In eigener Sache

Offener Brief an Facebook

Die Löschpraxis von Facebook ist ein Geheimnis mit sieben Siegeln. Nicht selten bleibt eindeutige Hassrede unangetastet, während Kritik an Hassrede vom Unternehmen gelöscht wird. Mehrfach wurden auch hpd-Karikaturen von Facebook gelöscht. Nun droht das Unternehmen dem Humanistischen Pressedienst sogar, seine Seite überhaupt nicht mehr auszuliefern. Hierzu ein Offener Brief der hpd-Redaktion.

Liebes Facebook,

heute hast Du erneut eine Karikatur von uns gelöscht und uns darüber hinaus gedroht, dass die Seite des Humanistischen Pressedienstes "aufgrund wiederholter Verstöße gegen die Gemeinschaftsstandards möglicherweise nicht mehr ausgeliefert" wird.

Das finden wir nicht in Ordnung, doch leider gibst Du uns nirgendwo die Möglichkeit, mit Dir über diese Entscheidung und Deine Drohung zu diskutieren. Das finden wir sehr traurig, darum möchten wir zu Dir durch diesen offenen Brief sprechen.  

Beispielbild
Kritik am anhaltenden Problem des Kindesmissbrauchs in der katholischen Kirche in Form einer Karikatur. Von Facebook gelöscht am 17.01.2020.

Du warst mehrfach der Ansicht, dass wir mit unseren Karikaturen gegen Deine Gemeinschaftsstandards verstoßen, welche beispielsweise Hassrede oder anstößiges Verhalten verbieten. Dabei hast Du etwas ganz Entscheidendes nicht verstanden. Unsere Karikaturen sind keine Hassrede oder anstößiges Verhalten, sie kritisieren Hassrede und anstößiges Verhalten, indem sie sich satirisch damit auseinandersetzen.

Satire … oje, natürlich, damit hast Du ja bekanntlich Probleme. Und das ist durchaus verständlich. Satire wird ja manchmal schon von Menschen nicht verstanden, wie soll es da erst künstlicher Intelligenz wie Deinen Algorithmen gehen? Die erkennen zwar jeden Nippel – sogar, wenn keiner da ist – aber höhere kognitive Leistungen, damit haben sie Schwierigkeiten.

Vielleicht würde Dir und Deinen Algorithmen ein Blick in die Wikipedia weiterhelfen. Dort steht geschrieben:

"Satire ist eine Kunstform, mit der Personen, Ereignisse oder Zustände kritisiert, verspottet oder angeprangert werden. Typische Stilmittel der Satire sind die Übertreibung als Überhöhung oder die Untertreibung als bewusste Bagatellisierung bis ins Lächerliche oder Absurde."

Beispielbild
Die Karikatur überspitzt und kritisiert die jüngsten verschwörungstheoretischen Äußerungen des Kochbuchautors Attila Hildmann. Von Facebook gelöscht am 27.07.2020.

Satire ist also eine Kunstform. Und für die Kunst herrscht – Du wirst es nicht glauben – in diesem Land Freiheit. Damit auch der letzte Kunst- und Satire-Legastheniker unsere Karikaturen als solche erkennt, haben wir sie sogar extra gekennzeichnet. "Spott sei Dank" steht da dran, der Name unserer Karikaturen-Rubrik. 

Also sei bitte so gut, und denk noch einmal über Deine Löschpraxis, über Deine Drohgebärden und die Unmöglichkeit des Widerspruchs nach, ja? Dein Kumpel Twitter hatte mit unseren Karikaturen übrigens noch nie Probleme. Entweder sind die dort schlauer oder ihre Algorithmen funktionieren einfach besser. Das mit den Fake-News von Trump kriegen sie da ja auch besser hin als Du.

Sollten sich Deine Verstöße gegen die Kunstfreiheit wiederholen, könnte es übrigens sein, dass Du mehr und mehr in der Versenkung verschwindest. Ein wohlmeinender Rat von echten Menschen für Deine Algorithmen.

Auszug aus den Facebook-Gemeinschaftsstandards:
"Ziel unserer Gemeinschaftsstandards ist es schon immer gewesen, einen Ort zu schaffen, an dem Menschen sich und ihre Meinung frei ausdrücken können. Das hat sich nicht geändert und wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Um Gemeinschaften bilden und die Welt näher zusammenbringen zu können, müssen Menschen ihre unterschiedlichen Ansichten, Erfahrungen, Ideen und Informationen frei auszutauschen können. Wir möchten, dass die Nutzerinnen und Nutzer offen über die Themen sprechen können, die ihnen wichtig sind. Das gilt auch dann, wenn einige Personen möglicherweise unterschiedlicher Meinung sind oder Inhalte anstößig finden. In einigen Fällen lassen wir Inhalte zu, die andernfalls gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstoßen würden – nämlich dann, wenn diese Inhalte berichtenswert sind und ihre Veröffentlichung im öffentlichen Interesse liegt. Dies geschieht allerdings erst, nachdem wir das öffentliche Interesse gegen das Schadensrisiko abgewogen haben. Außerdem berücksichtigen wir bei diesen Beurteilungen internationale Menschenrechtsstandards."

Unterstützen Sie uns bei Steady!