Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft

Politisch geförderte religiöse Indoktrination

Soziale Einrichtungen wie Kindergärten befinden sich oft in kirchlicher Trägerschaft. Dass eine kirchliche Trägerschaft für Kommunen attraktiver ist als der Betrieb sozialer Einrichtungen durch die Stadt oder durch andere freie Träger, ist auch Folge von gesetzlichen Regelungen, die die Kirchen begünstigen. Religiöse Indoktrination bereits im Kleinkindalter wird so staatlich gefördert und ist politisch offenbar auch gewollt, wie aktuelle Entscheidungen im westfälischen Münster zeigen.

Wie sehr sich alle größeren Parteien bei der Unterstützung kirchlicher Indoktrination einig sind, zeigte sich jüngst beispielhaft im katholisch geprägten Münster bei der Sitzung einer Stadtteil-Bezirksvertretung: Auf dem Gelände einer ehemaligen Briten-Kaserne entsteht in Münster derzeit ein riesiges neues Wohngebiet. Wie in jedem Neubaugebiet ist dort auch die Errichtung einer Kindertagesstätte vorgesehen. Zu dieser neuen Kita wurde von der Stadt der Träger ausgeschrieben, der die Kita später betreiben soll. Es bewarben sich acht verschiedene Anbieter: Eine katholische Kirchengemeinde, der ASB (Arbeiter-Samariter-Bund) und sechs freie Träger in der Rechtsform der gemeinnützigen GmbH (gGmbH). Die Stadtverwaltung Münster empfiehlt der Politik in einer Vorlage, sich für den katholischen Träger zu entscheiden. Was sind die Beweggründe?

Das Kinderbildungsgesetz ist so angelegt, dass aus rein finanziellen Gründen immer die Kirchen den Vorzug erhalten

Zum einen das Resultat aus einem Kinderbildungsgesetz, welches 2008 unter einer CDU-geführten NRW-Landesregierung in Kraft trat und welches in diesem Jahr – wieder von einer CDU-geführten Landesregierung – novelliert wurde. Die zwischendurch (2012–2017) regierende NRW-Landesregierung von SPD und Grünen hatten sich nicht zu einer Novelle durchringen können. In diesem Gesetz wird der gesetzliche Trägeranteil (also der Anteil des Trägers der Kita an den Betriebskosten) festgelegt. Wenn der Träger die Kommune ist (städtische Kita), beträgt dieser 12,5 Prozent, wenn es die Kirche ist (katholische oder evangelische Kita) 10,3 Prozent, freie Träger zahlen 7,8 Prozent und Elterninitiativen 3,4 Prozent. Da die Stadt die Differenz zwischen diesen verschiedenen Prozentsätzen ausgleichen muss, ist für sie der Eigenbetrieb am ungünstigsten, da sie dann die oben genannten 12,5 Prozent selbst zahlen muss. Von den anderen Trägern ist für sie die Wahl zugunsten der Kirchen am günstigsten, da diese – theoretisch – den höchsten Trägeranteil haben (10,3 Prozent). Mit anderen Worten: Das Kinderbildungsgesetz ist so angelegt, dass aus rein finanziellen Gründen immer die Kirchen den Vorzug erhalten, wenn die Stadt sparsam handeln möchte.

Die zweite Begründung für den empfohlenen Zuschlag zugunsten der katholischen Kirchengemeinde ist aber der eigentliche Skandal: Die Kirchengemeinde habe – im Gegensatz zu den anderen Bewerbern – bereits eine Reihe anderer Kitas, die sie betreue. Wörtlich heißt es in der Vorlage der Stadt:

"Die vorhandenen, umfassenden Vernetzungen im Stadtteil sollen zugunsten einer gemeinsamen Entwicklung des neuen 'York Quartiers' genutzt werden. (…) Mit einer Anbindung an die Kirchengemeinde können weitere Kooperationen hinsichtlich verschiedener Familienangebote entstehen. Durch eine zusätzliche Kindertageseinrichtung innerhalb der Kirchengemeinde entstehen Synergieeffekte für alle vier Standorte im Gemeindegebiet." (Mit den vier Standorten sind vier weitere katholische Kitas gemeint, daneben sind auch beide in der Nähe liegenden Grundschulen katholisch. – Der Autor)

Von klein auf im Sinne der kirchlichen Lehre indoktriniert

Jetzt könnte man fragen: Wo liegt das Problem? Nehmen die katholischen Kitas nicht auch andersgläubige oder konfessionslose Kinder auf? Antwort: Aber selbstverständlich! Allerdings werden Kitas auch als Orte der Seelsorge verstanden: "Wir glauben, dass wir Kindern etwas Gutes mit auf den Weg geben, wenn wir ihnen das Leben Jesu und christliche Werte vermitteln und sie das Kirchenjahr und seine Feste miterleben", so Kreisdechant Peter Lenfers aus Warendorf im katholischen Online-Magazin Kirche und Leben.

Und damit sich nicht allzu widerborstige und aufmüpfige Kinder andersgläubiger und konfessionsloser Eltern diese Kita aussuchen, entscheidet der Träger – also die Kirche –, wer in die Kita darf. Diese auserwählten Kinder können dann von klein auf im Sinne der kirchlichen Lehre indoktriniert werden. Übrigens: Da der oben genannte Trägeranteil von der Kirche in der Regel nur für die katholischen Kinder bezahlt wird, dürften die 10,3 Prozent doch nur ein Wunschwert sein. Am Ende bezuschusst die Stadt die katholische Kita also doch mehr als diejenigen anderer Träger, was in der Vorlage der Stadt aber nicht erwähnt wird.

Besonders bedenklich ist, dass der politische Wille zur Unterstützung religiöser Indoktrinierung im Kleinkindalter anscheinend über Parteigrenzen hinweg besteht. In der eingangs erwähnten Sitzung der Bezirksvertretung Münster-Südost vom 10. Juni 2020 protestierte allein die Vertreterin der PIRATEN gegen die Trägervergabe an die katholische Kirchengemeinde wegen der starken Kumulierung kirchlicher Einrichtungen. Die CDU sagte, sie fände das doch gerade gut, dass die Katholiken wieder eine Kita bekämen. "Das kann ich mir lebhaft vorstellen, Sie sind ja auch von der CDU", entgegnete die Piratin. In der anschließenden Abstimmung geschah dann das Unfassbare: Nicht nur CDU, sondern auch Grüne, SPD und FDP stimmten einstimmig ohne weitere Kommentare und Bedenken für die städtische Empfehlung zugunsten der kirchlichen Trägerschaft; einzig die PIRATEN-Vertreterin stimmte dagegen. Soviel zum Thema "säkulare Bewegungen in Parteien wie SPD, Grüne und FDP". Wenn es drauf ankommt, steht man treu an der Seite der Kirchen.

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