Spanien

Diktatur und Kirche brauch(t)en Frauen möglichst fügsam und ungebildet

Spanien hatte noch bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts eine Diktatur. Diese als Franquismus bezeichnete Diktatur zeichnete sich nicht nur durch mörderische Grausamkeit gegen politisch unbequeme Menschen aus, sondern auch dadurch, dass sie Hand in Hand mit der Kirche versuchte, die EinwohnerInnen möglichst fügsam und zu großen Teilen ungebildet zu halten. Für die Rolle der katholischen Kirche gibt es eine eigene Beschreibung, den Nationalkatholizismus.

Im Jahre 2005 tauchten in einem Gehöft in Cornellà (bei Barcelona) über eine Million Briefe auf, die zeigten, mit welchen perfiden Mitteln die politische Führung und die Kirche auf Menschen und hier besonders auf Frauen einwirkten. All diese Briefe waren an die fiktive "Briefkastentante" Elena Francis aus dem Radio gerichtet. Das Archiv Comarcal del Baix Llobregat ließ die Briefe sichten. 100.000 wurden erhalten, den Rest ließ es verbrennen.

Die AutorInnen Rosario Fontova Armand Balsebre untersuchten 4.325 von ihnen, geschrieben und beantwortet von einem Antwort-Team des eigens für die Figur Elena Francis gegründete Instituto Francis zwischen 1950 und 1972. Die Ergebnisse sind erschreckend und wurden als "Las cartas de Elena Francis, una educación sentimental bajo el franquismo" bei Cátedra veröffentlicht.

Die Schreiben stammten überwiegend von Frauen, oftmals unter Pseudonym geschrieben. Unter ihnen besonders viele, die im heimischen Bereich oder der Modebranche arbeiteten, da diese in der Lage waren Radio zu hören. Zunächst wurde Elena Francis von fast allen für eine reale Person gehalten. Die Frauen schrieben über die Probleme und Sorgen ihres Alltags und erhielten grundsätzlich auch dann eine Antwort, wenn ihr Anliegen nicht im Radio veröffentlicht wurde.

Die Antworten waren dazu gedacht, Frauen möglichst fügsam, duldsam und ungebildet zu halten. Einer Frau, die die Untreue ihres Gatten beklagte, wurde angeraten sich blind, taub und stumm zu stellen und dem Mann ein möglichst gutes Heim und freundliches Gesicht zu bieten. Ging es um sexuellen Missbrauch oder Vergewaltigung, wurde zensiert, das Geschehen zum Beispiel umschrieben mit "Er machte mit mir, was er wollte". Im Falle eines jungen Mädchens, welches vom Nachbarsohn schwanger geworden war, empfahl man der Mutter des Mädchens, das Kind doch abzugeben. Obwohl auch damals schon Vergewaltigung unter Strafe stand. Grundsätzlich sollten Frauen ihr Wohl in der Küche suchen und nicht nach Rechten streben.

Im Antwort-Team des Instituto Francis saß auch immer ein katholischer Amtsinhaber, der zur politischen auch die religiöse Zensur hinzufügte. Nach ihrer Einschätzung befragt, erklärte Autorin Fontova, dass die Schreiben der Frauen bisweilen dümmlich wirkten. Dies sei jedoch darin begründet, dass es gewünscht war, sie dumm zu halten. Die Struktur der einzigen Staatspartei Falange, der Kirche und des Franquismus sei darauf aufgebaut, Frauen zuhause zu halten und ihnen keine Autonomie zu geben. In der fiktiven Figur der Elena Francis sieht sie ein Werkzeug der Legitimation der Diktatur.

Nach Ende der Diktatur konnten Frauen endlich aufholen, jedoch zeigt die auch heute noch recht hohe Rate an Analphabetinnen an, wie wenig Wert auf Bildung für Mädchen und Frauen gelegt wurde.