Frankreich kippt Homöopathie-Erstattung

Schluss mit dem süßen Nichts aus der Solidarkasse: Wie die französische Regierung jetzt bekannt gab, kippt das Land die Erstattung von homöopathischen Mitteln durch die Krankenversicherung. Während die Krankenkassen derzeit noch 30 Prozent der Kosten übernehmen, sinkt der erstattete Anteil ab Anfang nächsten Jahres auf 15 Prozent, 2021 ist dann ganz Schluss mit den Globuli als Kassenleistung. Wer weiterhin nicht auf die umstrittenen Mittel verzichten möchte, muss sie aus eigener Tasche bezahlen.

Frankreichs Gesundheitsministerin, die Ärztin Agnès Buzyn, verwies dazu im Interview mit der Zeitung Le Parisien auf eine Empfehlung der Obersten Gesundheitsbehörde des Landes (Haute Autorité de Santé, HAS). Diese war in einem Ende Juni veröffentlichten Bericht zu dem Schluss gekommen, dass es aus wissenschaftlicher Sicht keine Belege für die Wirksamkeit der Homöopathie gebe. Deshalb sei eine Erstattung durch die Krankenkassen nicht zu rechtfertigen. Nach eigenen Angaben hatte die Behörde fast 1200 homöopathische Medikamente untersucht und über 1000 Studien ausgewertet.

Bereits im Frühjahr 2018 hatte in Frankreich die Debatte um die Homöopathie für Aufsehen gesorgt. Auch im akademischen Bereich verlor die Zuckerkügelchen-Fraktion zuletzt an Rückhalt. Nachdem im März 2018 eine Gruppe von 124 Ärzten in einem Beitrag der Zeitung Le Figaro den Ausschluss von Homöopathie und anderen esoterischen Methoden aus der Medizin gefordert hatten, kündigte im Herbst die Universität Lille an, den Diplomkurs Homöopathie 2018/19 abzusetzen. "Es gibt keine Studie, die die Wirksamkeit nachweisen konnte – abgesehen von ihrem Placeboeffekt", erklärte dazu Didier Gosset, Dekan der medizinischen Fakultät.

Die aktuelle Entscheidung kann als Fortsetzung der französischen Gesundheitspolitik in Sachen Homöopathie gewertet werden. Noch vor einigen Jahren übernahmen die Krankenkassen 65 Prozent der Kosten. Nach Angaben des Branchenverbands Echamp erzielte die Homöopathie zuletzt Umsätze in Höhe von 1,3 Millionen Euro, das entspricht 33 Prozent der Umsätze in ganz Europa. Damit sind die Franzosen Europas Spitzenreiter im Kügelchenschlucken, gefolgt von den Deutschen mit 27 Prozent. Wie ein Homöopathie-Markt ohne Kassenerstattung aussehen kann, zeigt das Beispiel Großbritannien. Dort müssen die Kunden seit zwei Jahren die Mittel komplett aus eigener Tasche zahlen, seitdem ist der Markt eingebrochen.

Kritik kam von Xavier Bertrand, Präsident der Region Hauts-de-France, sowie dem Bürgermeister von Lyon, Gérard Collomb. Beide hatten sich für eine Beibehaltung der bisherigen Erstattungspraxis ausgesprochen, wobei Bertrand neben einer Einschränkung der Wahlfreiheit vor allem negative Auswirkungen auf die Kaufkraft der Bürger befürchtet. Sowohl in Lyon als auch in der Region Hauts-de-France befinden sich bedeutende Standorte des Unternehmens Boiron, nach eigenen Angaben weltgrößter Hersteller von homöopathischen Mitteln. Boiron wertet die Entscheidung als "unverständlich und inkohärent" und will die Entscheidung "mit allen Mitteln" bekämpfen.

Positiv wird das Signal zum Aus der Teilerstattung von wissenschaftlich orientierten Medizinern gewertet. Die Ärztin und ehemalige Homöopathin Dr. Natalie Grams, Leiterin des Informationsnetzwerk Homöopathie (INH), sagte dazu: "Wir vom INH begrüßen die Entscheidung in Frankreich außerordentlich und wünschen uns in Deutschland einen ähnlichen Schritt." Und weiter: "Es kann nicht sein, dass das Geld der Solidargemeinschaft für Homöopathie ausgegeben wird, die eine pseudomedizinische Methode ist und den soliden Wirknachweis schuldig bleibt. Mehr noch, wir treten auch für eine Entlassung aus der Apothekenpflicht und die Aberkennung des Status eines Arzneimittels ein." Eine Einschränkung der Wahlfreiheit, wie sie Regionalpräsident Bertrand befürchtet? Keineswegs, erklärt Grams: "Wer Homöopathie für sich selbst anwenden möchte, kann dies natürlich gerne weiterhin tun – auf eigene Verantwortung und Kosten."


Das Beispiel aus Frankreich könnte auch auf Deutschland Auswirkungen haben: Kassenärzte gegen Homöopathie – "Bitte nicht auf Kosten der Solidargemeinschaft" (Spiegel-Online, 11.07.2019, 09:08 Uhr)