Die Corona-Zeit könne dazu führen, dass die Gottesfrage in der Öffentlichkeit noch mehr verstumme und die Kirchen noch leerer würden, so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Bischof Georg Bätzing in seiner Pfingstpredigt. In der Zeit des Shutdowns sei die Kirche offenbar nicht als relevant wahrgenommen worden.
Der Limburger Bischof Bätzing hat sich für sein Amt als Vorsitzender der Deutschen Bischofkonferenz nicht gerade eine leichte Zeit ausgesucht. Unmittelbar nach seiner Wahl zum Vorsitzenden des gemeinsamen Gremiums der römisch-katholischen Bischöfe in Deutschland Anfang März 2020 wurde Europa von der Corona-Pandemie überrollt. Zu ihrer Bekämpfung wurde das öffentliche Leben auf ein Minimum zurückgefahren. Das galt auch für das kirchliche Leben, das jedoch – wie sich zeigte – nur wenigen Menschen zu fehlen schien.
Diese Selbsterkenntnis bildete am vergangenen Sonntag auch den Kern von Bätzings erster Pfingstpredigt seit Übernahme seines Amtes als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.
"Sind Kirche und Religion "systemrelevant"? In den Diskussionen der zurückliegenden Wochen wurde auch diese Frage gestellt. Dass die politisch Handelnden über längere Strecken bei ihren Überlegungen die Religionsgemeinschaften oft schlichtweg außen vor ließen, das hat mich nachdenklich gemacht."
Doch nicht nur von der Politik wurden die Religionsgemeinschaften zu Beginn der Pandemie in Deutschland ausnahmsweise nicht bevorzugt behandelt. Anscheinend waren religiöser Rat und Trost sogar für jene irrelevant, die die Ängste und Sorgen einer Erkrankung durchlebten.
"Wirklich beunruhigt bin ich, wenn Krankenseelsorger, von denen wir annehmen, sie seien in dieser Zeit der vielen existentiellen Nöte besonders gefordert, von sich selber sagen, sie seien aufgrund mangelnder Nachfrage doch eben nicht "systemrelevant" – nicht, weil wir nicht präsent sein wollen, sondern weil wir von vielen in der säkularen Welt offensichtlich nicht mehr als relevant wahrgenommen werden."
Bätzing zieht aus den ernüchternden Erfahrungen während der zurückliegenden drei Corona-Monate eine erstaunlich hellsichtige Bilanz:
"Die Erfahrungen dieser Corona-Zeit können durchaus die krisenhaften Phänomene beschleunigen, mit denen wir seit Jahrzehnten konfrontiert sind. Die Gottesfrage könnte in der Öffentlichkeit noch mehr verstummen und ins Private abgedrängt werden, die Gottesdienste könnten noch leerer werden, die Plausibilität des christlichen Welt- und Menschenbildes noch heftiger einbrechen. Ja, diese Krisenzeit verschärft die Zeitansage an die Kirche."
Doch natürlich wäre Bischof Bätzing kein Kirchenmann, wenn seine Predigt nicht an dieser Stelle eine Wende in den Glauben nehmen würde. Denn dass der Relevanzverlust etwas damit zu tun haben könnte, dass am Konzept des Glaubens grundsätzlich etwas problematisch sein könnte, zieht er natürlich nicht in Betracht. Stattdessen beschwört er die Gläubigen, sich der Zeitansage an die Kirche zu stellen, sie zu durchdringen und miteinander darauf zu antworten. Allerdings nicht mit "Feuer, Sturm und Tumult", nicht durch "möglichst große Menschenansammlungen und Aktionen" – ein Seitenhieb gegen Kardinal Müller und andere katholische Geistliche, die einen mit Verschwörungsmythen durchsetzten Corona-Aufruf starteten. Nein, "wer als Christ hart, unduldsam und lieblos auftritt und damit meint, die Wahrheit des Glaubens verteidigen zu können, der ist auf dem Holzweg, auch wenn er äußerlich noch so fromm daherkommt", so Bätzing. Der Geist Jesu wähle vielmehr "stets Wege, die Menschen aufrichten und zueinander führen. Er tröstet, reinigt, wärmt, löst, er heilt und gönnt Ruhe und Erfrischung."
17 Kommentare
Kommentare
A.S. am Permanenter Link
Beten hilft nicht gegen Corona.
Villeicht sagt das mal jemand dem Herrn Bätzing.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Endlich ein Bischof der die Zeichen der Zeit erkannt hat, nur leider zieht er die falschen Schlüsse daraus.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ach Gottchen, der Typ hat Sorgen; der "Geist Jesu" wählt Wege, die schnurstracks an mir vorbeiführen; da wärmt oder erfrischt rein nix.
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Bis zur Wende in seiner Predigt war er ertaunlich realistisch.
Erich am Permanenter Link
Wahrheit des Glaubens verteidigen? Das nimmt ja teuflische Formen an: Die Wahrheit verteidigen?
Klaus Bernd am Permanenter Link
Angesichts der geradezu schon peinlichen Aufrufe zu „Stopp Corona“-Gebeten kann das doch niemanden mehr verwundern, dass die Kirche als irrelevant wahrgenommen wird.
Was Corona angeht, ist der Herr aus seinem Nickerchen wohl immer noch nicht aufgewacht wie eine kurze, nicht unbedingt vollständige Chronologie der Bittgebete um ein Ende der Pandemie zeigt:
25.3. 2020: Vaterunser für das Ende der Pandemie : der Herr schläft
27.3. 2020: Sturmgebet + Urbi et Orbi ... : der Herr schläft
14.5.2020: religionsübergreifendes Gebet ... : der Herr schläft
30.5.2020: weltweiter Rosenkranz … : der Herr schläft
Wie schön schnulzig, dass auch der schlafende Geist Jesu tröstet, reinigt, wärmt, löst, heilt und Ruhe und Erfrischung gönnt.
Manfred Schleyer am Permanenter Link
Dass der "Geist Jesu" ausgerechnet an Pfingsten, dem Feiertag des Heiligen Geistes, bemüht wurde ... Glaubt auch der Bischof nicht mehr an diese Erfindung des Johannes und Paulus?
Assia Harwazinski am Permanenter Link
Glaube existiert(e) schon immer unabhängig von irgendwelchen Kirchen, doch Letztere verwalten ihn seit Jahrhunderten lukrativ und erweitern ständig ihre Handlungsspielräume - auch und gerade durch das Besetzen von sol
Thomas B. Reichert am Permanenter Link
Herr Bätzing spielt den Aberglauben nur vor, indem er abstrakt, symbolisch, allegorisch, metaphorisch ... redet - er trügt seine Mitmenschen. Und warum tut man das?
Christian Nentwig am Permanenter Link
Bätzing schwafelt von der "Plausibilität des christlichen Welt- und Menschenbildes... Wo lebt dieser Mann? Was soll an diesem "Menschenbild" denn "plausibel" sein????
Plausibel sind die von Menschen formulierten Menschenrechte.
Christian Nentwig
Götz Wilhelm Renger am Permanenter Link
Ich habe Theologen und kirchliche Repräsentanten in der COVID-19 Krise nicht nicht beachtet, sondern ich habe sie als gefährlich und bedrohlich gesehen und das auch gekennzeichnet.
Werner Helbling am Permanenter Link
Wenn Corona tatsächlich dazu beitragen würde, dass die Macht und der Einfluss dieser Religionen geschwächt würde, die Kirchen, Synagogen, Moscheen, nicht mehr genutzt würden, könnte man mit etwas Zynismus diesem Virus
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Nicht nur in diesem unserem Lande fällt so manchem Gläubigen die Irrelevanz seines Glaubens auf - auch jenseits des großen Teichs halten sich die Jammerorgien, dass dieser Corona-Kelch an uns vorübergehen möge, doch s
Wie war das doch ganz anders, als Tausende beim "prayer at the pump" um sinkende Benzinpreise gebetet haben. Vielleicht haben die Freunde im Westen aber momentan noch größere Probleme auf einer anderen Baustelle, bei der sie mit Beten auch nicht weiterkommen?
Martin Franck am Permanenter Link
Der Bischof kennt ja die Austrittszahlen https://www.ksta.de/politik/bischofskonferenz-rechnet-mit-rekord-an-austritten-36782484 , die erst im Juli veröffentlich werden.
Damit (ca. 600.000 in beiden Kirchen) wären die Austrittszahlen 2019 höher als jemals gemessen. Vielleicht schafft es diesmal die RKK, endlich zum dritten mal die EKD zu schlagen, nach 2010 mit dem Canisius-Kolleg und dem knappen Sieg 2014 durch Tebartz-van Elst. Dann hätte sich die Investition in die https://de.wikipedia.org/wiki/MHG-Studie doch gelohnt. Durch die Vorstellung am 25. September 2018 benötigten viele erst noch etwas Bedenkzeit. Manche Kirchensteuerzahler dachten noch, daß diese Studie gedacht wäre, daraus Änderungen abzuleiten, und bemerkten erst 2019 ihren Irrtum.
Schaut man sich auf https://www.kirchenaustritt.de/statistik die Zahlen an, so ist nach den Austritten, die durch die Wiedervereinigung bedingt waren, ungefähr seit dem Tief von 2006 und der zunehmenden Popularität des https://de.wikipedia.org/wiki/Neuer_Atheismus ein ständiger Trend nach oben zu erkennen.
Damit dürfte die Prognose für 2060 https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/kirchen-verlieren-bis-2060-die-haelfte-ihrer-mitglieder-studie-der-uni-freiburg-a-1265341.html noch übertroffen werden. Denn es gibt einen Schneeballeffekt. Die höchsten Austrittszahlen liegen in sowieso schon sehr säkularen Gegenden. Jetzt wurde mit https://de.wikipedia.org/wiki/Maria_2.0 aber in Münster auch die katholischen Hochburgen erreicht. Konfessionsfrei wird das neue normal.
Bei den Katholiken fehlen die Priester und bei der EKD wird die Schließung der https://de.wikipedia.org/wiki/Evangelische_Journalistenschule erwogen. Man wächst also weniger religiös geprägt auf.
Nun muß man nicht denken, daß die meisten damit auch rationaler denken würden. Man muß nur in Stuttgart auf die Cannstatter Wasen gehen und dort zu einer Hygienedemo: Eltern die ihre Kinder auf eine anthroposophische Schule schicken, und Globuli einnehmen, haben Angst vor einer neuen Weltordnung, und daß Bill Gates ihnen einen Chip einimpft. Nur können sie mit dem christlichen Narrativen wenig anfangen. Ob es gut ist, wenn Esoterik und Verschwörungstheorien der Religionsersatz wird? So sagte Richard Dawkins: „Before we rejoice at the death throes of the relatively benign Christian religion, let's not forget Hilaire Belloc's menacing rhyme: 'Always keep a-hold of nurse. For fear of finding something worse,'“
Damit ist aber Bischof Bätzing in einer Zwickmühle: Insbesondere die Religiösen glauben eher fundamental, radikal und wären von Frauen als Priester und Ehe für Alle abgeschreckt. Der Großteil der Mitglieder der RKK befindet sich außerhalb Europas, und besitzt andere Wertvorstellungen als die meisten Deutschen. Deshalb belässt man es lieber beim Status quo, als ein Schisma zu riskieren.
Man müsste also eher alles im Ungefähren lassen. Das Ewige man ist betroffen, und darf Arme und Menschen am Rande der Gesellschaft nicht vergessen, wirkt sowieso nur noch monoton und einschläfernd. Neuerdings wird deshalb versucht, den Begriff der Freiheit mit dem Christentum zu verbinden.
Nun sollen Christen durch ihr Beispiel wirken. Also mehr https://de.wikipedia.org/wiki/Gesinnungsethik zum Wohlfühlen statt anstrengende und komplizierte https://de.wikipedia.org/wiki/Verantwortungsethik . Wie Ned Flanders soll man sich fragen: What would Jesus do? Man richtet Menschen auf und führt zueinander, tröstet, wärmt, und gönnt sich Ruhe und Erfrischung. Jedoch fühlt sich nicht nur Homer Simpson davon abgestoßen.
Dabei Zweckoptimismus zu verbreiten ist keine dankbare Aufgabe.
Resnikschek Karin am Permanenter Link
1. Die Kirchen sind strukturell Übertmächtig, diskriminieren uns ("Gottlose"). 2. Klagt ein Bischof/Kirchenamtsvertreter über mangelnde Aufmerksamkeit
Kirchen zu privilegieren und hält den Klingelbeutel auf.
3. Die Kirchen sind hochgradig systemrelevant. Eine katastrophale Situation
für uns: "atheistic/nonreligios people matter" - wir Deutschen finden sonst
nie zu einer (nationalen) Identität.
Wann setzen sich die Politiker und Mitbürger dafür ein?
M. Landau am Permanenter Link
Herr Bätzings Darstellungen liefern die präzise Positionierung seines Vereins. Die Kirche driftet am Rande der Gesellschaft immer weiter von ihr ab - wohin? Nun, das weiß Gott allein – Wer sonst noch? Niemand!
Er stellt die Frage nach der Systemrelevanz der Kirche?
Wie kommt er nur darauf, dass sie das je war?
Die Kirchen haben, seit je her, das Rezept für sich in Anspruch genommen, welches Grundpfeiler der Werbung ist; Bedürfnisse zu schaffen, denn nicht die angebliche „Information“ ist der Kern der Sache, sondern das Wecken des Bedürfnisses nach dem Beworbenen. Die Methoden der Kirche waren seit je her sehr breit gefächert. Vom Heilsversprechen bis zum Scheiterhaufen, für jeden war etwas dabei. Seit je her war die Kirche nie systemrelevant, vielmehr sie hat sich der Gesellschaft, der Menschheit gewaltsam aufgezwungen um ausgiebig von ihr profitieren zu können und sie auszubeuten, bis zum Letzten und bis heute. Sie hat sich vermeintlich unentbehrlich gemacht und wer ihr in die Quere kam, wurde „zermalmt“ durch den „Zorn Gottes“, den dann ein Scharfrichter vollzogen hat.
Millionen Menschen sind im Verlauf der Kirchengeschichte durch Verfolgung massakriert worden – die Zahl 14 Mio. ist mir bekannt - wohlgemerkt sind dies die historisch belegbare Zahl direkter Opfer der Verfolgung durch die Kirche. Welchen verehrenden Schaden die Gesellschaft insgesamt daran genommen hat, wird sich, über den langen Zeitraum und die weltweite Ausdehnung, wohl nie erfassen lassen. Sehr wahrscheinlich verhält es sich wie bei den Kindesmissbräuchen und der sogenannten »Dunkelziffer«, der sogleich die Frage folgen muss: Wie viele Opfer waren es wohl insgesamt, vor allem in den endlosen Jahrhunderten, in denen die Kirche über jeden Verdacht erhaben war?
Systemrelevant sind Dinge, die dem Leben dienen, es idealerweise begünstigen, erhalten, ja sogar retten.
Die Ewiggestrigen der Kirchen haben sich längst von der Gesellschaft verabschiedet und verharren in der Blase ihres unendlichen Totenkults um eine blutiges Fake aus der Antike. Die Kirchen waren und sind lediglich für ihr eigenes System und dessen Protagonisten relevant. Für die Gesellschaft insgesamt - einschließlich jener, meist arglosen Mitläufer, die immer noch 'glauben' sie möglich machen zu müssen - sind sie eine vollkommen sinnlose Belastung ohne jede Perspektive.
Aber: der Herr Bischof bringt die Kirche ins Gespräch, und sich natürlich, und bedient damit den uralten Leitsatz der Publicity: »Es spielt keine Rolle was man über jemanden oder etwas scheibt, Hauptsache man schreibt den Namen richtig«.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Es ist ganz einfach und war schon immer so, Herr Bischof:
Tempora mutandur.