Brasilien

Wunderheiler missbrauchte Hunderte Anhängerinnen

Millionen haben ihn verehrt, Hunderttausende setzten große Hoffnungen in ihn, doch nun ist der "Engel" gefallen. Endlich, ist man geneigt zu sagen. Endlich wurde ihm das Handwerk gelegt. Ein brasilianischer "Wunderheiler" ist zu 19 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Weitere Verfahren werden folgen.

Die Rede ist vom brasilianischen "Wunderheiler" João de Deus, wie er sich nennt. Der Johann von Gottes Gnaden. Das klingt nach christlichem Glauben, in Wirklichkeit ist er ein Esoteriker und wird vor allem von diesen Kreisen in den Himmel gehoben. Das hinderte ihn nicht daran, seine vermeintlichen Heilungen mit dem Mantra zu beschließen: "Im Namen Jesus Christus, du bist geheilt."

Gefallen ist der göttliche Johann nicht etwa, weil er als Scharlatan enttarnt worden wäre, der Hunderttausende um ihre Hoffnung auf Heilung betrogen hat, nein, er wurde aus dem Verkehr gezogen, weil er unzählige Frauen sexuell missbraucht hat.

Vor rund einer Woche wurde der 77-jährige Analphabet João de Deus, mit bürgerlichem Namen João Teixeira de Faria, in Brasilien wegen sexueller Gewalt während spirituellen Sitzungen zu 19 Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Das Gericht kam zum Schluss, dass er vier Frauen vergewaltigt hat.

Über 500 Anzeigen

Doch das ist erst der Anfang, weitere juristische Verfahren folgen. Mehr als 500 Frauen haben ihn wegen sexueller Übergriffe angezeigt. Unter den Opfern befinden sich auch Schweizerinnen. Auch seine eigene Tochter Dalva hatte in einem Interview erklärt, vom Vater missbraucht worden zu sein. Was dieser umgehend bestritt.

Doch nicht genug: Gegen den "Wunderheiler" laufen auch Verfahren wegen illegalen Waffenbesitzes und Korruption. Brasilianische Medien werfen ihm auch Kinderhandel vor.

Der Frauenschänder hatte eine perfekte Fassade aufgebaut und über 50 Jahre lang Millionen getäuscht. Er tourte durch die Welt und füllte Säle mit seinen kruden Fake-Shows.

João de Deus profitierte jahrelang von seinem Nimbus als weltbekannter Heiler. Seine vielen einflussreichen Freunde machten ihn zur lebenden Legende und wirkten als Schutzschild. Der Status als internationaler Superstar machte es den gepeinigten Frauen schwer, rechtlich gegen ihn vorzugehen.

Die einflussreiche US-Talkmasterin Oprah Winfrey besuchte ihn 2013 und drehte eine Folge ihrer Show "Oprah’s Next Chapter" über ihn. Auch eine Urkunde mit dem Dank des Dalai Lama prangt an der Wand des Zentrums, begleitet von einem Dankesschreiben des vorletzten Präsidenten von Peru. Neben dem früheren US-Präsidenten Clinton, Trumps Schwiegersohn Jared Kushner sowie den Schauspielerinnen Shirley McLane und Janet Leigh gehören auch hohe Politiker, Professoren, Richter, Unternehmer, Bischöfe und Würdenträger anderer Religionen zu den Fans des Wunderheilers.

Vor lauter Verblendung ist keiner dieser erfolgreichen und gebildeten Menschen auf die Idee gekommen, sich ein paar Fragen zu João de Deus' Wirken und den Operations- und Heilmethoden zu stellen. Ein Beweis, wie Aberglaube und magisches Denken die Menschheit immer noch beherrschen.

Monatlich pilgerten bis zu 10.000 Kranke zum "Wunderheiler"

Der Heiler empfing in seinem großen geistlichen Zentrum Casa Dom Inacio in Abadiânia bis zu 10.000 Anhänger und Patienten pro Monat. Er nährte selbst bei Krebspatienten im Endstadium die Hoffnung, er könne sie heilen.

Dabei ging es oft blutig zu und her. So drang er beispielsweise mit einer "chirurgischen Schere", wie er das Instrument nennt, durch die Nase tief in den Schädel, und zaubert blutige Gewebefetzen hervor, quasi den Tumor. Oder er öffnete mit einem Skalpell vermeintlich den Bauchraum. Auf den Videos sind aber lediglich kleine Schnitte in die Fettschicht zu sehen. Bei den teilweise martialischen "Operationen" wendet er vermutlich Hypnosetechniken an, damit die Leute keine Schmerzen spüren.

Herzoperation per Geistheilung, Foto: @ www.psiram.com
Herzoperation per Geistheilung, Foto: @ www.psiram.com

Der große deutsche Esoterik-Anbieter Earth Oasis, der regelmässig Gruppenreisen zum "Wunderheiler" organisierte, dürfte geschockt sein. Die Umsätze werden wohl einbrechen und manche Kunden rückblickend genervt sein. Denn Earth Oasis lockte die Esoteriker mit blumigen Zuschreibungen auf eine Reise nach Brasilien.

"Vielleicht ist João de Deus gerade deshalb zum bedeutsamsten Heiler unserer Tage geworden, weil er in Demut sein Tun in Gottes Hände legt. (…) Ruhm und Bewunderung haben sein Leben nicht verändert – João ist weiter der demütige liebevolle Mensch, standhaft und unermüdlich in seiner Mission der Heilung."

In einem herben Kontrast zu diesem Geschwurbel steht seine Selbsteinschätzung, bezeichnete er sich doch als das berühmteste Volltrance-Medium. Wieso nur kommt einem da Uriella selig in den Sinn?

João de Deus behauptet nach esoterischer Lesart, 36 Geistwesen würden bei den Heilungen durch ihn sprechen und wirken, während er in Trance sei. Unter ihnen Ignazius von Loyola, Franz von Assisi und König Salomon.

Eigentlich hätten bei dieser Behauptung die Alarmglocken der Patienten läuten müssen. Er nennt denn auch die Behandlungen "spirituelle Operationen". Eine Wortschöpfung, die ebenfalls Fluchtreaktionen hätte auslösen müssen.

Beim ersten Schweizer Besuch generierte der "Heiler" eine Million Umsatz

Bei seinem ersten Besuch in der Schweiz in Winterthur im Juli 2012 strömten in drei Tagen gegen 10.000 Esoteriker und Anhänger der Alternativmedizin in die Eulachhalle. Unter ihnen viele Schwerkranke. Der Eintritt kostete 167 Franken. Der Umsatz lag bei weit über einer Million.

Die Besucher warteten stundenlang in der Schlange, um endlich eine Kurzbehandlung zu bekommen. Manchen riet er, nach Brasilien zu kommen, weil er in der Schweiz keine "Operationen" durchführen dürfe.

Viele Besucher waren hinterher wegen der Warterei frustriert, wie sie mir draußen sagten. Denn als Journalist bekam ich keinen Einlass. João de Deus hatte vermutlich Angst, dass ich ihn als Trickbetrüger entlarven könnte.

Wäre da noch die Frage, wie die "Operationen" funktionieren, die Patienten "mit eigenen Augen" gesehen haben? Diese "spirituellen Methoden" sind schon alt und werden von Hunderten Geistheilern, vor allem auch auf den Philippinen, ausgeführt. Dabei handelt es sich schlicht um Taschenspielertricks. Wie Untersuchungen zeigten, hantieren die Heiler dabei mit tierischem Blut und Gewebe.

Übernahme von watson.ch.

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