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MIZ-Schwerpunkt: "Macht Glaube gesund?"

ASCHAFFENBURG. (hpd) Die Zeitschrift “MIZ - Politisches Magazin für Konfessionslose und AtheistInnen” - widmet sich in ihrer soeben erschienenen Ausgabe 4/14 dem Schwerpunktthema “Macht Glaube gesund? – Teil 1: Über das Verhältnis von Glauben und Gesundheit”. Breiter Raum wird auch in diesem Heft dem zweiten Schwerpunkt “Staat und Kirche” eingeräumt.

In einem sehr ausführlichen Editorial “Ist, macht und hält Glaube gesund? - Packungsbeilage” geht Nicole Thies auf die Entstehungsgeschichte dieses Schwerpunktthemas ein, das ausnahmsweise sogar in einer weiteren MIZ-Ausgabe fortgesetzt werden soll. Die einzelnen Texte des Schwerpunktthemas sind diesmal auf dem Wege einer Ausschreibung – “eine aus der wissenschaftlichen Praxis entlehnten Vorgehensweise” (S. 1) entstanden. Und Nicole Thies geht hier auch auf geschichtliche Entwicklungen ein. Dazu schreibt sie: “Glaube und Medizin waren historisch betrachtet über Jahrhunderte eng miteinander verwoben. Heilung und Heilserwartung galten als gleichbedeutend. Heiler hatten eine besondere Position im Sozialverband, denn viele meinten sie im Besitz von exklusivem, übermenschlich empfundenem Geheimwissen, welches zumeist in kultischen Handlungen angewandt, erlernt und weitergegeben wurde. Hippokrates schwört zunächst auf die Götter bevor er seine ärztliche Ethik formuliert.” (S. 3)

Erfreulich ist im Editorial ein Nebensatz, der auf zunehmendes Bewusstwerden globaler Weltsichten hindeutet, wenn Nicole Thies in Bezug auf den Begriff “Frühe Neuzeit” schreibt, dass dies eine Betrachtung “aus europäischer Perspektive” sei.

Der Schwerpunkt wird von drei in- und ausländischen Autoren bestritten. Deren Texte sind sehr informativ und regen zum Nachdenken an, blicken auch über den europäischen Tellerrand hinaus. Sie kranken allerdings – wie schon das Editorial – daran, dass sie leider zu sehr medizinischer, psychologischer oder soziologischer Fachjargon sind. Denn die MIZ ist eben keine Fachzeitschrift für diese Wissenschaftsbereiche und auch nicht alle MIZ-Leser sind Akademiker. Dennoch, dieser Einwand soll den Wert dieses Schwerpunktartikels keinesfalls schmälern.

Glaube schadet meistens

Den Einstieg macht der Philosoph und Wissenschaftspublizist Rüdiger Vaas mit dem Artikel “Warum der Glaube meistens schadet – Götter, Gesundheit und Gesellschaft”. Der hierfür gewählte Anriss gibt die wesentlichen Aussagen des Textes wieder: “Demokratie, eine gerechte Einkommensverteilung und soziale Wohlfahrt sind dort stärker ausgeprägt, wo mehr Atheisten leben. Länder mit größeren Einkommensunterschieden und schwierigeren Lebensumständen sind religiöser. Das ist kein Zufall, sondern bedingt sich gegenseitig.” (S. 5)

Vaas kommt zu dieser Aussage durch die Analyse mehrerer ausführlich referierter internationaler Untersuchungen, u.a. dem “Gallup World Poll”, bei dem 455.000 Menschen in 150 Ländern befragt worden seien. Verdeutlicht werden die Erkenntnisse durch Zwischentitel wie “Religion fördert soziale Ungleichheit”; “Religiöse vernachlässigen die soziale Wohlfahrt” oder “Sich gläubig gebende Politiker werden bevorzugt”. Letzteres kann sehr wohl auch in Deutschland beobachtet werden und nicht nur in anderen religiös geprägten Staaten. Sind doch allein in diesem Jahrtausend gleich mehrere Bundes- und Landespolitiker z.B. aus der SPD oder der LINKEN während ihrer Amts- bzw. Mandatszeit in eine der sogenannten Amtskirchen eingetreten bzw. wieder eingetreten…

Einem zentralen Element kirchenchristlicher Ideologie wendet sich – nicht zuletzt mit Blick auf Atheisten – der Arzt und Gesundheitspolitiker Betram Szagun zu: “Demut: Die Essenz gesunden Glaubens?” Er zieht folgendes Fazit: “Was bleibt: Demut ist eine gute Kandidatin für die Gesundheitseffekte von Religiosität, sie selbst ist allerdings eher eine Frage der Erkenntnis als des Glaubens. Die Frage ‘Ist Glaube gesund?’ würde damit zum gesundheitswissenschaftlichen Nebenschauplatz. Demut ist erreichbar, gerade für Atheisten, sie sperrt sich jedoch der intensiveren Erforschung. Rezepte sind somit vorhanden, doch Risiken und Nebenwirkungen bleiben im Ungefähren.” (S. 14)

Die Stockholm wirkende Humanbiologin und Soziologin Pelle B. Pelters wählte für ihren Aufsatz – in Abwandlung eines populären Werbeslogans – die griffige Überschrift “Trainierst du noch oder glaubst du schon?”

Unter dem pointierten Zwischentitel “Gesundheitswahn kommt Religion sehr nah” formuliert sie bezugnehmend auf eine von ihr so bezeichnete “gesundheitsreligiöse Weltsicht”: “Diese umfassende Weltsicht und die angebetete Gesundheitsgottheit manifestiert sich in Ritualen und Symbolen sowie einer Form von Gemeinschaft, die sich beispielsweise im Fitnessstudio als ikonischem Gesundheitstempel zeigen.” (S. 18) Dieser kommerziell betriebene Gesundheitswahn (Fitnessstudios, Yogakurse etc.) weise alle strukturellen Kennzeichen einer monotheistischen Religion auf.

Staat und Kirche – noch immer alles beim Alten

Der zweite Schwerpunkt “Staat und Kirche” wird mit einem Artikel von Corinna Gekeler eröffnet: “Karlsruhe segnet angebliches Selbstbestimmungsrecht der Kirchen ab”. Hierin geht sie dezidiert auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Oktober 2014 ein. Die Autorin wertet diesen Urteilsspruch klar und deutlich so: “Klarer kann ein weltliches Gericht seine Bankrotterklärung in Sachen Trennung von Kirche und Staat eigentlich nicht ausdrücken.” (S. 23) Es folgt eine Begründung unter Bezug auf “Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV”, nachzulesen auf den S. 23 und 24. Und die Autorin der Studie “Loyal dienen. Diskriminierung bei Caritas, Diakonie und Co.” stellt abschließend die Frage, wie es denn nun in Sachen “kirchliches (Sonder-)Arbeitsrecht” weiter gehen werde.

Daniela Wakonigg behandelt in ihrem Beitrag “11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen” die von Aktiven der Giordano-Bruno-Stiftung initiierte gleichnamige Aktion in Regensburg, Leipzig und Münster. Hierauf soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, da der hpd hierüber selbst bereits mehrfach ausführlich berichtet hat.

Der Rezensent steuerte seinerseits zu dieser MIZ-Ausgabe den Artikel “Pro ‘Bibelschulen’ und Missionierung” bei, geschrieben nur zwei Wochen nach Antritt der Thüringer Koalitionsregierung Bodo Ramelow. Hierin geht es um etliche “Schwarze Punkte” im “Rot-Rot-Grünen” Regierungsprogramm. Auch hierüber hat der hpd bereits selbst berichtet.

Klerikal-Aristokratische Vernetzungen

Sehr empfehlenswert ist der Beitrag des Soziologen Andreas Kemper “Klerikal-aristokratische Vernetzung in der ‘Alternative für Deutschland’ (AfD)”. Kemper wendet sich mit seiner Untersuchung einem Thema zu, das in dieser Hinsicht bis dato in den säkularen Medien noch zu wenig betrachtet worden ist. Der hpd wird diesen Artikel demnächst – mit Genehmigung der MIZ – in voller Länge veröffentlichen.

Kemper nennt diverse Netzwerke und Namen, wobei insbesondere der Name der Europa-Abgeordneten Beatrix von Storch, geborene Herzogin von Oldenburg, immer wieder auftaucht, siehe u.a. den Abschnitt “Die von Oldenburgs – ein monarchistisches Familiennetzwerk?”

Leider ist Kemper hierin nicht auf alle familiären Zusammenhänge der Beatrix von Storch eingegangen. Daher an dieser Stelle einige Ergänzungen:

Beatrix von Storch (geb. 1971) ist mütterlicherseits eine Enkelin des Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk, der zwischen 1932 und 1945 erst unter Franz von Papen und dann unter Hitler Reichsfinanzminister war. Der Träger des “Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP” wurde von Hitler sogar noch in dessen politischem Testament in diesem Amt bestätigt… Ab 2. Mai 1945 war er “Leitender Minister” der sogenannten “Geschäftsführenden Reichsregierung” unter Großadmiral Dönitz. Ihr Großvater väterlicherseits ist Nikolaus Friedrich Wilhelm von Oldenburg, der letzte Erbgroßherzog dieses Landes. Für seine Stellung zum NS-Regime ist bezeichnend, dass er auf eigenen Wunsch Dienst in der SA tat: als SA-Standartenführer (entspricht einem Oberst-Rang) und Führer der SA-Reiterstandarte 14 (entspricht einem Regiment). Eine Schwester dieses Großvaters war mit Josias Georg Wilhelm Adolf Erbprinz zu Waldeck und Pyrmont verheiratet. Dieser trat bereits 1929 in NSDAP und SS (Mitgliedsnummer 2.139) ein und diente u.a. als Adjutant Himmlers. Bereits 1936 bekleidete er den Rang eines SS-Obergruppenführers. Ab 1939 war er sogenannter Höherer SS- und Polizeiführer im Range eines SS-Obergruppenführers und Generals der Waffen-SS und der Polizei, mit Zuständigkeit u.a. auch für das Konzentrationslager Buchenwald.

Informative ständige Rubriken

Die MIZ wäre nicht vollständig ohne ihre ständigen Rubriken:

Im “Netzreport” werden Einblicke in die Welt des Internet gewährt; da geht es um Webseiten, die sich einerseits mit dem “geballten Wahnsinn”, dem “Allheilmittel Bachblüten” oder einem “mysteriösen Jugendfernsehen” befassen, andererseits aber auch Ratgeber für Skeptiker sind oder Infos “zur letzten Hilfe” geben.

Der “Zündfunke” gibt einen Rückblick auf Aktionen, Medienarbeit, Veranstaltungen und Ehrungen. Themen sind hier neben “Zehn Jahre gbs” und “Das Goldene Brett 2014” der Besuch von Vertretern säkularer Verbände beim Bundesverfassungsgericht, wo diese von sechs der dort tätigen Richter empfangen worden sind. Die MIZ schreibt dazu: “So gesehen war der Besuch beim Bundesverfassungsgericht zwar ein historischer Moment, weil erstmals überhaupt die mittlerweile größte Bevölkerungsgruppe wahrgenommen wurde (…). Ob dieser Meinungsaustausch über das symbolpolitische Signal hinaus, dass Konfessionslose nicht länger völlig übergangen werden, politische Wirkung entfalten wird, bleibt abzuwarten.” (S. 44)

Christoph Lammers hat zwei Bücher rezensiert: John Cornwells “Die Beichte. Eine dunkle Geschichte” (Berlin 2014) und Johannes Fischlers “New Cage – Esoterik 2.0. Wie sie die Köpfe leert und die Kassen füllt” (Wien 2013).

Überaus informativ ist wie schon gewohnt die “Internationale Rundschau” mit Nachrichten aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich, Russland, der Schweiz, Spanien, Ungarn, dem Vatikan, den USA, Ägypten, Mauretanien, Nigeria, der VR China, Syrien und Neuseeland.

Zwei dieser Nachrichten lassen aufmerken. Zum einen, wie die Stadt München mit einer ganz kleinen Maßnahme ein Signal für die tatsächliche Trennung von Staat und Kirche gesetzt hat. (S. 50/51) Zum anderen ein Bericht, ebenfalls aus Bayern, wo der frühere Chef der Vatikanbank, Ernst von Freyberg, in einem Vortrag in Augsburg erklärt habe, “die katholische Kirche sei in erster Linie ein Unternehmen und als solches zu führen und zu verstehen”. (S. 57) Wohl gesprochen. Aber es fehlt die logische Schlussfolgerung, die Kirche auch in Deutschland als Wirtschaftsunternehmen zu betrachten. Nämlich sie auch wie ein solches zu behandeln und vor allem so zu besteuern.

Leserpost und ein Veranstaltungsüberblick bis zum April runden das Heft ab. Ein Kauf, besser noch ein Abo lohnen sich. Wirklich.

 


MIZ - das bedeutet Materialien und Informationen zur Zeit. Das Vierteljahresmagazin des IBKA (Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten) erscheint seit 1972 und kann über den Alibri-Verlag Aschaffenburg bezogen werden.