Rezension

Der Dogmenwahn Oder Das Elend der Theologen

WEIMAR. (hpd) Selten stand der Rezensent vor solch einem Dilemma: Wie soll er bloß Hans-Werner Kubitzas neuestes Buch "Der Dogmenwahn" besprechen, es würdigen? Für all das, was hierüber – und natürlich lobend – gesagt werden muss, fehlt einfach der Platz. Eigentlich würde schon reichen zu sagen: Inhaltlich tiefschürfend, akribisch recherchiert und analysiert, wissenschaftlich präzise in der Aussage und dazu noch überaus gekonnt mit spitzer Feder geschrieben. Ein Buch, das echten Zugewinn an Wissen bringt, das indirekt sogar ein Lexikon darstellt, und das zugleich hochgeistiges (und dazu noch überaus kurzweiliges) Lesevergnügen bereitet. Ein streitbares Buch; denn was macht wacher als provokantes Aufspießen von klerikalen Behauptungen: Also von Scheinproblemen, die unverdrossen von der Theologenzunft konstruiert wurden und werden. Ein gutes Buch, vor allem aber ein nützliches Buch!

Obwohl auch dies ja eigentlich schon genügen würde, will der Rezensent dennoch versuchen, auf den Inhalt einzugehen. Wobei hier leider aufgrund der Fülle guter Gedanken nicht alles vorgestellt werden kann, so dass die Auswahl doch sehr subjektiv erfolgen musste. Doch zunächst soll der Autor selbst zu Worte kommen, der mit Klappentext und Einleitung in gewissem Sinne viele “besprechende” Aussagen vorwegnimmt. Auch das erschwert in diesem Falle die Arbeit des Rezensenten.

Sein Vorwort beginnt Hans-Werner Kubitza mit diesen Sätzen: “Die Theologie ist eigentlich ein Kuriosum an modernen Universitäten. Während andere Fachbereiche einen klar abgegrenzten Forschungs- und Lehrbereich haben, ist bei den Theologen nicht einmal klar, ob es den zentralen Gegenstand, der ihrer Wissenschaft Theologie den Namen leiht, ob es diesen Theos überhaupt gibt. Selbst wenn der Nachweis gelänge (in den letzten 2000 Jahren hat dies leider nicht geklappt), wäre immer noch zu klären, ob es sich um den christlichen Gott oder einen der Tausend anderen Götter handelt, die irgendwo auf dieser Erde von Gläubigen verehrt werden. Gelänge aber auch dieser Nachweis und wäre es tatsächlich der christliche Gott, der existiert, bliebe immer noch die Frage, ob es die katholische oder die protestantische Variante ist.” (S. 13)

Es ist diese globale, diese universelle Weltsicht, und nur diese, die zu Antworten führen kann. Es ist gut, dass sich Kubitza seinen Thema von dieser Warte aus nähert und nicht mit christlichen Scheuklappen. Christliche Scheuklappen – das meint eine eurozentristische Weltsicht, die ein über Generationen verinnerlichtes kirchliches Erbe noch immer nicht abgeschüttelt hat

Kubitza führt dann weiter aus: Es “dürften die wenigsten wissen, was Theologen an Universitäten eigentlich machen. Womit beschäftigen sich vor allem Dogmatiker? Wie gehen sie um mit ihrem Gott, den sie nicht beweisen können, den sie dennoch aber beschreiben müssen? Wie verhalten sie sich zu einem ‘Erlöser’, der nach Ausweis ihrer neutestamentlichen Kollegen gar nicht sich selbst verkündigt hat, keine neue Religion gründen und schon gar nicht religiös verehrt werden wollte? Wie rechtfertigen sie ihre ‘konfessionelle Wissenschaft’ gegenüber den anerkannten Wissenschaften einer Universität? Wie gehen sie um mit modernen und nicht zu leugnenden Erkenntnissen über Welt und Mensch, wo diese Erkenntnisse im Widerspruch zu kirchlichen Lehren stehen?” (S. 14)

Seinen Betrachtungen hat Kubitza vorrangig jüngere Dogmatiken und Kompendien evangelischer Theologen zugrunde gelegt. Die Kapitel seines Buches folgen dabei den Bahnen der traditionellen ‘heilsgeschichtlichen’ Dogmatik.

Warum Theologie keine Wissenschaft sein kann

Im ersten Kapitel geht es um “Theologie, die gläubige Wissenschaft”. Gläubige Wissenschaft – ein Widerspruch in sich. Daher formuliert Kubitza hierzu ganz prägnant: “Die Existenz ‘Gottes’ wird einfach vorausgesetzt. Gäbe es einen allgemein nachvollziehbaren Existenznachweis, hätten uns Theologie und Kirche dies sicher längst mitgeteilt. Theologen meinen, sich das leisten zu können.” (S. 17)

Die Zwischenüberschriften in diesem Kapitel vertiefen diese Aussage und sprechen für sich: “Warum Theologie keine Wissenschaft sein kann”; “Theologie als Wissenschaft ohne Gegenstand”; “Theologie als betendes Denken”; “Theologie als kirchliche Wissenschaft”; “Die Uneinsichtigkeit theologischer Sätze”; “Beliebte Fluchtstrategien von Theologen”; “Anbiederungsstrategien der Theologie” etc.

Grandios und eine Spitzensatire zugleich ist Kubitzas Zusammenfassung: “Es ist auch im 20. und 21. Jahrhundert offenbar immer noch der Wunschtraum der Theologie, irgendwie ein direkteres Verhältnis zur Wirklichkeit, einen besseren Draht zur Wahrheit zu haben. (…) überhebliche(n) Aussagen lösen das Problem mangelnder Wissenschaftlichkeit jedoch nicht, sondern sind eher ein Beispiel dafür. Was in der Theologie geschieht, ist eben keine Überschreitung des Wissenschaftsbegriffs, sondern seine schlecht kaschierte Unterschreitung. Wie ein Hochspringer, der jubelt, weil er die Latte tatsächlich nicht gerissen hat. Aber eben nur, weil er drunter durchgelaufen ist.” (S. 35/36)

“Der Mythos von der Offenbarung” – so ist das zweite Kapitel überschrieben. Ja, die sogenannte Offenbarung bzw. die Offenbarungen sind nicht mehr als Mythen, denn so Kubitza “Tausend Religionen – Tausend Offenbarungen”! Und gerade die Offenbarung sei ein grundlegendes Scheinproblem der Theologie, aber dennoch: “Auch künftig wird also die Theologie gezwungen sein, dieses Scheinproblem weiter als echtes Problem zu behandeln.” (S. 59) Theologie sei deshalb vor allem Sprachgymnastik: “Jede Religion muss die Überlegenheit ihrer eigenen Offenbarung behaupten. Doch den Theologen kommt die undankbare Aufgabe zu, sie auch noch zu belegen. Wie spricht man aber über etwas, das es gar nicht gibt? Dies geht nicht ohne Unaufrichtigkeiten, das Verschanzen hinter Bibelversen oder die Strategie der sprachlichen Vernebelung, die Flucht ins theologische Geschwurbel.” (S. 62)