Kortizes Nürnberg

Von Betrug und Bühnenmagie

Die Geschichte lehrt, dass Zauberkünstler bei der Aufdeckung krimineller Taschenspielertricks eher eine Hilfe sind als prominente Physiker. Erkenntnisse wie diese vermittelte in Nürnberg eine Vortragsreihe von Kortizes, in der Bühnenmagier, Forscher und Betrugsermittler über Täuschungsprinzipien aufklärten.

Was Zauberkünstler und Betrüger eint, ist ihre Fähigkeit zur Erzeugung von Wahrnehmungsfiktionen. Ob Kunstfälscher, Hochstapler oder Trickbetrüger, sie nutzen dieselben Unvollkommenheiten unserer Wahrnehmung aus wie Zauberkünstler, um uns die Welt anders erscheinen zu lassen als sie ist. Der Unterschied zwischen Bühnenshow und Betrugsfall besteht oft nur darin, wie transparent es für uns ist, dass wir es mit geschickten Illusionen zu tun haben.

Einen Einblick in die Psychologie, Technik und Geschichte dieser – so gar nicht übernatürlichen "weißen" und "schwarzen Magie" bot von Ende Januar bis Mitte Februar die Nürnberger Vortragsreihe "Vom Reiz der Illusionen", die das Institut für populärwissenschaftlichen Diskurs Kortizes in Kooperation mit dem Planetarium und den Nürnberger Nachrichten (NN) gestaltete.

Als Moderator der Reihe konnte Kortizes den Zauberkünstler und Physiker Thomas Fraps gewinnen, der das Nürnberger Publikum bereits im Vorjahr bei "Science meets Comedy" mit seiner Mischung aus Wissenschaftsthemen und Zaubertricks begeistert hatte, wie im hpd berichtet.

Thomas Fraps, Foto: © Hansjörg Albrecht im Auftrag von kortizes.de
Thomas Fraps, Foto: © Hansjörg Albrecht im Auftrag von kortizes.de

Der Zauberkünstler als Aufklärer

Zum Auftakt der Reihe am 29. Januar stand Thomas Fraps zuerst selbst im Mittelpunkt. Umrahmt von Zaubertricks führte er in einem von NN-Redakteur Kurt Heidingsfelder geführten Expertengespräch in die Geschichte von Bühnenmagie und Betrug ein. So erläuterte Fraps Erfolgsrezepte berühmter Betrüger, etwa des Hochstaplers Gert Postel, der sich als Oberarzt der Psychiatrie ausgab, des Ex-Spiegel-Redakteurs Claas Relotius und des Kunstfälschers Wolfgang Beltracchi.

Es gehe darum, überzeugend zu wirken, glaubhafte Geschichten zu erzählen und dabei einen Schritt weiter zu gehen als jeder erwartet, so Fraps. Beltracchi etwa gewann das Vertrauen von Gutachtern durch ein altes Familienfoto, mit dem er bewies, dass ein Kunstwerk schon im Besitz der Großmutter seiner Frau gewesen ist. Wie sich später herausstellte, hatte er jedoch nicht nur das Kunstwerk, sondern auch dieses Foto gefälscht.

Besondere Aufmerksamkeit bei seinem Ritt durch die letzten Jahrhunderte widmete Fraps zudem der aufklärerischen Seite der Zauberkunst. Denn nicht nur bei der Entlarvung von Uri Geller habe mit James Randi ein Zauberkünstler eine große Rolle gespielt. Natürlich gehört es zum Geschäft, die eigenen Tricks geheim zu halten. Doch wer vorgibt, dass es sich bei ihnen um echte Magie handelt, muss damit rechnen, dass gerade andere Zauberkünstler dies als Irreführung des Publikums öffentlich widerlegen werden.

Heute sind es vor allem einige "Mentalisten", die den Unmut der Kollegen auf sich ziehen, wenn sie in Fernsehshows so auftreten, als besäßen sie tatsächlich hellseherische Fähigkeiten. Im 19. Jahrhundert waren es Spiritisten wie Henry Slade, der vorgab, mit Geistern in Kontakt zu treten, denen echter Glaube entgegengebracht wurde. Prominentes Beispiel sei der Fall des deutschen Physikers Karl Friedrich Zöllner, der 1877 in seinem Versuch, spiritistische Phänomene wissenschaftlich zu untersuchen, Slade auf den Leim ging.

Mehr Erfolg bei der Enttarnung von Slade als Scharlatan habe der Zauberkünstler John Nevil Maskelyne gehabt, so Fraps. In einem englischen Gerichtsverfahren im Jahr zuvor hatte er gezeigt, wie in den Séancen die Schiefertafeln mit der angeblichen Geisterschrift unter dem Tisch von Slade selbst geschrieben werden konnten.

Die Kultur der durchschauten Illusion

Dass jedoch nicht hinter allem beim Publikum, was wie ein Glaube an echte Magie aussieht, auch ein solcher steckt, machte beim nachfolgenden Termin der Vortragsreihe am 5. Februar 2019 der Linzer Philosophie-Professor Robert Pfaller deutlich. Das Vergnügen des Publikums an Zaubertricks bestehe gerade im Wissen, dass es das, was da vorgeführt werde, nicht wirklich geben könne. Diese Faszination am "Tun als ob" gebe es jedoch nicht nur in der Zauberkunst.

Professor Robert Pfaller, © Karin Becker  im Auftrag von kortizes.de
Professor Robert Pfaller, Foto: © Karin Becker im Auftrag von kortizes.de

Der in der Tradition psychoanalytischen Denkens stehende Pfaller sieht zahlreiche Parallelen zwischen dieser Ästhetik der "durchschauten Illusion" bei der Zauberkunst und anderen Phänomenen der Kultur, bei denen Menschen bewusst ­– wie er es nennt – gemeinsame Täuschungen praktizieren. Das "Tun als ob" sei auch Grundlage etwa der Höflichkeit und von Ritualen in der Kunst und im Sport. "Beim Fußball müssen wir auch 90 Minuten so tun, als ob es jetzt so wichtig wäre, das Runde ins Eckige zu bekommen."

Wichtig war Pfaller auch, dass solch ein gemeinschaftliches Täuschungsspiel kein Phänomen heutiger, moderner Zivilisation sei, sondern ein allgemeines menschliches. Das habe schon der Philosoph Ludwig Wittgenstein in seiner Kritik am Anthropologen James Frazer Ende der 1960er gezeigt. Frazer hatte die Kulturentwicklung beschrieben als ein Prozess, der von magischem über religiöses zu wissenschaftlichem Denken führe. Doch laut Wittgenstein seien auch Frazers Beispiele für magisches Denken bei "primitiven" Kulturen voller Anzeichen eines bewussten "So tun als ob".

Wer morgens einen Sonnenaufgangszauber durchführt, aber nachts, wenn Licht gebraucht werde, Fackeln anzünde, sei sich doch bewusst, dass die Sonne nicht durch Magie hervorzulocken ist. Solche Rituale seien vielmehr eher vergleichbar mit der psychotherapeutischen Methode des Psychodramas, die spielerisch helfe, Konflikte zu bewältigen. Ähnliches passiere, wenn wir dem Auto gut zuredeten, wenn dieses nicht anspringe.

Sorgen bereitet Pfaller, wenn solche "Tun als ob"-Rituale als unvernünftig bekämpft werden. Für ihn ist eine solche Vernunft die altkluger Kinder. Er rief stattdessen dazu auf, auch die Vernunft vor der Maßlosigkeit zu bewahren.

Aufdeckung der Kartenzinker und Manipulatoren

Weit weg von einem Konsens und gemeinschaftlichem Ritual aber sind die Betrügereien, um die es beim nächsten Termin der Reihe am 12. Februar 2019 ging, als Peps Zoller, der ehemalige Leiter des Sachgebiets Spielwesen beim Bayerischen Landeskriminalamt, über Falschspiel und Spielbetrug referierte. Der Pensionär ist immer noch der bundesweit einzige öffentlich bestellte Sachverständige für dieses Gebiet. Aus der Vielzahl der von ihm bearbeiteten Spielbetrugsfälle hatte er eine ganze Sammlung an gefälschtem Spielmaterial mitgebracht.

So zeigte er zahlreiche Arten, wie Kartenspiele gezinkt sein können. Bei manchen seien die Karten für ein gutes Solo minimal schmaler und können so beim Mischen abgetrennt werden. Auch Markierungen seien beliebt – etwa ein winziger Farbauftrag oder Auskratzungen im Muster der Kartenrückseite, die dem Falschspieler verraten, welches Blatt die Mitspieler haben. Auch während des Spiels könnten noch Markierungen angebracht werden, mit einem sogenannten Card Puncher oder noch einfacher: mit dem Fingernagel.

Zoller zeigte auch Würfel, deren Verhalten durch einen verschobenen Schwerpunkt vorhersagbar ist, und Würfel, deren Ergebnis durch Magnete unter dem Tisch manipuliert werden kann. Generell warnte er angesichts der zahlreichen Spielbetrugsmöglichkeiten davor, mit Fremden um Geld zu spielen. Schon gar nicht mit Hütchenspielern auf der Straße. Wie gut bei diesem Spiel geschummelt werden kann, konnte Zoller dem Publikum sogar selbst vorführen. Die notwendige Fingerfertigkeit hat er in der Zauberkunst gelernt, die er als Hobby betreibt.

Thomas Fraps, Peps Zoller und Denis Behr (v.l.n.r.), Foto: © Karin Becker  im Auftrag von kortizes.de
Thomas Fraps, Peps Zoller und Denis Behr (v. l. n. r.), Foto: © Karin Becker im Auftrag von kortizes.de

Unterstützt wurde Zoller an dem Abend zudem von Denis Behr, einem der weltweit besten Kartenzauberkünstler. Obwohl alle Handbewegungen von Behr für das Publikum auf die Leinwand übertragen wurden, blieb völlig unklar, wie er schaffte, was er dort darbot. Wie etwa können Karten nach etwas, das wie normales Mischen aussieht, plötzlich nach Farben und Zahlen sortiert sein? Bessere Demonstrationen, um sich die Fehlbarkeit der eigenen Wahrnehmung bewusst zu machen, gibt es wohl kaum.

Von Wissenschaft als Wurzel der Zauberkunst

Weitere Kostproben der Zauberkunst waren beim nächsten Termin der Reihe zu sehen. Mit Charme und intelligenten Überraschungseffekten zeigten der Leiter des Nürnberger Zaubertheaters "Wundermanufaktur" Stephan Kirschbaum und sein Zauberkollege Jörg Alexander etliche Tricks mit klassischen Requisiten der Bühnenmagie wie Eiern, Seilen und chinesischen Ringen.

Sie umrahmten damit Thomas Stauss' geschichtlichen Ausflug zu den Wurzeln "magischer Belustigungen" im 18. Jahrhundert, der den Abschluss der Vortragsreihe bildete. Der Schweizer Texter ist als Sammler von lehrreichem Unterhaltungsspielzeug dieser Zeit zu einem Experten für die damaligen Fortschritte in Handel, Handwerk und Wissenschaft geworden, die auch zu einer Blüte der Zauberkunst führten.

Der Autor des Buches "Frühe Spielwelten – Zur Belehrung und Unterhaltung" erzählte dem Nürnberger Publikum dabei vor allem von der herausragenden Rolle ihrer eigenen Stadt bei dieser Entwicklung. So ging es etwa um den legendären Handelspionier Georg Hieronimus Bestelmeier, der um 1800 in Nürnberg als weltweit einziger einen illustrierten Versandkatalog für Spielwaren herausgab, und um Johann Conrad Gütle, den Mechanikus, Schausteller und wissenschaftlichen Tausendsassa, der zahlreiche der von Bestelmeier verkauften Taschenspieler-Apparate herstellte.

Stauss stellte auch einzelne Objekte vor, deren Bau und Funktion bekannt sind: den klugen Schwan, der per Magnetismus gesteuert zu einem von mehreren Holzbehältern mit Zettelchen steuert und damit Fragen beantwortet oder auch Elektrisiergeräte, die für die Vorführung des "Elektrischen Kusses" benutzt wurden – damals der neueste Schrei und Ursprung der auch heute noch gebräuchlichen Redewendung vom "Funken, der überspringt".

Thomas Fraps, Jörg Alexander, Thomas Stauss und Stephan Kirschbaum, Foto: © Karin Becker  im Auftrag von kortizes.de
Thomas Fraps, Jörg Alexander, Thomas Stauss und Stephan Kirschbaum, Foto: © Karin Becker im Auftrag von kortizes.de

Die nächste Veranstaltung des Nürnberger Instituts für populärwissenschaftlichen Diskurs Kortizes ist das jährlich stattfindende Symposium am nächsten Wochenende (12.–14. April 2019). Übergreifendes Thema der 13 Vorträge prominenter Forscherinnen und Forscher: Hirn im Glück – Freude, Liebe, Hoffnung im Spiegel der Neurowissenschaft.
Karten: 170 Euro (ermäßigt 130 Euro).

Die Vortragsreihe Vom Reiz des Übersinnlichen behandelt an vier Dienstag-Abenden ab dem 25. Juni dann das Thema "Verschwörungstheorien" aus unterschiedlichen Perspektiven.

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