Rezension

Islamkritik oder Islamfeindschaft – eine verstolperte Analyse

Der Religionswissenschaftler Christian Röther will in "Islamismus von außen. Religionswissenschaftliche Analyse der islamkritischen Szene in Deutschland" das im Titel genannte Phänomen darstellen und untersuchen. Da er dabei aber mit einem sehr pauschalen Begriff von "Islamkritik" arbeitet, werden Einstellungen einander zugeordnet, die nicht zusammengehören.

Es gibt nicht nur in Deutschland eine ausgeprägte Muslimenfeindlichkeit. Einschlägige Akteure schreiben Bücher, führen Demonstrationen durch, tummeln sich auf Internetseiten oder kandidieren für Parteien. Sie selbst bezeichnen sich aber nur als "Islamkritiker", eine Formulierung, die auch der Religionswissenschaftler Christian Röther für die gemeinte Szene übernommen hat. Er will deren Aussagen, Hintergründe, Mittel und Zielsetzungen nachgehen.

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Dieser Anspruch wurde von ihm in seiner Dissertation formuliert, die als Buchausgabe mit dem Titel "Islamismus von außen. Religionswissenschaftliche Analyse der islamkritischen Szene in Deutschland" erschien. Der Haupttitel irritiert bereits, geht es doch im Inhalt nicht um die mit Islamismus eigentlich gemeinte politische Strömung, die eine politische Ordnung auf der Grundlage eines besonderen Islamverständnisses etablieren möchte. Auch handelt es sich nur eingeschränkt um eine religionswissenschaftliche Analyse, was bereits hier um der Vermeidung von Irritationen willen betont werden muss.

Röther geht von der Existenz einer "islamkritischen Szene" aus, welche IKS abgekürzt wird. Dabei macht er von Beginn an deutlich, dass es sich sehr wohl um ein heterogenes Phänomen handele. Es gebe nicht nur divergierende Einstellungen, sondern auch unterschiedliche Handlungs- und Organisationsformen. Um das Gemeinte zu analysieren, nimmt Röther zunächst einige Definitionen von Arbeitsbegriffen vor. Dabei gerät der Analyseansatz aber schon durcheinander, werden Begriffe wie "Islamfeindlichkeit", "Islamkritik", "Islamophobie", "Muslimenfeindlichkeit", "Muslimenkritik" oder "antimuslimischer Rassismus" nicht trennscharf genutzt. Um die Besonderheiten und Gemeinsamkeiten des untersuchten Phänomens zu ermitteln, nimmt der Autor dann eine qualitative Inhaltsanalyse von Interviews mit 15 Personen aus den unterschiedlichsten Kontexten vor. Diese sind Agnostiker und Christen, Techniker und Wirtschaftsberater, Rentner und Studenten, Menschenrechtlerinnen und Pegida-Aktivisten.

Bei deren Islamdarstellung könne man gemeinsame Stereotype ausmachen: Der Islam gelte als homogene Einheit, es wird eine Islamisierung Europas und der Welt behauptet, negative Entwicklungen führe man allein auf den Islam zurück, und es erfolge eine Gleichsetzung von Islam und Nationalsozialismus. Dabei betont der Autor, "dass die 'IslamkritikerInnen' ein Islamverständnis vertreten, das dem von IslamistInnnen sehr ähnlich ist und dass sie es mit Vehemenz gegen andere Islaminterpretationen verteidigen" (S. 196). Nach Ausführungen zu einschlägigen Gruppen, Internetseiten oder Parteien geht es für Röther noch um den gesellschaftlichen Kontext, wobei er dann "bekannte Islamkritikerinnen und -kritiker" hintereinander auflistet. Und hier geraten dann wirklich die Dimensionen durcheinander, fallen doch ganz unterschiedliche Grundpositionen in die gleiche Kategorie. Da werden im gleichen Kontext Akif Pirincci, Thilo Sarrazin und Udo Ulfkotte einerseits behandelt und Seyran Ateş, Necla Kelek und Alice Schwarzer andererseits.

Der Autor betont zwar sehr wohl differenzierend, dass Ateş keineswegs islamfeindlich sei oder Schwarzer feministisch argumentiere. Gleichwohl rächt sich hier die fehlende Differenzierung in der Anlage der Untersuchung, welche weiter vorn bereits Mina Ahadi mit Pegida-Aktivisten in einen ähnlichen Zusammenhang gestellt hatte. Hier wird dann die Grundausrichtung krumm und schief, sind doch fremdenfeindliche Aversionen von menschenrechtlichen Einwänden strikt zu trennen. Zwar wird eine "vernünftige Islamkritik" (S. 66) auf einer Seite kurz erwähnt, aber nicht konzeptionell in die Untersuchung eingebaut. Dies lässt dann letztendlich doch ein pauschales und schiefes Bild entstehen. In der Einleitung hatte Röther noch klare Trennlinien benannt (vgl. S. 58), sich dann aber selbst nicht mehr daran gehalten. Damit wirkt die informative Arbeit an entscheidenden Stellen auch "verstolpert". Berechtigt weist der Autor aber darauf hin, dass Islamisten und Muslimenfeinde häufig ein identisches Islambild haben, nur mit jeweils unterschiedlichen Vorzeichen.

Christian Röther, Islamismus von außen. Religionswissenschaftliche Analyse der islamkritischen Szene in Deutschland, Baden-Baden 2019 (Ergon-Verlag), 395 S., 68,00 Euro