Kirchliche Darstellungen sind oft irreführend. Beim Bayerischen Rundfunk ist man in der gestern ausgestrahlten Sendung "Stationen: Kirchensteuer und Kollekte – Wie reich sind die Kirchen wirklich?" darauf hereingefallen.
Die Kirchen sind zwar daran interessiert, dass man ihnen möglichst nicht direkt Lügen oder falsche Darstellungen nachweisen kann (siehe z.B. hier oder hier). Sie sind aber Meister darin, Journalisten zu täuschen, so dass diese dann falsch berichten.
So war es auch gestern in der Sendung "Stationen: Kirchensteuer und Kollekte – Wie reich sind die Kirchen wirklich?" im Fernsehen des Bayerischen Rundfunks.
Der Beitrag basierte auf einer Darstellung des Erzbistums München und Freising, die zwar leicht einen falschen Eindruck vermitteln kann, die aber mittlerweile zumindest nicht offensichtlich falsch ist.
Die eigentliche Falschdarstellung übernahmen dann der Bayerische Rundfunk und Irene Esmann, die nämlich genau auf die irreführende Darstellung des Erzbistums reingefallen sind.
Hierzu habe ich heute dem BR gemailt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
die gestrige Sendung "Stationen: Kirchensteuer und Kollekte – Wie reich sind die Kirchen wirklich?" enthielt mehrere Falschdarstellungen:
Erstens, und dies betrifft das Grundkonzept des Beitrags: Es wurde immer wieder so getan, als ob es um die (prozentuale) Verteilung der KIRCHENSTEUERN ging. Tatsächlich wurde allerdings die Verteilung der kirchlichen EINNAHMEN dargestellt. Die Zahlen stammten nämlich aus der Finanzbroschüre des Erzbistums. Darin ist von Einnahmen die Rede, nicht von der Kirchensteuer:
Die Verteilung der Kirchensteuern und der Einnahmen ist nicht dasselbe. Das zeigt sich auch daran, dass das Erzbistum München in seiner ersten derartigen Broschüre (s.u.) tatsächlich noch behauptete, bei den Zahlen handele es sich um die Verteilung der Kirchensteuer, in den Folgejahren dann allerdings korrekterweise nur noch von den Einnahmen sprach (s.o.):
Die unterschiedliche Verteilung der Kirchensteuern gegenüber den Einnahmen kommt daher, dass die Kirchensteuer beim Erzbistum München nur rd. 70% der Erträge ausmacht:
Die erhaltenen Zuschüsse betreffen dem Haushaltsbericht 2017 (S. 84) zufolge im Wesentlichen staatliche Zuschüsse für Schulen. In den sonstigen Erträgen sind gut 13 Millionen Schulgeld, Tagesheimerträge sowie Einnahmen aus Kindertagesstätten enthalten. Damit belaufen sich allein die im Haushaltsbericht auf S. 84 ausdrücklich bezifferten größeren Positionen auf gut 90 Mio. Euro, die der Staat, im Wesentlichen für Bildung, zahlt. Das sind knapp 11% des Diözesanhaushalts.
Das heißt: Das Erzbistum mag zwar – wie auch im BR-Beitrag dargestellt, allerdings falsch – 28,12 Euro von 100 (28,12%) seiner EINNAHMEN für Bildung ausgeben. Speziell im Bildungsbereich stammt aber ein ganz erheblicher Teil dieser Gelder nicht aus der Kirchensteuer, sondern vom Staat.
Grob überschlagen: Wenn der Staat beim Erzbistum 11% des Haushaltsvolumens für Bildung zuschießt und das Bistum gibt 28% des Haushalts für Bildung aus, dann werden – Pi mal Daumen – nur 17% der Kirchensteuer für Bildung ausgegeben, nicht 28%, wie es im BR-Beitrag suggeriert wird.
Zwar wird der durchschnittlichen Bürgerin der Unterschied zwischen der Aufschlüsselung der Einnahmen und der Kirchensteuer nicht bekannt sein, und zweifellos präsentieren die Kirchen ihre Finanzen bevorzugt in der dargestellten Form, weil dadurch höhere Anteile bei den staatlich geförderten Bereichen ausgewiesen werden und entsprechend niedrigere Anteile bei den rein kirchlichen Bereichen. Aber die Darstellung in der BR-Sendung, wo immer wieder gesagt wird, es handele sich um die Kirchensteuer, und wo eingangs noch der Eindruck vermittelt wird, die Schlüsselung nach Kirchensteuern und Einnahmen sei das gleiche, ist schlichtweg falsch.
Profi-Tipp: Wenn man über Kirchenfinanzen berichten will, sollte man nicht ausschließlich Kirchenvertreter befragen!
Zweitens: Zum Schluss wird gesagt, der verbleibende Betrag ginge an das Finanzamt, für den Kirchensteuereinzug. Zwar wird der konkrete Betrag nicht genannt, wer nachrechnet, kommt aber auf den in der Broschüre genannten Betrag von 6,69.
Hier sollten eigentlich gleich die Alarmglocken schellen, denn wer sich auch nur ein bisschen mit Kirchenfinanzen auskennt – oder wer die Aufstellung (s.o.) gelesen hat, auf der Ihr Beitrag beruht! –, der weiß, dass die Gebühr für den Einzug der Kirchensteuer in Bayern 2% des Kirchensteueraufkommens beträgt. Das wären 2 Euro von 100. "An das Finanzamt" gehen sogar noch weniger als 2 Euro, weil die Vergleichsgröße hier ja nicht bloß das Kirchensteueraufkommen, sondern der Gesamthaushalt ist. Die Darstellung im BR-Beitrag ist also falsch und unentschuldbar.
Vielmehr dürfte der Großteil des Betrages, jedenfalls ausweislich der Erläuterung, zurück an die Kirchensteuerzahler gehen.
Fazit: Der BR-Beitrag ist geprägt von groben Fehlern, grob mangelhaftem Verständnis für die Sachverhalte, über die berichtet wird, und dem Fehlen jeglicher kritischen Prüfung.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Krause
NACHTRAG: Die Kirchensteuer selbst wird durch die steuerliche Absetzbarkeit zu einem Drittel (33%) aus allgemeinen Steuergeldern subventioniert. Selbst wenn, wie in der Sendung suggeriert, knapp 30% der Kirchensteuer für gesellschaftliche Zwecke ausgegeben würden, würde der Staat durch die Kirchensteuer immer noch nicht finanziell entlastet. Da der tatsächliche Anteil der Kirchensteuer, der für gesellschaftliche Zwecke ausgegeben wird, selbst beim reichen Erzbistum München deutlich geringer sein wird, entlasten Kirchenaustritte den Staat.
NACHTRAG 2: Frau Esmann, die den Beitrag präsentiert hat, war an der katholischen Journalistenschule.
FUN FACT: Ich erhielt den Tipp, mich auch an der Rundfunkrat des BR zu wenden. Dort wurde ich von Kirchenlobbyist Lorenz Wolf begrüßt, der auch Vorsitzender des Rundfunkrates ist
Der Text wurde mit freundlicher Genehmigung des Autors übernommen von https://skydaddy.wordpress.com
8 Kommentare
Kommentare
Thomas B. Reichert am Permanenter Link
Zitat "Wie reich sind die Kirchen wirklich?"
Und jeder der von dem Blutgeld - dem blutigen Geld unserer Ahnen profitieren möchte macht mit dem Quark weiter: als Mitläufer, teilwissende Mitläufer, Heuchler ....
Meli am Permanenter Link
Viele wissen es immer besser! Was aber ein Pfarrer oder ein pastoraler Mitarbeiter leisten muss, davon wird nichts geschrieben! Es wird gefördert, aber eingestanden wird nichts.
Schämt euch!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Viele wissen es immer besser!"
Eigentlich wissen es sogar alle besser - zumindest könnten sie es besser wissen.
"Was aber ein Pfarrer oder ein pastoraler Mitarbeiter leisten muss, davon wird nichts geschrieben!"
Was leisten die denn, was wirklich von gesellschaftlichem Nutzen ist? "Seelsorge" wird von jedem Psychotherapeuten weitaus professioneller geleistet und auf den Predigtquark kann jeder denkende Menschen getrost verzichten.
"Viele Menschen, ob gläubig oder nicht verlangen beim bestimmten Situationen nach einem pastoralen Mitarbeiter, aber zahlen wollen wir nicht dafür......"
Gottlos Glückliche verlangen nach "pastoralen Mitarbeitern"? Es ist - wenn man nicht entsprechend vorsorgt - schwierig, sie bei seiner eigenen Beerdigung loszuwerden. Auf die Taufe kann ein natürlicherweise gottloses Baby gerne verzichten (zumal es dadurch - obwohl noch nicht geschäftsfähig - zwangsweise einen Vertrag mit dem Kirchenverein eingeht). Heiraten kann man standesamtlich und sogar die Hochzeit in Weiß kann heute säkular gefeiert werden. Wo sollte also noch ein Bedarf an "pastoralen Mitarbeitern" bestehen? Doch nur bei solchen, die seit Kindertagen vom Geisterglauben verseucht wurden.
"Schämt euch!"
Wer sich hier schämen müsste, ist doch klar. Wer seine Mitmenschen allerdings wissend und schamlos ausbeutet, dem fehlt wohl die Fähigkeit zum Schämen...
Unechter Pole am Permanenter Link
Sie sollen sich schämen, dass Sie den nicht gläubigen bzw. nichtkirchenangehörigen Menschen unterstellen, dass sie kirchliche "Leistungen" erschleichen wollen.
Andreas Edmüller am Permanenter Link
Für dieses Problem gibt es eine ganz einfache Lösung: Die Kirchen bekommen kein Geld mehr aus dem Steuertopf und sonstigen staatlichen Quellen.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ja holla - hyperaktuell und akribisch recherchiert von Matthias Krause, dem C.Frerk-Schüler.
Wolfgang am Permanenter Link
Es beginnt mit der Bibel und dann wurde bis heute munter gelogen und gefälscht.
Den fröhlichen Geber hat Gott lieb, Ha ha ha! Lasst euch doch nicht verarschen!
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Linke, Grüne und J.-A. Haupt sind 2016 im Bundestag gescheitert. Nicht mal eine Kommission zu den Staatsleistungen/Kirchenfinanzen. Selbst wenn, alles versinkt gleich wieder in kollektiver Demenz.
Aber so weit ist es - Gott sei Dank - noch nicht. Noch gibt es HVD, hpd, ifw, IBKA, GBS, BfG.
Karin Resnikschek, Tübingen