Die Politik des Westens im Nahen und Mittleren Osten

BONN. (hpd) Der Journalist Michael Lüders formuliert in seinem Buch "Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet" eine heftige Kritik an der Doppelmoral und Fehlwirkung der Außenpolitik der USA im Nahen und Mittleren Osten. Bei aller Aufgeregtheit und Einseitigkeit der Darstellung kann der Autor doch eine Fülle von historischen und politischen Fakten nennen, welche die Ambivalenz und Doppelmoral westlicher Politik in der dortigen Region veranschaulichen.

Warum ist der Nahe und Mittlere Osten von Diktaturen und Unterentwicklung ebenso wie von Staatszerfall und Terrorismus geprägt? Welche Bedingungsfaktoren erklären die Kontinuität der dortigen Gewaltpotentiale und Konflikte, Krisen und Umbrüche? Auf diese Fragen haben Analytiker unterschiedliche Antworten geben, wobei manche mehr auf externe und manche mehr auf interne Ursachen verweisen. Michael Lüders, der als Nahost-Korrespondent lange für die Wochenzeitung Die Zeit schrieb und durch Fernseh-Auftritte einem größeren Publikum bekannt ist, blickt in beide Richtungen.

Gleichwohl sieht er die Hauptverantwortung in den Folgen der US-Politik in der dortigen Region. Dies macht der Titel von Lüders neuestem Buch deutlich: "Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet". Gleich zu Beginn bemerkt er: "Dieses Buch ist eine Abrechnung mit westlicher Politik, die gern für sich in Anspruch nimmt, 'werteorientiert' zu handeln, im Nahen und Mittlern Osten aber vielfach verbrannte Erde hinterlassen hat" (S. 7).

Als einen ersten "Sündenfall" behandelt der Autor den mit Hilfe des CIA durchgeführten Staatsstreich gegen den demokratisch gewählten iranischen Premierminister Mohammed Mossadegh: "Ohne Putsch 1953 keine Islamische Revolution 1979 – man kann diese Botschaft nicht deutlich genug vermitteln. Der Putsch war der Sündenfall schlechthin, und er wirkt bis heute nach, weit über den Iran hinaus" (S. 22).

Die USA bzw. der Westen seien letztendlich selbst für das Aufkommen und die Gefahren des Islamismus verantwortlich. Zusammen mit dem Bündnispartner Saudi Arabien habe Washington gar als Geburtshelfer von Al-Qaida gewirkt. Lüders erinnert in diesem Kontext an die frühe Hilfe für die "Gotteskrieger" im Kampf gegen die Rote Armee in Afghanistan, woraus letztendlich das terroristische Netzwerk entstanden sei. Darüber hinaus bemerkt er mit einem anderen historischen Rückblick: "Geschichte als Treppenwitz – das gibt es wirklich. Die US-Regierung war lange an guten Beziehungen zu den Taliban interessiert gewesen" (S. 36).

Auch für den "Islamischen Staat" der Gegenwart schuf die US-Außenpolitik für den Autor die Grundlage, was er aus einer Kette von Ereignissen deutlich machen will: Zunächst habe man Saddam Hussein unterstützt, dann zweimal gegen ihn Krieg geführt, aber ein anarchisches Machtvakuum statt einen geordneten Rechtsstaat hinterlassen. Als Folge davon konnte sich die Terror-Miliz zunächst im Irak und dann in Syrien ausbreiten.

Bei all dem setzten die USA auf eine "Heilige Allianz" mit Diktatoren und Feudalherrschern, wofür insbesondere das menschenrechtsfeindliche und reaktionäre Regime in Saudi Arabien stehe. Indessen: "Wer Al-Qaida oder den 'Islamischen Staat' erfolgreich zu bekämpfen sucht, müsste an die Wurzeln gehen und das saudische Regime unter Quarantäne stellen" (S. 86). Und schließlich formuliert Lüders noch eine heftige Kritik an der Außenpolitik Israels, schweige man doch gegenüber dem Bündnispartner des Westens häufig genug zu Kriegsverbrechen und Rassismus gegenüber den Palästinensern.

Lüders macht für die Misere des Nahen Ostens auch Unvermögen und "Unwille der jeweiligen Machthaber, andere als Klientelinteressen zu bedienen" (S. 10), verantwortlich. Damit einhergehende Gesichtspunkte findet man aber nur in wenigen Nebensätzen. Das Buch stellt demgegenüber eine einseitige wie flammende Anklage gegen die westliche Politik in der Region dar.

Der Autor kritisiert die Gut-Böse-Einstellung der USA, wobei sich diese Perspektive bei ihm selbst mit umgekehrten Vorzeichen findet. Gleichwohl kann sich seine Darstellung durchaus auf historische und politische Fakten stützen. Lüders stellt auch wichtige Fragen wie: "Gibt es eine einzige militärische Intervention des Westens, die nicht Chaos, Diktatur, neue Gewalt zur Folge gehabt hätte?" (S. 10) und beklagt ebenso zutreffend die Ambivalenz der Politik gegenüber ihren Werten. Es stören dabei aber Aufgeregtheit und Einseitigkeit, aber auch Moralismus und Oberflächlichkeit. Die Frage, warum die USA bzw. der Westen so handeln, erörtert Lüders denn auch nicht näher!

 


Michael Lüders, Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet, München 2015 (C. H. Beck-Verlag), 175 S., 14,95 Euro