Ein Sammelband

Zur Zukunft der Demokratie

Der von Jochen Dahm, Frank Decker und Thomas Hartmann herausgegebene Sammelband "Die Zukunft der Demokratie. Erkämpft. Verteidigt. Gefährdet?" enthält zahlreiche Aufsätze verschiedener Sozialwissenschaftler zum Thema. Herausgekommen ist dabei ein Sammelband zu unterschiedlichen Fragestellungen, die alle die Entwicklung der Demokratie thematisieren, dabei aber auch nach Erneuerungspotentialen schauen.

Wenn die Demokratie in der Krise ist, dann muss eine Reflexion über ihr Selbstverständnis erfolgen. Dazu organisierte die Friedrich-Ebert-Stiftung eine Ringvorlesung an der Universität Bonn, wo zahlreiche Politikwissenschaftler und Soziologen während des Wintersemesters 2018/2019 eine Vorlesung hielten.

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Aus deren Aufsatzfassungen heraus entstand der Sammelband "Die Zukunft der Demokratie. Erkämpft. Verteidigt. Gefährdet", herausgegeben von Jochen Dahm und Thomas Hartmann, beides Mitarbeiter der Akademie für Soziale Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, und Frank Decker, der Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bonn ist. In ihrer gemeinsamen Einleitung skizzieren die Herausgeber die vier besonderen Herausforderungen: Globalisierung und kleiner werdende Handlungsspielräume, soziale und wirtschaftliche Ungleichheit, Schattenseiten der Digitalisierung sowie Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit.

Indessen behandeln die Autoren nicht jeweils eines dieser Themenfelder, sie setzen sich eigene Schwerpunkte:

Manfred G. Schmidt geht auf Strukturprobleme der Demokratie ein. Dass Demokratie eigentlich immer auch von Krisen geprägt war, betont Anja Kruke. Gesine Schwan hebt die Bedeutung von Grundwerten für die Demokratie hervor. Auf die gesellschaftliche Spaltung blicken Christian Krell und Sönke Hollenberg. Albrecht von Lucke erörtert den Niedergang der SPD. Organisationsfragen zwischen Bewegung und Partei thematisiert Jasmin Siri. Colin Crouch blickt auf die Entwicklung der "Postdemokratie" nach der Krise. Das Spannungsverhältnis von nationaler Demokratie und europäischer Wirtschaftsregierung wird von Dominika Biegon erörtert. Friedrich Beck fragt danach, wie es um das Verhältnis von Demokratie und Kapitalismus angesichts der deutschen Finanzmarktpolitik steht. Wie viel Elite eine Demokratie verträgt, wird von Grit Strassenberger gefragt. Lea Elsässer, Svenja Hense und Armin Schäfer betrachten die Entscheidungen des deutschen Bundestages hinsichtlich der Entwicklung von sozialer Ungleichheit.

Inwieweit die Versprechen pluraler Demokratie vor dem Hintergrund einer Migrationsgesellschaft angegangen wurden, thematisiert Naika Foroutan. Demgegenüber betrachten Elisa Gutsche, Irina Mohr und Franziska Richter die besondere ostdeutschen Situation. Welche demokratie- und sozialpolitischen Einstellungen denn SPD-Sympathisanten haben, arbeiten Volker Best, Sandra Fischer und Anne Kuppers auf. Timo Lochhoki fragt danach, wie eine solidarische Bürgergesellschaft mit einem starken Staat konform gehen kann. Ob Expertenkommissionen die Demokratie weiterbringen, erörtern Fedor Ruhose und Hans-Jörg Schmedes. Frank Decker diskutiert, ob indirekte Demokratie ein Mehr von Demokratie bringt. Das Verhältnis von politischer Demokratie und Wirtschaftsdemokratie wird von Lisa Herzog erörtert. Ulrick Guerot will begründen, warum Europa eine Republik werden muss. Die internationalen Reflexionen auf die Krisen der Demokratie reflektiert Brigitte Weiffen. Und Claus Leggewie fragt noch, wie man Autokraten loswird.

Die angesprochenen Themen der einzelnen Beiträge machen deutlich, dass man es hier mit einem interessanten Lesebuch zu Problemen der Demokratie zu tun hat. Die meisten Beiträge stammen von ausgewiesenen Kennern der Materie. Empirische Analysen wechseln sich mit theoretischen Reflexionen ab. Insofern gibt es auch eine multimethodische Ausrichtung. Dies alles macht aus dem Band einen erkenntnisreichen Lesestoff. Kritische Anmerkungen können sich allenfalls darauf beziehen, was aus welchen Gründen auch immer fehlt.

Die meisten Autoren schreiben aus einer sozialdemokratischen Denkperspektive, was bei den Herausgebern und Veranstaltern nicht verwundert. Interessant wäre aber auch, welche Denkperspektive von grünen oder konservativen Demokratien eingenommen wird. Dann kommt auch dem Aspekt der Demokratiegefährdung durch Extremisten und Populisten viel zu wenig Relevanz zu. Und schließlich wird zwar die Digitalisierung in der Einleitung genannt, hätte aber größeres Interesse im Sammelband verdient.

Thomas Hartmann/Jochen Dahm/Frank Decker (Hrsg.), Die Zukunft der Demokratie. Erkämpft. Verteidigt. Gefährdet?, Bonn 2019 (J. W. Dietz-Verlag), 314 S., 18,00 Euro

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