Österreich

Asyl nur mit schwuler Kleidung

Homosexualität ist für viele Menschen in muslimischen Ländern ein Grund zur Flucht. Als Asylgrund wird sie in Europa üblicherweise anerkannt. Ein österreichischer Beamter lehnte den Asylantrag eines homosexuellen Afghanen nun jedoch ab. Die Begründung: Der junge Mann entspricht nicht den stereotypen Vorstellungen des Beamten von Homosexuellen. 

Was wie der Plot eines skurrilen Fernsehstücks klingt, scheint nun Realität in Österreich geworden zu sein. Dort lehnte laut der Zeitschrift Falter ein Beamter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) in Wiener Neustadt den Asylantrag eines jungen Afghanen mit haarsträubenden Erklärungen ab. Der junge Mann war nach Österreich geflüchtet und suchte um Asyl an, da er in Afghanistan wegen seiner Homosexualität verfolgt wird. Da es keinen Test auf Sexualität gibt, brachte der Beamte alle Klischees auf, um den Antrag abzulehnen. Der Falter veröffentlichte in einem Beitrag von Nina Horaczek Auszüge aus dem Ablehnungs-Bescheid.

In der Ablehnung des Asylgesuchs wird laut Falter erklärt, dass Kleidung, Verhalten und die Angaben des Asylsuchenden in den Antragsunterlagen zu wenig homosexuell seien. So zitiert der Falter aus der Ablehnung, dass der Beamte Gang, Gehabe und Kleidung als nicht auf Homosexualität hindeutend einstufe. Ein weiterer Punkt seien auch Streitigkeiten und Aggressionen mit Zimmergenossen im SOS-Kinderdorf, in welchem der Asylsuchende lebte. Für den Beamten war klar, dass Homosexuelle kein solches Aggressionspotential aufweisen könnten. Dass der Afghane in seinem Antrag schrieb, er sei gern allein oder in kleinen Gruppen unterwegs, schien dem Beamten ebenfalls nicht recht zur Homosexualität zu passen. Schließlich seien homosexuelle Personen doch eher gesellig.

Als wäre das nicht schon genug, wurde auch noch versucht, die Sexualität selbst mittels Klischees zu bewerten. So habe der Afghane angegeben, auch heterosexuelle Jungen geküsst zu haben. Für den Beamten war das undenkbar. Hätte doch jeder nicht ebenfalls homosexuelle Junge den Kuss mit Prügel vergolten. Ebensowenig glaubt der Beamte, dass der Asylsuchende bereits mit 12 Jahren von seiner Anziehung durch Menschen gleichen Geschlechts gewusst habe. Besonders in der wenig sexuellen afghanischen Gesellschaft sei es unglaubwürdig, bereits so früh sexualisiert zu sein.

Damit fährt der Beamte nicht nur jedes hollywoodreife Klischee über Homosexualität auf, sondern schiebt noch den Wunsch manch besorgter Eltern hinterher, die hoffen, ihre Sprösslinge mögen ihre Sexualität doch bitte erst entdecken, wenn sie die Teeny-Jahren weit hinter sich gelassen haben.
Mit der Realität hat dies wenig zu tun. Homo- und Bisexualität lassen sich nicht mit einem Bluttest oder einem standardisierten Asyl-Fragebogen feststellen. Auch sind sie nicht frei entschieden oder abstellbar, wenn sie im eigenen Land unter Strafe stehen. Und das ist in Afghanistan und vielen anderen Ländern der Welt noch immer der Fall. Homosexuelle müssen ihre Sexualität im Verborgenen ausleben und in Angst vor Entdeckung und Strafe leben. Darum hat das österreichische Verfassungsgericht 2014 entschieden, dass homosexuellen Geflüchteten eine Rückkehr in ihr ursprüngliches Heimatland nicht zuzumuten sei, wenn sie ihre Sexualität geheimhalten müssten, um nicht verfolgt zu werden.

Dass Homosexuelle in Österreich und auch Deutschland verfolgt und bestraft wurden, ist erst wenige Jahrzehnte her. Unter Diskriminierung und Vorurteilen müssen viele noch heute leiden. Wie stark allein Vorurteile noch in unserer Gesellschaft verwurzelt sind, zeigt dieses abschlägige Schreiben des Beamten, der selbst offensichtliche Widersprüche in seiner Begründung übersieht. So scheint für diesen Mitarbeiter des BFA nur homosexuell zu sein, wer als Dragqueen sein Büro betritt oder zumindest ein T-Shirt mit Regenbogenfarben trägt, einen speziellen Gang aufweist, diverse Freunde mitbringt und regelmäßig den Christopher-Street-Day im Wohnort mitorganisiert. Das gilt für ihn scheinbar auch, wenn die betroffene Person aus einem Land kommt, in welchem das Tragen von Symbolen womöglich Untersuchungen und Strafen nach sich zieht.

Es bleibt interessant zu verfolgen, welche Konsequenzen die Aufdeckungen des Falters mit sich bringen werden. Nicht nur für den jungen Afghanen, welcher wohl Einspruch gegen den BFA-Bescheid eingelegt hat, sondern auch generell. Wie wird in Zukunft bei Verfolgung wegen z. B. Sexualität oder religiöser Überzeugung bzw. deren Nicht-Vorhandsein gehandelt? Es bleibt zu hoffen, dass Bescheide wie dieser öffentlich gemacht werden, damit Veränderungen eine Chance haben.