlecht" tatsächlich existieren, und welche Faktoren von "Geschlecht" sozial konstruiert werden, sprich: Tradition, Rollenverständnis und Zuschreibung von außen sind.</blockquote>
Ich kenne Genderstudies nur so, dass sämtliche Rückgriffe auf die Biologie als biologistisch denunziert werden. Mir ist keine Arbeit bekannt, die zu dem Schluss käme, dass irgendwo nicht die soziale Konstruktion von Geschlecht hinter dem untersuchten Phänomen stünde. Darin ist die Genderwissenschaft der Theologie zu vergleichen - man weiss immer vorher schon, wie das Ergebnis ausfallen wird.
Der Artikel ist eine unkritische Werbung für Genderwissenschaft, statt sich kritisch mit der Materie auseinanderzusetzen. Solange man die Kritik an dieser den Rechten überlässt, kann man die Kritiker auch leicht als Rechte verunglimpfen.
Da man aber währenddessen die eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt spielt man so den Rechten langfristig in die Hände, um kurzfristig leichter Verbündete zu finden.
Und die Medien spielen dieses Spiel gerne mit, indem sie mit Vorliebe extreme Krawallbrüder einladen, die die Kritik mit ihrem eigenen Bias äußern und mit ihren unappetitlichen Weltbildern verknüpfen.
Thomas Gießl am Permanenter Link
"Ausgerechnet die Homosexuellen und Transmenschen sind aber ein sehr starkes Argument dagegen, dass Geschlechtsrollen in erster Linie sozial konstruiert sind, denn die wachsen ja in der gleichen Gesellschaft auf
Das kommt darauf an, wie weit oder eng Sie den Begriff 'Geschlechterrollen' fassen. Die sexuelle Neigung allein macht doch noch keine Geschlechterrolle. In einer traditionellen Ehe ist klar, wer 'der Mann' und wer 'die Frau' ist und es ist sehr viel schwieriger, aus festen Rollenmustern auszubrechen, weil die eben omnipräsent sind. In einer schwulen oder lesbischen Beziehung ist das nicht ohne Weiteres klar - gerade da merkt man nämlich, wie stark Rollen innerhalb einer Beziehung sozial bestimmt werden.
Genauso heißt es ja nicht, dass eine Person, die sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlt, mit der Tatsache, dass er oder sie homosexuell ist, auch zufrieden ist oder diese Rolle annehmen will oder muss. Soweit ich weiß, hat Thomas Mann das nie getan. Wenn der gesellschaftliche Druck groß genug ist, oder die Person ihn ausreichend internalisiert, dann wird das nichts mit dem Triumph der Biologie...
"Ah, ja - welche Untersuchungen wären das? Menschen, deren Chromosenpaar nicht einfach XX oder XY ist gibt es, das ist richtig, aber die sind nicht sexuell fortpflanzungsfähig, und Homosexuelle sind es, solange sie ihren sexuellen Präferenzen treu bleiben, auch nicht."
Wen interessiert denn, ob irgendwelche Individuen sexuell fortpflanzungsfähig sind? Das trifft auf sehr viele Menschen zu. Sprechen Sie denen jetzt einfach pauschal ihr Menschsein oder ihre Zugehörigkeit zu einem Geschlecht ab?
"Ich kenne Genderstudies nur so, dass sämtliche Rückgriffe auf die Biologie als biologistisch denunziert werden. Mir ist keine Arbeit bekannt, die zu dem Schluss käme, dass irgendwo nicht die soziale Konstruktion von Geschlecht hinter dem untersuchten Phänomen stünde. Darin ist die Genderwissenschaft der Theologie zu vergleichen - man weiss immer vorher schon, wie das Ergebnis ausfallen wird."
Biologistisch wir eine Argumentation nur, wenn Sie biologische Fakten (oder Thesen) nutzen, um normative Aussagen über Geschlechterverhältnisse, Rollenvorstellungen, etc. zu treffen bzw. solche zu begründen. Das ist nicht besonders schwer zu verstehen. Wir betreiben nicht Biologie, um bessere Argumente zu haben, unsere Frauen an den Herd zu ketten, um's mal überspitzt zu formulieren.
Stefan Wagner am Permanenter Link
"In einer traditionellen Ehe ist klar, wer 'der Mann' und wer 'die Frau' ist und es ist sehr viel schwieriger, aus festen Rollenmustern auszubrechen, weil die eben omnipräsent sind."
…
Heute ist noch sehr viel weniger omnipräsent.
"Wenn der gesellschaftliche Druck groß genug ist, oder die Person ihn ausreichend internalisiert, dann wird das nichts mit dem Triumph der Biologie."
Richtig. Und Freiheit ist in erster Linie die Freiheit, den inneren Zwängen nachgeben zu dürfen, solange niemand anderes dadurch zu sehr eingeschränkt wird. Also jede Frau darf Matheprofessor werden, wenn sie will. Sie muss aber das gleiche leisten.
Da es keine weibliche Mathematik gibt, wie es auch keine polnische oder muslimische Mathematik gibt, brauchen wir keine Repräsentanz von Frauen oder Diversität in der Mathematik nach Geschlecht, Ethnie oder Religion u.dgl., sprich, keine Quoten.
"Wen interessiert denn, ob irgendwelche Individuen sexuell fortpflanzungsfähig sind? Das trifft auf sehr viele Menschen zu. Sprechen Sie denen jetzt einfach pauschal ihr Menschsein oder ihre Zugehörigkeit zu einem Geschlecht ab?"
Ich schätze die Betroffenen interessiert es. Ich spreche niemandem das Menschsein ab, aber die Behauptung, dass es gar kein Geschlecht gibt, sondern ein Spektrum, weil es ein paar Ausreißer gibt, die sollte man als Unfug deutlich zurückweisen, bevor sich da ähnlicher Bockmist wie bei der angeblich geschlechterneutralen Sprache als Allgemeinwissen niederschlägt.
Ich räume gerne ein, dass es nicht schön ist, als pathologischer Fall da zu stehen, aber soll der Mensch wissen was mit ihm los ist, die Fakten kennen, oder sollen wir uns aus Wohlfühlüberlegungen jedes Wort und jeden Gedanken verbieten?
Natürlich muss man mit Betroffenen respektvoll umgehen, aber sie bedürfen keiner besonderen Schonung. Der normale Mensch hat auch 2 Augen, 2 Arme und 2 Beine. Kein Grund jemanden zu schmähen, der es nicht hat, aber die Zahl der Arme oder Finger, die ein Mensch hat, ist trotzdem kein Spektrum (ich kenne einen mit 12 Fingern).
Den Tatsachen ins Auge sehen und die Tatsachen aushalten. Gerne weiterforschen und offen sein, aber Genderstudies wälzen immer nur die Verantwortung für alle Übel auf das Patriarchat, den neuen Satan ab, und weil der dem Staat so ähnlich sieht sprangen viele Linke auf den fahrenden Zug auf, getreu dem Motto "Der Feind meines Feindes ist mein Freund".
"Biologistisch wir eine Argumentation nur, wenn Sie biologische Fakten (oder Thesen) nutzen, um normative Aussagen über Geschlechterverhältnisse, Rollenvorstellungen, etc. zu treffen bzw. solche zu begründen."
Ich treffe wenige normative Aussagen über Rollenvorstellungen, ja, da können Sie ganz beruhigt sein. Aber was heißt "begründen"? Moralisch rechtfertigen? Oder erklären, wie es zu etwas gekommen ist?
Es wird oft verwechselt, einen Sachverhalt zu verstehen und zu entschuldigen. Manchmal so weit, dass um das Ziel zu erreichen, nämlich einen Sachverhalt nicht zu entschuldigen, das Verstehen suspendiert wird, und da bin ich raus.
Weil es essentiell ist für die Frage, was man wie wohin ändern kann zu verstehen, wie es überhaupt dazu gekommen ist. Und welche Möglichkeiten sich überhaupt bieten. Wieso werden seit 10 Jahren "Girlsdays in MINT" angeboten, und dieses Jahr ist die Rate der Frauen unter den Erstsemestern der Informatik doppelt so stark eingebrochen, wie die der Männer.
Woher kommen denn die ganzen Rollenunterschiede, wenn nicht ursprünglich aus der Natur? Eine Verschwörung?
Wenn eine Sendung im Fernsehen läuft - wer soll entscheiden, welche Rollenvorstellungen da gezeigt werden? Die Produktionsfirma, der Regisseur, der Drehbuchautor? Die Gleichstellungskommission der Sender? Müssen 49% der Kommissare weiblich sein? Oder muss der Anteil dem in der Realität entsprechen?
Dass die kulturellen Produktionen die tatsächlichen Unterschiede abbilden - ist das Ursache oder Wirkung der Unterschiede?
Fakt ist, dass viele Berufe im Fernsehen so selten vorkommen, dass eine Beeinflussung bei diesen wohl ausgeschlossen werden kann. Computerprogrammierer ist kein telegener Beruf und Programmierer wurden gebraucht, bevor Hollywood groß Werbung dafür machen konnte.
Ich will generell nicht, dass politische Kommissare Einfluss auf die kulturellen Produktionen nehmen. Aber auch mit 100 Cyberpolizistinnen im Fernsehen müssen Studienanfänger nach einigen Wochen sehen, ob sie den Anforderungen gewachsen sind und ob es ihnen Spaß macht, oder ob es nur eine Rollenillusion aus dem Fernsehen war, der sie hinterher rennen.
Die populärsten Rollen der jungen Mädchen sind Beyoncé und Co. und trotzdem werden nur wenige Sängerin. "Die Medien objektifizieren die Frauen und Mädchen" hört man allenthalben, aber geht mal ins Bad - das machen die selber. Ja, die sind vom Patriarchat hirngewaschen - wir müssen jetzt nur 100 Jahre gegenwaschen, keine Sorge, wir haben schon das erste Drittel geschafft.
Mit überwältigendem Erfolg. Als Leuchtturm eine Frau Bundeskanzler, aber an der Parteibasis herrscht allüberall eine Quote von - ich glaube 40% bei den Grünen, SPD-Linke um die 35%, C-Parteien 25%.
Wenn die Medizin nicht wirkt, nimm mehr davon! Wir müssen noch viel mehr in die Richtung tun!
Sorry, wurde etwas lang.
Ewald am Permanenter Link
Der Artikel berührt die absurden Konzepte der Genderstudies nicht. Critical Whiteness: wer weiß ist, ist privilegiert und Rassist. Geschlechtsübergreifend.
Jo am Permanenter Link
"Caroline Mohr, eine Feministin, wird wieder ausgeladen, weil sie ihren Namen nicht ändert. "
Interessant. Wo kann man das denn nachlesen?
PG am Permanenter Link
Ein angenehm unaufgeregter Artikel zu einem viel diskutierten Thema. Leider/dennoch zeigt er auch eine ganze Reihe der Probleme der Debatte auf und enthält einige innere Widersprüche.
"Jungs können nicht alle besser Mathe, Mädchen sind nicht per se besser in Sprachen"
Das behauptet auch niemand. Die entsprechenden Argumente beziehen sich auf statistische Unterschiede in den Populationen. Die Aussage "Männer sind im Durchschnitt größer als Frauen" setzt nicht voraus, dass JEDER Mann größer als JEDE Frau ist.
"Transgeschlechtliche Menschen weisen durch ihre bloße Existenz darauf hin, dass die biologische Komponente lange nicht so eindeutig ist wie sie sich in den Köpfen der Menschen bis heute darstellt."
Hier liegt nun der umgekehrte Fall vor: aus einer sehr seltenen Abweichung von der (statistischen!) Norm wird eine generelle Regel konstruiert. Wiederum wäre die naheliegende Lösung: ja, es ist nicht grundsätzlich eindeutig, aber in den allermeisten Fällen offenbar schon (zumindest, wenn man das aktuelle Wissen, das sich ändern kann, nicht extrem überinterpretiert).
"Die Berechtigung dieser Disziplin schöpft sich wie bei allen wissenschaftlichen Forschungsrichtungen aus dem Vorhandensein einer bestimmten Tatsache. Gibt es das Element Wasser, dann ist es legitim und gegeben, sich diesem Element mit wissenschaftlichen Methoden zu nähern. Gibt es strukturelle Benachteiligung, dann ist das Legitimation genug, diese Benachteiligung in allen Bereichen zu analysieren und darüber zu informieren."
Hier bewegt man sich am Rande der Tautologie. Die Genderwissenschaft legitimiert sich aus der strukturellen Benachteiligung, deren Existenz vorher von der Genderwissenschaft festgestellt wird?
" Eines der wissenschaftlichen Ziele der Genderstudies ist, herauszufinden, welche biologischen Komponenten von "Geschlecht" tatsächlich existieren..."
Und welche Komponenten sind es nun? Leider wird das de facto nie benannt. In quasi allen mir bekannten Artikeln steht irgendwo in einem Nebensatz, dass Genderwissenschaft ja biologische Komponenten gar nicht leugnen würde und der entsprechende Vorwurf bösartig wäre. Der Rest des Artikels dreht sich allerdings genau wie der vorliegende dann allein um die (ab diesem Punkt dann als entscheidend wichtiger vorausgesetzte) soziale Konstruktion.
Setzt man voraus, dass Geschlechterrollen vor allem oder ausschließlich sozial konstruiert werden, gibt man dann nicht gleichzeitig den Eltern, die gegen den Lehrplan "Sexuelle Vielfalt" protestiert haben, Recht?
"Als wäre Homosexualität eine Idee, die Kinder gerne einmal nachmachen würden, sobald sie davon hörten."
Natürlich ist diese Annahme Unsinn, allerdings eher nicht, wenn ich Homosexualität als soziales Konstrukt verstehe.
Genauso kollidiert diese Grundannahme eigentlich mit der Forderung nach mehr Frauen in Führungspositionen. Die als positiv gewürdigte Vielfalt und der "Mix" aus Frauen und Männern setzt zwingend Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Verhalten/Führungsstil voraus. Woher kommen diese Unterschiede denn? Biologischen Ursprungs können sie nicht sein, also sind sie sozial konstruiert, aber genau diese sozialen Konstruktionen sollen ja geändert und vereinheitlicht werden?
Es ist unbestritten, dass es unsinnige Kritik an Genderwissenschaft gibt, genauso die historisch fehlenden weiblichen Perspektiven und Fragestellungen in verschiedenen Fachbereichen und Verbreiterung des Wissens durch sie. Dennoch macht man es sich regelmäßig viel zu leicht, wenn es um kritische Nachfragen geht. Die moralisch-politische Argumentation (Einsatz für Diskriminierte!) scheint oft die wissenschaftliche ersetzen zu wollen und gerade der Umgang mit Kritik oder das Sammeln aller möglichen scheinbaren guten Belege aus allen Bereichen, selbst wenn diese sich widersprechen sind nicht unbedingt geeignet, das Argument, dass hier politische Ideen eine wissenschaftliche Disziplin in nicht unerheblichem Maße überschatten, zu entkräften.
Sebastian am Permanenter Link
Den ganzen Artikel kann man so nicht unkommentiert stehen lassen.
Feminismus ist in seiner aktuellen Auspraegung eher selber als Religion anzusehen. Dogmen werden bar jeden Nachweises postuliert (Geschlechter sind ein soziales Konstrukt) und Kritik an diesem fuehrt nicht etwa zu einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung, bei dem mit wiss. Methoden versucht wird, diese These zu verifizieren, sondern zu religioesen Abwehrverhalten, d.h. Kritiker werden diffamiert und medial zu Kreuze getragen. Sinnbildlich ist doch, wenn hier als einzige (!!) wiss. Errungenschaft des Feminisums die Institutionalisierung einer politisch geforderten ungleichbahndlung von Mann und Frau in Gestalt von Gleichstellungsbeauftragten herangezogen wird. Dass Gleichstellung ungleich bedeutend mit Gleichberechtigung ist sagt doch nicht bereits das Wort allein. Noch ein Punkt, der aus humanistischer Sicht nicht hinnehmbar ist.
So unkritisch hat dieser Artikel hier auf HPD nichts verloren! Man muss nicht unbedingt anti-feministisch eingestellt sein, aber so ganz ohne Reflektion haette hier auch die sonntageliche Morgenandacht oder das Freitagsgebet stehen koennen - es haette keinen Unterschied gemacht. Schlimm ...!