Argentinien: Jungen Mädchen nach Vergewaltigung legale Abtreibung verweigert

Für weltweite Empörung sorgt aktuell der Fall eines elfjährigen Mädchens in Argentinien, dem eine Abtreibung verweigert wurde. Das Kind wurde vergewaltigt und schwanger. Obwohl auch im überwiegend katholischen Argentinien eine Abtreibung nach einer Vergewaltigung erlaubt ist, gab das Gesundheitsministerium die Order "beide Leben zu retten". Im Krankenhaus wurde diese Anweisung mittels Kaiserschnitt umgesetzt. Der Fall ist kein Einzelfall und sorgt für eine ernsthafte Debatte um den Schutz von Mädchen und Frauen und das Recht auf legalen Schwangerschaftsabbruch.

Nach Angaben der BBC wurde ein elfjähriges Mädchen vom Lebensgefährten der Großmutter, unter deren Obhut das Mädchen sich befand, vergewaltigt und schwanger. Als die Schwangerschaft in der 16. Woche durch die Mutter des Kindes bemerkt wurde, zeigte diese das Verbrechen an. Mutter und Kind entschieden sich für eine Abtreibung. Rechtliche Querelen um die Frage des Sorgerechts sorgten dafür, dass erst sieben Wochen später gehandelt wurde. Doch die Anweisung des Gesundheitsamtes von Tucumán an das behandelnde Krankenhaus "Hospital Eva Perón" lautete "alle Mittel auszuschöpfen, um beide Leben zu retten". Damit wurde nicht im Sinne des Mädchens gehandelt, sondern der Kampagnenschlachtruf einer Anti-Abtreibungsorganisation verwendet. "Las dos vidas" (in Deutsch etwa "beide Leben") soll vorgeblich das Leben der Schwangeren ebenso retten wie das des potentiell einmal entstehenden Kindes.

Im Krankenhaus wurde die Anweisung des Ministeriums mittels Kaiserschnitt umgesetzt. Anstatt eine Abtreibung vorzunehmen, wurde ein kaum lebensfähiger Fötus auf die Welt gebracht.

Ein ähnlicher Fall ereignete sich im Januar. Eine Zwölfjährige war vom Nachbarn vergewaltigt und schwanger geworden. Bemerkt wurde die Schwangerschaft in der 22. Woche. Und obwohl in Argentinien eine Schwangerschaft legal beendet werden darf, wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist oder die Schwangerschaft das Ergebnis einer Vergewaltigung ist, wurde auch bei diesem Mädchen die ersehnte Abtreibung nicht vorgenommen. Dabei beriefen sich die Behörden auf die bereits weit fortgeschrittene Schwangerschaft, bei der laut Regional-Gesetz kein Abbruch mehr durchgeführt werden dürfe und die Gefahren für das Mädchen im Falle einer Abtreibung. Auch hier wurde ein Kaiserschnitt durchgeführt. Der dabei entnommene Fötus starb wenige Tage später.

In Argentinien sind noch etwa 66 Prozent der Bevölkerung katholisch, viele von ihnen lehnen Schwangerschaftsabbrüche mit Berufung auf ihre Religion ab. Nicht anders sieht es bei medizinischem Personal aus. ÄrztInnen verweigern aus Gewissensgründen auch nach argentinischem Gesetz legale Abtreibungen, die verzweifelten Frauen das Leben retten könnten.

Im Jahre 2018 scheiterte ein Entwurf eines Gesetzes zum legalen und medizinisch sicheren Schwangerschaftsabbruch im Senat. Danach hätten Frauen bis zur 14. Woche sicher und legal abtreiben können. Nach Vergewaltigung oder zum Beispiel bei Gesundheitsgefahren für die Schwangeren auch länger. Während die Abgeordneten sich mit knappen vier Stimmen Mehrheit für das neue Gesetz aussprachen, stimmten nur 31 Senatoren dafür. 38 stimmten dagegen, zwei enthielten sich und einer war abwesend.

Dadurch sind nicht nur die Leben und die Gesundheit von Frauen in Gefahr, die aus Alternativlosigkeit illegal unter unhygienischen Bedingungen abtreiben.

Auch Kinder, die durch die Brutalität Erwachsener in eine Notlage geraten sind, werden im Stich gelassen. Schauen wir uns die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche der letzten Dekaden und ihren Umgang mit ihnen an, ist diese Doppelmoral durchaus verständlich. Während kleine Mädchen weder vor sexuellen Übergriffen noch deren Folgen geschützt werden und ungewollt Schwangere auf Küchentischen verbluten, wird das himmelblaue Fähnchen der vermeintlichen Lebensschützer und Abtreibungsgegnerinnen geschwenkt.

Darum fand auch die verzweifelte Bitte der Elfjährigen keine Gnade, die nach Angaben der New York Times bat: "Holt aus mir heraus, was er mir in den Bauch getan hat."

Bleibt zu hoffen, dass die aktuelle Diskussion um die Fälle der beiden Kinder zu einer Besserung der Lage für Mädchen und Frauen führt.