Die Landesregierung in Baden-Württemberg hat ein generelles Verbot der Vollverschleierung an Schulen im Land verhängt. Auch wenn es nur wenige Einzelfälle geben könnte, herrscht damit nun Rechtssicherheit in der Streitfrage. Allerdings gilt die neue Gesetzeslage nur für staatliche Schulen.
Nachdem die rheinland-pfälzische Landesregierung unter Führung der SPD vor wenigen Wochen ein Gesetz zum schulischen Verbot der Burka erlassen hatte, zieht nun auch die grün-schwarze Koalition in Baden-Württemberg nach. Auf Bestreben der Kultusministerin Susanne Eisenmann von der CDU wurde der Gesetzesantrag auch vom grünen Koalitionspartner angenommen – auch wenn es aus dessen Reihen Stimmen gab, welche den Gesetzesvorschlag als Scheinproblem ansahen, da es bisher keine Vorkommnisse dieser Art im Land gegeben haben soll und auch aus anderen Ländern nur Einzelfälle bekannt seien. Dennoch betonte der Ministerpräsident Winfried Kretschmann, dass man sich in einer freien Gesellschaft nicht verschleiern sollte.
Die Kultusministerin der CDU hatte ähnlich argumentiert und will mit dem Gesetz den Schulen vorsorglich unter die Arme greifen: "Mit der Änderung des Schulgesetzes handeln wir vorausschauend und klar, um rechtliche Interpretationsspielräume zu beseitigen", betonte sie.
Unter das Verhüllungsverbot fallen Ganzkörperschleier wie etwa die Burka, mit lediglich kleinen Aussparungen an den Augen, sowie der Niqab, ein langer Kopfschleier mit einem schmalen Sehschlitz. Das Gesicht der Schülerinnen soll dadurch sichtbar bleiben. Kopftücher fallen nicht unter die verbotenen Bedeckungen. Ebenso die zur Zeit verpflichtenden Masken zur Eindämmung der Corona-Epidemie, obwohl diese Teile des Gesichts verdecken. Sie stellten jedoch eine Maßnahme zum Schutz aller Gesellschaftsmitglieder dar und seien dadurch anders zu behandeln.
Die neue Rechtssicherheit gilt allerdings nur für staatliche Schulen. Lehranstalten in freier Trägerschaft bleibt es selbst überlassen, wie sie mit einer Burka verfahren würden. Gerade für Schulen mit religiösen Trägern besteht in diesem Fall ein Schlupfloch. Auch an den Hochschulen stellt sich ein Verbot als nicht so leicht umsetzbar heraus, obwohl auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Andreas Schwarz, im Landtag gerne eine parallele Regelung angestrebt hätte.
Das Streitthema des Burkaverbots wird seit längerem heftig debattiert. Auf der einen Seite steht die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Trägerin, auf der anderen Seite eine Vorkehrung, die gesellschaftliche Teilhabe und Austausch untereinander gewährleisten soll. Hinzu kommt die Möglichkeit, dass Frauen durch sozialen Druck unter die Schleier gezwungen werden und eine derart radikale Verhüllung einer Unterdrückung Vorschub leisten könnte. Die verschiedenen Arten der Verhüllung der Frau im Islam dienen in ihrer ursprünglichen Begründung dem Verdecken von potenziell sexuell anregenden weiblichen Attributen. Somit würden Musliminnen die Schleier tragen, um keine männliche Lust zu erregen und ihre Ehre und Reinheit zu erhalten, die demnach lediglich dem eigenen Ehemann vorbehalten sein sollte.
Ein Burkaverbot würde den Frauen helfen, die durch ihr Umfeld ansonsten unter Druck geraten würden, sich vollständig zu verhüllen. Die freie Entscheidung der Frauen zur Burka ist daher in vielen Fällen in Frage zu stellen, besonders in muslimisch geprägten Gegenden und Ländern.
4 Kommentare
Kommentare
Ulrich Bock am Permanenter Link
Gibt es nicht ein Vermummungsverbot? Laut diesem Gesetz darf niemand mit verhüllten Gesicht herumlaufen. Das Gesetz richtet allerdings gegen Straftäter. Liege ich da richtig?
René am Permanenter Link
@ Ulrich Bock:
Das ist falsch. Es gibt in Deutschland kein allgemeines Vermummungsverbot. Vielleicht verwechselst Du das mit dem Vermummungsverbot bei Demonstrationen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Niqab/Burka verboten, Hijab nicht?
Anscheinend wurde das Problem auf Seiten der Landesregierung nicht erkannt. Ganz sicher sogar. Es geht doch nicht primär um die Verhüllung des Gesichts (was für sich genommen ein Grund wäre). Es geht auch nicht um Religionsfreiheit oder deren Einschränkung.
Es geht um etwas, das in einem Land mit freiheitlicher Verfassung unmöglich geschützt sein kann, egal unter welchem Deckmäntelchen: die Geschlechterapartheit. Art. 3 GG schützt Männer und Frauen gleichermaßen vor Diskriminierung gegenüber dem jeweils anderen Geschlecht. Und zwar nicht nur innerhalb der muslimischen Gemeinden, sondern innerhalb der deutschen Gesellschaft, für deren sämtlichen Glieder das Grundgesetz gilt.
Die Bekleidungsvorschriften für muslimisch konditionierte Frauen folgen einem geschlechterapartheitlichen Grundgedanken: Frauen sind von Männern zu separieren. Dies aus dem Grund, damit sich nur der Ehemann an seiner Ehefrau aufgeilen kann. Damit wird die Freiheit muslimischer Jugendlicher begrenzt, selbst bestimmt Liebesbeziehungen einzugehen und/oder sexuelle Erfahrungen zu machen. Beides ist für eine gesunde Sozialisierung unabdingbar.
Es ist also egal, welches der unterschiedlich "schwerwiegenden" Bekleidungsgebote die Frau in den Augen ihrer Gemeinde erfüllen muss; es ist immer gegen sie und ihre Freiheit auf Entwicklung eines selbstbewussten Charakters gerichtet. Und zwar, weil diese Bekleidungsvorschriften genau dieses Ziel verfolgen. Es ist also kein "Unfall", dass "zufällig" die Kleider die Freiheit des Mädchens/der Frau einschränken, sondern Absicht.
Wenn wir also auch muslimischen Frauen als Teil der Gesellschaft die gleichen verfassungsgemäßen Rechte zubilligen wollen, die allen anderen Männern und Frauen zustehen, dann müssten sämtliche Bekleidungsgebote als verfassungsfeindlich verboten werden.
Jetzt kommt das Argument der angeblichen "Freiwilligkeit" beim Tragen der Sichtpanzer. Natürlich darf sich eine Frau vor den Blicken von Männern verstecken. Sie darf auch in ihrer Wohnung bleiben oder nur in Begleitung männlicher Verwandter unterwegs sein. Ja, das darf sie.
Doch wer nimmt an, ALLE weiblichen Mitglieder der muslimischen Gemeinden würden auf die Freiheiten anderer Jugendlicher und Frauen verzichten wollen? Da der Staat hier nicht im Interesse von Art. 3 GG (für mich auch Art. 1 und 140 GG) handelt, können die eifersüchtigen muslimischen Männer mit dem Druckmittel der sozialen Ausgrenzung (und Schlimmerem!) die Mädchen und Frauen zum Tragen der geschlechterapartheitlichen Bekleidung zwingen oder nötigen.
Es wäre gut, wenn ein deutliches Signal vom Gesetzgeber käme, dass Geschlechterapartheit - und alle ihre realen Ausdrucksformen - in Deutschland aufgrund von Art. 3 GG verboten ist. Das schließt ein, dass Mädchen und Jugendliche die Freiheit auf körperliche Selbstbestimmung haben, dass sie nicht arrangiert oder gar unter Zwang verheiratet werden und selbstverständlich, dass sie anziehen dürfen, was immer sie wollen.
Es müssen staatliche Anlaufstellen geschaffen werden für muslimisch konditionierte Mädchen, Jugendliche und Frauen, bei denen sie um Hilfe nachsuchen können, wenn die Familie Druck ausübt, sich den geschlechterapartheitlichen Gepflogenheiten unterzuordnen. Dann wäre das eine runde Sache mit einem deutlichen Lerneffekt...
M. Landau am Permanenter Link
Wir wollen mehr Kopftuch wagen!
Ich ergreife das Wort für die Männer – sonst tut es ja niemand – und – irgendwer muss ja den ersten Schritt tun. Oft sind Unterdrückte durch das was ihnen angetan wird, gar nicht in der Lage sich selbst auszudrücken. Ihnen wird rücksichtslos das Recht vorenthalten Burka und Niqab zu tragen, zumindest in der Öffentlichkeit. Ja sogar das simple Kopftuch wird ihnen verwehrt. Männer müssen vom Trauma dieser Diskriminierung endlich erlöst werden. Männer müssen befreit werden, denn sonst wird sich das wiederholen, was schon einmal geschehen ist, als den Männern das Tragen des Minirocks nicht gestattet wurde. Das hinterlässt tiefe Spuren. Solche Traumata darf man nicht unterschätzen.
Ayatollahs setzen schon lange Zeichen! Sie sind, wenn auch zaghaft, Vorreiter in Sachen männlicher Verhüllung von Kopf und Körper. Diese mutigen Männer bestehen im täglichen Krampf um die Freiheit! Ganz absehen davon, stünde manchen ein Kopftuch ganz gut zu Gesicht. Wir müssten die Frauen, die ihre religiösen Vermummungen so sehr lieben und alle, ausnahmslos, freiwillig tragen, nur noch davon überzeugen ihrem Liebsten eines von sich zu borgen, gelegentlich; man muss die Männer ganz allmählich da heranführen und behutsam an die Freiheit gewöhnen, denn die Gefahr des Schocks ist allgegenwärtig...
Alle sollten sich die Birne einwickeln dürfen, der Verstand ist es ja längst.