Gefährlicher Aberglaube

Der Aberglaube ist das größte geistige Übel unserer Zeit. Er vergiftet das Bewusstsein vieler Menschen, die dadurch leicht beeinflussbar oder manipulierbar sind. Außerdem sind Abergläubische oft autoritätsgläubig und entwickeln ein verschobenes Weltbild, das den Blick auf die Realität verstellt. Nach meinen Erfahrungen sind sie überdurchschnittlich anfällig für Fake News und Verschwörungstheorien.

Dass der Aberglaube auch heute noch weit verbreitet ist, überrascht und verstört auf den ersten Blick. Bildung, Information und Wissen haben die Welt in den letzten Jahrhunderten recht präzis kartographiert. Auch Geisteswissenschaften wie Psychologie, Philosophie und Soziologie schlüsselten Phänomene auf, die früher unerklärlich waren.

Ursache für Wohlstand und Entwicklung war die rasante geistige, wissenschaftliche und technische Entwicklung. Alles, was unser Leben angenehm und sicher macht, verdanken wir dem Drang "aufgeklärter Menschen", die Welt mit nüchternem Blick zu erforschen und zu ergründen.

Deshalb leben wir heute gesünder und länger. Deshalb funktionieren Nahrungsmittel- und Warenproduktion und deren Verteilung, deshalb haben wir viel Freizeit, die wir auf vielfältige Weise (Kultur, Vergnügen, Sport) gestalten und genießen können.

Aberglaube nimmt zu

Trotzdem sprießt der Aberglaube munter weiter, wie eine neue Umfrage in Österreich zeigt (in der Schweiz dürften die Zahlen ähnlich hoch sein). Demnach glaubt mehr als ein Viertel der 1.000 vom Linzer Meinungsforschungsinstitut Spectra befragten Personen an übersinnliche Phänomene wie Gedankenübertragung, Wunderheilungen und übersinnliche Wahrnehmungen. Oder an Hellseherei, Telepathie.

Erschreckend ist vor allem, dass die Werte gegenüber der letzten Befragung zugenommen haben. Da läuft etwas gründlich schief.

Beim Hellsehen sind die Leute leicht skeptischer. Trotzdem glauben noch 19 Prozent an diese übersinnliche Disziplin. Bei der Magie sind es immerhin noch 17 Prozent, bei der Wiedergeburt 16 und bei der Kontaktaufnahme mit Verstorbenen (Jenseitskontakte) 15.

Erstaunlich ist, dass nur 6 Prozent an die Wirkung der Teufelsaustreibung, also den Exorzismus, glauben. Denn die katholische Kirche betreibt dieses schauerliche Ritual recht häufig. Auch heute noch bildet sie laufend neue Exorzisten aus.

Was also 94 Prozent der Befragten als nicht glaubwürdig betrachten, praktiziert die weltweit größte christliche Kirche. Dass es ihr viele Freikirchen gleichtun, macht die Sache nicht besser.

Misstrauen überall

Weshalb ist der Aberglaube auch heute noch so verbreitet? Einerseits verdanken wir ihn der Esoterikszene, die die Existenz von Geistwesen, Kobolden, Elfen, Einhörnern verkündet und felsenfest an die Wiedergeburt und die Anwesenheit von Verstorbenen glaubt. Oder an die gefährliche Lichtnahrung und das Channeling, bei dem angeblich medial begabte und hellsichtige Medien vermeintlich Kontakt mit Geistwesen in den höheren Sphären des Universums aufnehmen können.

Der aufflammende Aberglaube hat aber auch mit dem wachsenden Misstrauen gegenüber den Wissenschaften und der komplexen Realität in der modernen Welt zu tun. Es ist schwer, sich heute zurecht zu finden und den Durchblick zu behalten, vor allem auch in der Wirtschaft und Politik.

Deshalb fallen viele auf Populisten wie Trump, Salvini, Bolsonaro, Johnson usw. herein. Diese verkünden ein einfaches Weltbild und vermeintlich einfache Lösungen, wie beispielsweise die Klimalüge und andere Fake News. Und somit eine neue Art des Aberglaubens.

Diese Form des Irrglaubens ist brandgefährlich. Sie kann die Welt in den Abgrund führen.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.