Eine Darstellung zu den "Grauen Wölfen" – leider mit vielen Schwächen

Türkischer Rechtsextremismus

Der Journalist Thomas Rammerstorfer legt mit "Graue Wölfe. Türkische Rechtsextreme und ihr Einfluss in Deutschland und Österreich" ein Buch vor, das ein in der Rechtsextremismusforschung bislang weniger beachtetes Thema berührt. Auch wenn er grundlegende Basisinformationen vermittelt, dominieren doch viele Schwächen, fehlen doch eine klare Fragestellung und Struktur ebenso wie genauere Einschätzungen und Quellennachweise.

Rechtsextremismus in Deutschland und Österreich gibt es nicht nur bei autochthonen Deutschen und Österreichern. In den dortigen türkischstämmigen Gemeinschaften agieren schon seit Jahrzehnten auch die "Grauen Wölfe", die für einen türkischen Nationalismus eintreten und in Aleviten und Kurden besondere Feindbilder sehen. Aus der öffentlichen Aufmerksamkeit sind die Gemeinten indessen meist entschwunden, sieht man einmal von gelegentlichen Presseartikeln ab, wenn ein besonderes Ereignis einschlägige Medienberichte für kurze Zeit motiviert. Auch an aktuellen Büchern von Journalisten und Wissenschaftlern mangelt es dazu. Umso erfreulicher ist es da, dass der österreichische Journalist Thomas Rammerstorfer dazu eine Monographie vorgelegt hat. Sie versteht sich als eine Art Fortsetzung des 2012 erschienen Buchs "Grauer Wolf im Schaftspelz – Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft", woran Kemal Bozay, Thomas Schmidinger und Christian Schörkhuber sowie eben auch Rammerstorfer mitgeschrieben hatten.

Cover

Der Autor steigt in sein Thema zunächst historisch ein und geht auf die Geschichte der Türkei seit Anfang des 20. Jahrhunderts ein, wobei auch Atatürk näher behandelt und die Entstehungsgeschichte des türkischen Nationalismus beschrieben wird. Dann springt die Darstellung in die Nachkriegszeit bis in die 1980er Jahre. Dabei wird auch die Gründung und Entwicklung der "Milliyetci Hareket Partisi" ("Partei der Nationalistischen Bewegung – MHP) als parteipolitischer Träger des türkischen Nationalismus thematisiert. Deutlich macht der Autor am Rande, dass das Agieren türkischer Rechtsextremisten keineswegs von der politischen Linken in Deutschland und Österreich aufgrund einer "Multikulti-Romantik" ignoriert wurde. Erst nachdem bereits die Hälfte des Umfangs überschritten wurde, folgen Ausführungen zu den Strukturen und Verbindungen der "Grauen Wölfe". Dabei verdienen insbesondere die Darstellungen darüber Interesse, dass deren Aktivisten auch demokratische Parteien – in Deutschland die CDU, in Österreich die SPÖ – unterwandern wollten.

Dem folgend stehen deren Aktivitäten stärker im Mittelpunkt: Der Autor verweist etwa darauf, dass sich die "Grauen Wölfe" der Internet-Nutzung, der Rap-Musik und Rocker-Gruppen zur Propagierung ihrer Vorstellungen bedienen. Dann geht es noch um andere Organisation, die sich in deren Umfeld bewegen. Hierzu gehören etwa die Ableger der "Milli Görüs" ("Nationale Weltsicht")-Bewegung in Deutschland und Österreich, wobei ideologisch der Islam und der Nationalismus miteinander in Verbindung gebracht würden. Dies geschehe auch in der Türkei selbst, wo Erdogan einen politischen Rechtsruck vollzogen habe. Die Auffassungen der "Grauen Wölfe" seien dadurch politisch dominanter geworden, obwohl man selbst nicht die Regierung stelle. Und schließlich wird noch auf die Feindbilder eingegangen, sehen doch die "Grauen Wölfe" insbesondere in den Aleviten und Kurden eine Bedrohung der türkischen Nation. Es kursieren darüber hinaus Antisemitismus und Verschwörungsvorstellungen, insbesondere bei der Kommentierung Israels.

Wer eine knappe Darstellung zu den "Grauen Wölfen" mit ersten grundlegenden Informationen sucht, der ist mit der Monographie von Rammerstorfer gut beraten. Wer aber mehr will, der dürfte eher enttäuscht sein: Der Blick in die Einleitung macht deutlich, dass hier eine klare Fragestellung fehlt. Der Blick in das Inhaltsverzeichnis macht deutlich, dass hier eine klare Strukturierung fehlt. Der Blick in das Literaturverzeichnis macht deutlich, dass hier keine türkischsprachigen Titel vorkommen. Der Blick auf die Seiten macht deutlich, dass hier viele Ausführungen nicht mit Quellen belegt werden. Es gibt auch keine analytische Gesamteinschätzung der "Grauen Wölfe": Um was handelt es sich dabei eigentlich als extremistischer Akteur? Es wäre ebenfalls wünschenswert gewesen, die Akzeptanz der "Grauen Wölfe" in der türkischstämmigen Gesellschaft stärker zu thematisieren. Auch wird die Ideologie nicht systematisch thematisiert, sondern nur mal gelegentlich angesprochen. Auch von einer journalistischen Darstellung hätte man daher hier mehr erwartet.

Thomas Rammerstorfer, Graue Wölfe. Türkische Rechtsextreme und ihr Einfluss in Deutschland und Österreich, Wien 2018 (LIT-Verlag), 121 S., ISBN 978-3-643-50839-3, 19,90 Euro