Das Leben ist heilig, verkünden die Religionen. Der Hauptgrund aus Sicht der Geistlichen: Alles Leben stammt von Gott. Doch der moderne Mensch glaubt an Biologie und Medizin und nicht an religiöse Dogmen.
Dieses zentrale Dogma der monotheistischen Religionen hat weitreichende Konsequenzen. Es besagt, dass niemand das Leben antasten oder sich in die Entstehung oder das Ende des Lebens einmischen darf.
Früher war dies eine Selbstverständlichkeit. Es fehlten die technischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten, um Gott ins Handwerk zu pfuschen. Die Wende kam mit der Produktion von Kondomen. Plötzlich hatten Paare die Möglichkeit, Sex zu genießen, ohne Angst vor einer Schwangerschaft zu haben.
Keine Freude an der neuen Freiheit hatte die katholische Kirche. Sie erklärte den Gebrauch von Präservativen als Sünde. Aids hin oder her. Sex hatte dem Zeugungsakt zu dienen und nicht der Lust.
Der Geist ist willig, das Fleisch aber schwach
Bei dieser repressiven Politik spielten drei hauptsächliche Strategien und Interpretationen eine Rolle.
- Die Gläubigen sollten möglichst viele Kinder in die Welt setzen und so zum Wachstum der Kirche beitragen. Dahinter steckte also ein Missionsgedanke.
- Die Kurie interpretierte das Ausleben der Lust als Verführung des Satans. Frei nach dem biblischen Motto: Der Geist ist willig, das Fleisch aber schwach.
- Die Geistlichen erkannten schon in grauer Vorzeit, dass die Sexualität der Konkurrent oder gar der Feind des religiösen Glaubens war. Sie spürten, dass sie die Gläubigen in der Kirche erfolgreich indoktrinieren konnten, doch ihr Einfluss endete an der Schlafzimmertür.
Noch stärker in die Defensive gedrängt wurde die katholische Kirche nach der Lancierung der Verhütungspille. Der Weg zur Befriedigung der Lust war noch kürzer geworden. Also ereilte die Pille im religiösen Sinn das gleiche Schicksal wie das Kondom.
Papst Franziskus verglich Abtreibung mit einem Auftragsmord
Am schlimmsten ist für strenggläubige Christen aber die Abtreibung. Niemand darf das Leben nehmen außer Gott. Radikale Christen ermordeten denn in den USA auch mal Ärzte, die Abtreibungen vorgenommen hatten.
Auch Suizid ist ein "Eingriff ins Leben". Die katholische Kirche hat Gläubige, die sich das Leben nahmen, bis in die Neuzeit nicht auf dem Friedhof begraben lassen. Deshalb geht die Freitodbegleitung aus christlicher Sicht erst recht nicht.
Mit der Entwicklung der Gentechnik wurde die Situation für die katholische Kirche – aber auch für die Freikirchen – noch komplizierter. Die Möglichkeiten, Gott ins Handwerk zu pfuschen, erreichten eine neue Dimension.
Nicht genug: Künstliche Befruchtung und Leihmutterschaft, die es auch Homosexuellen erlaubt, Kinder großzuziehen, stürzten strenggläubige Christen noch tiefer ins Dilemma.
Es ist aber ziemlich scheinheilig, wenn die katholische Kirche und die Freikirchen den Eingriff ins Leben als Akt gegen Gottes Schöpfung betrachten. Denn wir alle – auch die Gläubigen – greifen ständig ins Leben ein. Das Zauberwort heißt Medizin. Und zur Medizin gehört auch die Chirurgie.
Wo beginnt der Wille Gottes?
Konkret: Früher starben Patienten selbst bei einfacheren Krankheiten. Eine Lungenentzündung, die sich heute mit ein paar Tabletten kurieren lässt, führte damals oft zum Tod. Aus der Sicht der Gläubigen war selbst der Tod von Kleinkindern der Wille Gottes.
Es ist denn auch kein Zufall, dass Ärzte als Götter in Weiß bezeichnet werden. Götter, die das Leben verlängern. Und damit womöglich den Willen Gottes durchkreuzen. Zumindest aus christlicher Sicht.
Der Mensch greift schon lang in den Zyklus des Lebens ein. Auch Päpste vertrauen bei Krankheiten lieber den Ärzten als Gott. Deshalb ist es höchste Zeit, vom Dogma Abstand zu nehmen, wonach Gott das Leben gibt und nimmt.
Medizin, nicht religiöse Dogmen
Der moderne Mensch glaubt an Biologie und Medizin und nicht an religiöse Dogmen. Diese sind ihm egal, wenn es um seine Sexualität, seine Gesundheit und das Ende der irdischen Existenz geht.
Aufgeklärte Menschen haben sich von gewissen sektenhaften religiösen Prinzipien emanzipiert und die Sterblichkeitsrate kräftig nach unten gedrückt, die Lebensfreude jedoch erhöht.
Übernahme mit freundlicher Genehmigung von watson.ch.
Ursprünglich und irrtümlich hieß es im Artikel, dass die Sterblickheitsrate "nach oben gedrückt" wurde. Unseren Lesern fiel auf, dass das falsch ist. Danke, die Redaktion hat das korrigiert.
11 Kommentare
Kommentare
Nora Koch am Permanenter Link
An Biologie und Medizin muss man nicht glauben.
Berg am Permanenter Link
Ist der Wille Gottes, dass seine Schöpfung vernichtet wird ?
Wann werden die Religionsgläubigen wach und hören auf, an einen solchen Gott zu glauben. Denn nach deren Glaubenslogik, ist es ja wohl Gottes Wille, dass all das geschieht. Statt sich auf das Dogma zu berufen, "seiet fruchtbar.... "vermehren sie sich unkontrolliert weiter entgegen aller Vernunft? Aber Religion schaltet Denken aus,
Topeka am Permanenter Link
Die Natur schert sich nicht um vermeidbares Leid, solange es die Fortpflanzung nicht stoert. Monstroese Mutationen, staendige Schmerzen und ueberzaehlige Individuen sind ihr egal.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Wie kann man jemanden ins Handwerk pfuschen, den es garnicht gibt, sondern, den sich die damaligen unwissenden Menschen erdacht haben aus Angst vor Ereignissen, welche sie sich nicht erklären konnten.
Axel Stier am Permanenter Link
Solange die Basis der Religion (Nächstenliebe und Vergebung) von Klerikern der Kirche (Klerikalismus) missbraucht wird, ist jede Auseinandersetzung sinnlos.
Beachte die Basis und denke an den Humanismus!
Wolfgang am Permanenter Link
Sex ist heute noch Sünde aber Kinder zu missbrauchen zählt zu den Werken des Teufels.
Martin Franck am Permanenter Link
Selbst wenn man es reinem Machtkalkül betrachtet ergibt es Sinn, sich nicht wie die Karnickel zu vermehren https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/papst-katholiken-sollen-sich-nicht-wie-karnickel-vermehren-a-1013
Katholisch zu sein bedeutet nach Meinung von Papst Franziskus nicht, sich unkontrolliert fortzupflanzen. "Manche Menschen glauben - entschuldigen Sie den Ausdruck -, dass sich gute Katholiken wie Karnickel vermehren müssen" [...] Es gelte vielmehr das Prinzip der "verantwortungsbewussten Elternschaft", denn Eltern könnten die Zahl ihrer Kinder planen. Es gebe viele von der Kirche erlaubte Methoden, darunter sei natürliche Familienplanung, bei der nach Beobachtung des Zyklus der Geschlechtsverkehr während des Eisprungs vermieden wird. Der Papst schilderte den Fall einer Frau, die er einmal getroffen habe: Sie sei mit ihrem achten Kind schwanger gewesen - nach sieben Kaiserschnitten. "Das ist verantwortungslos!", sagte er. Die Frau habe gesagt, sie vertraue auf Gott. "Aber Gott gibt dir Methoden, verantwortungsvoll zu sein", so der Papst. [...]
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/papst-katholiken-muessen-sich-nicht-wie-karnickel-vermehren-13379837.html
Die Zahl von drei Kindern pro Familie sei jene, „die Experten für den Erhalt der Bevölkerung als wichtig ansehen. Drei pro Paar, nicht wahr?“, sagte der Papst.
Die Frage ist jedoch, wie sich „natürliche“ Methoden von anderen unterscheiden? Es ist reine Willkür. Als in den 1960er Jahren die „Pille“ aufkam, gab es erste Bücher, die deren Verwendung befürworteten.
Erst 1968 legte sich die RKK mit https://de.wikipedia.org/wiki/Humanae_vitae Humanae vitae (auch bekannt als "Pillen-Enzyklika") fest.
Im Tanach gibt es genügend Stellen, in denen Kinder getötet werden: https://www.youtube.com/watch?v=DniP1veK_Qw&t=325
https://www.bibleserver.com/EU/4.Mose5%2C11-31 Num 5,11-31: "falls sie unrein und ihrem Mann untreu geworden ist: Es wird ihren Bauch anschwellen und ihre Hüften einfallen lassen"
https://www.bibleserver.com/EU/Hosea9%2C11-16 Hos 9,11-16
"Es gibt keine Geburt mehr, keine Schwangerschaft, keine Empfängnis. Selbst wenn sie ihre Kinder großziehen, mache ich sie kinderlos [...] Auch wenn sie gebären, töte ich das kostbare Gut ihres Mutterleibes"
https://www.bibleserver.com/EU/2.K%C3%B6nige15%2C16 Kön 15,16
"Er [...] ließ ihren schwangeren Frauen den Leib aufschlitzen"
https://www.bibleserver.com/EU/1.Samuel15%2C3 Sam 15,3
"Schone es nicht, sondern töte Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge"
Im NT steht zwar nichts zur Stammzellforschung. Aber die Meinung der Kirche hatte ja noch nie etwas mit Nachprüfbarkeit zu tun.
Zölibatär lebend Kleriker äußern sich zu etwas, daß sie zumindest offiziell gar nicht kennen. "Si non caste, tamen caute" wenn schon nicht keusch, dann vorsichtig. Nur ein Bruchteil der Kleriker hält den Zölibat ein. Mehr als der Bevölkerungsdurchschnitt der Priester sind homosexuell.
Schlimmer noch als Priester, die einem etwas vorgeben, ist es, daß Gläubige dies für bare Münze nehmen.
Andreas Edmüller beschrieb in seinem Buch: „Die Legende von der christlichen Moral: Warum das Christentum moralisch orientierungslos ist“, daß es gar keine christlichen Werte gibt.
Die Bibel ist widersprüchlich, daher ist jede Interpretation die sich darauf gründet willkürlich. Außerdem haben sich die Werte auch immer wieder verändert.
Das Problem der Kirche jetzt jedoch ist, daß sie sich in ihren eigenen Aussagen gefangen hat. Jeder kann einfach jede Äußerung der Kirche nachsehen. Es geht nicht mehr wie in George Orwells 1984, daß man einfach das Gegenteil behaupten kann.
Eine zunehmend erstarrte Kirche in einer sich ändernden modernen Welt. Irgendwann funktionieren auch zweitausend Jahre alte Institutionen nicht mehr.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Hallo Martin Franck, das wäre ein hoffnungsvoller Schritt in Richtung Befreiung der Menschheit
von Kirchlicher Indoktrination und ein freistellen von Kräften, für eine bessere Zukunft der Menschheit.
Paul am Permanenter Link
Wenn "Gott" der Ansicht sein sollte, dass "ihm" ins Handwerk gepfuscht wird, wäre es ihm als "Allmächtigen" doch ein leichtes, dies zu unterbinden.
Wolfgang am Permanenter Link
Sagen Sie das einmal einem Verblendeten, es wird ihm kein Licht aufgehen, denn Dummheit ist nicht heilbar.
Topeka am Permanenter Link
Im Dunkeln sieht man alles :)