Israel

Corona und die Klagemauer: Vom Massengebet zum Kussverbot

Nachdem orthodoxe Juden an der Klagemauer zunächst per Massengebet gegen das Coronavirus anzukommen versuchten, haben die obersten Rabbiner Israels nun dort von Massenveranstaltungen abgeraten. Auch auf das übliche Küssen der Klagemauer soll derzeit verzichtet werden.

Während die Corona-Krise in China Mitte Februar ihren Höhepunkt hatte und sich das neuartige Coronavirus über die ganze Welt verbreitete, organisierten orthodoxe Juden ein Massengebet an der Jerusalemer Klagemauer – einem der heiligsten Orte für gläubige Juden. Zusammen mit Dutzenden Chinesen beteten Sie gegen die Corona-Epidemie und für die chinesische Bevölkerung, wie die Times of Israel berichtet.

Dass Massengebete in Zeiten sich ausbreitender Pandemien keine gute Idee sind, sprach sich glücklicherweise auch unter religiösen Juden in Israel bald herum. Spätestens, als es eine Woche nach dem Event in Israel den ersten Corona-Fall gab. Kein Besucher des Massengebets, sondern die Passagierin eines Kreuzfahrtschiffs, dessen Quarantäne offenbar zu früh aufgehoben worden war. Inzwischen verbreitet sich das Virus in Israel ebenso unkontrolliert wie in anderen Ländern, was zu drastischen Maßnahmen seitens der israelischen Regierung führte.

Diese Maßnahmen betreffen unter anderem die Klagemauer. Maximal 10 Personen dürfen sich an dem sonst oft stark überfüllten Ort aktuell gleichzeitig aufhalten. Der aschkenasische und der sephardische Ober-Rabbiner Israels empfahlen ihren Gläubigen inzwischen, sich von der Klagemauer möglichst fernzuhalten und in der Nähe ihres Zuhauses zu beten, bis die Krise vorüberziehe und vom Himmel göttliche Gnade käme. Da sich jedoch zeigte, dass einige Gläubige nicht bereit sind, dieser Empfehlung nachzukommen, meldete sich nun auch der für die Klagemauer zuständige Rabbiner Shmuel Rabinowitz zu Wort. Er erteilte den Gläubigen die Weisung, aus hygienischen Gründen die Steine der Klagemauer nicht zu küssen, wie dies von strenggläubigen Juden oft praktiziert wird.  

Ähnlich wie im Katholizismus scheint demnach erfreulicherweise auch im orthodoxen Judentum zunehmend eher wissenschaftlichen Erkenntnissen als göttlichem Einfluss und Gebet vertraut zu werden.

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