Der von den Sozialwissenschaftlern Christoph Butterwegge, Gudrun Hentges und Bettina Lösch herausgegebene Sammelband "Auf dem Weg in eine andere Republik? Neoliberalismus, Standortnationalismus und Rechtspopulismus" enthält Beiträge zu den im Untertitel genannten Themen. Dabei finden sich eher knappe und kursorische Artikel ebenso wie gelungene wissenschaftliche Aufsätze, sodass man sich als Leser ein wenig die Rosinen heraussuchen muss.
Christoph Butterwegge ist einer breiteren Öffentlichkeit dadurch bekannt geworden, dass er bei der letzten Bundespräsidentenwahl der Kandidat der Partei "Die Linke" war. Der frühere Professor an der Universität Köln ist aber in Fachkreisen viel bekannter als Armutsforscher, Neoliberalismus-Kritiker und Sozialstaatsverteidiger. Darüber hinaus legte er viele Publikationen zum Rechtsextremismus vor. Insofern kann nicht verwundern, dass zu den genannten Themen einschlägige Vorträge auch das Abschiedssymposium zu seinen Ehren dominierten. Es wurde am 28. Oktober 2016 durchgeführt und stand unter der Leitfrage "Auf dem Weg in eine andere Republik?". Die dazu dort formulierten Antworten finden sich in Textform jetzt in dem Sammelband gleichen Titels, der von Butterwegge, Gudrun Hentges und Bettina Lösch mit dem Untertitel "Neoliberalismus, Standortnationalismus und Rechtspopulismus" herausgegeben wurde. Gleich hier sei aber schon gesagt, dass eine Betrachtung der Systemebene eigentlich nicht vorgenommen wurde.
Stattdessen standen drei Themenkomplexe im Vordergrund, welche auch die inhaltliche Grundstruktur für den Sammelband bilden. Zunächst geht es dabei um "Sozialstaat, Demografie und Armut": Ulrich Schneider plädiert für eine stärkere Umverteilungspolitik. Michael Klundt widmet sich der Dethematisierung sozialer Fragen in den Ungleichheitsdebatten. Und Gerd Bosbach sieht in Demografiebehauptungen ein neoliberales Agitationsmittel. Der Geehrte selbst fragt nach dem Kontext von sozialer Spaltung und dem Erfolg des Rechtspopulismus. Letzteren führt er ganz zentral auf die Abkehr von einem sozialstaatlichen Konsens zurück. Dadurch habe der Neoliberalismus einen Nährboden für Rechtsextremismus und Rechtspopulismus geschaffen, wobei ein Bindeglied durch den "Standortnationalismus" bestehe. Butterwegge geht hier nach der Entwicklung einer Populismus-Typologie auch der Frage nach, warum selbst gewerkschaftlich organisierte Facharbeiter überproportional stark die "Alternative für Deutschland" gewählt hatten.
Im zweiten Teil geht es um "Rechtsextremismus und -populismus": Ralf Ptak thematisiert ebenfalls den Kontext von Neoliberalismus und Rechtspopulismus. Gudrun Hentges sieht in den Identitären eine potentielle Wegbereiterin einer anderen Republik. Thomas Gesterkamp geht der Agitation gegen Feminismus und "Gender-Wahn" von rechts nach. Albert Scherr fragt nach den Alternativen zu rechtspopulistischen Antworten auf die "Flüchtlingskrise". Und Klaus Dörre sieht in einer "demokratischen Klassenpolitik" eine Antwort auf den Rechtspopulismus. Und dann geht es im dritten Teil noch um "Politische Bildung in der Einwanderungsgesellschaft": Bettina Lösch fragt nach den Möglichkeiten einer emanzipatorischen gesellschaftlichen Transformation. Thomas Krüger thematisiert die Zukunft der politischen Bildung in einer repolitisierten Gesellschaft. Klaus-Peter Hufer blickt auf rechtspopulistische Stammtischparolen: Und Jutta Elsäser u. a. betrachten Antisemitismus in der Einwanderungsgesellschaft als Herausforderung für die Lehrerfortbildung.
Insgesamt ist ein Sammelband mit interessanten Texten zu unterschiedlichen Themen herausgekommen. Bei der Abgabe der Aufsatzmanuskripte haben sich die Autoren aber unterschiedlich viel Mühe gemacht. Einige lieferten wohl nur ihr kurzes Redemanuskript ab, andere haben einen wissenschaftlichen Aufsatz vorgelegt. Den Unterschied kann man gut am Beispiel des Artikels über den "Geschlechterkampf von rechts" von Gesterkamp sehen, der nur aus sechs Druckseiten ohne erkennbare Struktur besteht. Demgegenüber hat Hentges eine gut aufgearbeitete Darstellung und Einschätzung zu den "Identitären" vorgelegt, worin innovativ und strukturiert die historischen Narrative aufgearbeitet wurden. Insofern lässt sich auch keine pauschale Einschätzung des Sammelbandes vornehmen, gibt es doch von der Qualität und nicht nur vom Thema her durchaus deutlich Unterschiede. Als Leser kann man sich dann die Rosinen herauspicken. Relevante und reflexionswürdige politische Fragen sprechen denn auch alle im Sammelband enthaltenen Texte an.
Christoph Butterwegge/Gudrun Hentges/Bettina Lösch (Hrsg.), Auf dem Weg in eine andere Republik? Neoliberalismus, Standortnationalismus und Rechtspopulismus, Weinheim 2018 (Beltz Juventa), 191 S., ISBN: 978-3-7799-3776-0, 16,95 Euro
1 Kommentar
Kommentare
Kay Krause am Permanenter Link
Um zu analysieren, ob wir auf dem Weg in eine andere Republik sind, bedürfte es doch zuerst einmal der Analyse, in welcher Art von Staat wir seit Ende des Krieges gelebt haben?
Sorgt dieser Staat für ausreichende Bildungsmöglichkeiten für jeden? Bietet dieser Staat jedem Bürger eine Berufstätigkeit und ein ausreichendes Einkommen zweck Erhaltung eines akzeptablen Lebens-Standarts?
ODER: ist dieser Staat lediglich der verlängerte Arm des sozial unverantwortlich handelnden Kapitals?
Wenn wir diese Fragen geklärt haben, dann fällt es uns vielleicht gar nicht so schwer, zuzugeben, dass es in der rechtsextremen politischen Denk-Kiste schon seit langem gärt! Was wir z.Zt. erleben, sind lediglich kleine Vulkan-Ausbrüche, die ich allerdings schon wesentlich früher erwartet habe!
Bei allem Bestreben, optimistisch in die Zukunft zu blicken, glaube ich, dass es für eine Rettung zu spät ist. Die SPD hat zu lange ihren eigenen Suppentopf mit Kapital gewürzt. Auf die LINKEN sollten wir nicht hoffen, die haben seit Jahren genug mit sich selbst zu tun!