Am 8. August fand das jährliche Regionalgruppentreffen der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) statt; erstmals – der Pandemie geschuldet – digital. Es beteiligten sich insgesamt 40 Personen, darunter Vertreter von 18 Regional- und fünf Hochschulgruppen sowie Stiftungsvorstand und Mitarbeiter*innen der gbs und des Hans-Albert-Instituts (HAI). Neben dem Rückblick auf vergangene Projekte stellte Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon kommende Vorhaben und das Schwerpunktthema des nächsten Jahres vor.
"Das Regionalgruppentreffen ist (…) ein absolutes Highlight im Kalender des organisierten Humanismus (…). Das Zusammentreffen von so vielen engagierten, intelligenten, motivierten Menschen hat jedes Mal aufs Neue so viele interessante neue Ideen zum Vorschein gebracht, so viele Initiativen gestartet, dass es schon ein wenig schmerzt, dass wir das dieses Jahr aufgrund von nachvollziehbaren Umständen nicht tun können", brachte Tobias Wolfram von der Berliner Hochschulgruppe die derzeitige Ausnahmesituation auf den Punkt. Denn auch das Treffen der Regional- und Hochschulgruppen der gbs konnte im Corona-Jahr aus Infektionsschutzgründen nicht in gewohnter Weise am Stiftungssitz im Haus Weitblick in Oberwesel stattfinden, sondern wurde in Form einer Videokonferenz abgehalten.
Vier neue gbs-Hochschulgruppen in Gründung
Tobias Wolfram, der auch in die bundesweite Hochschulgruppenkoordination der Giordano-Bruno-Stiftung involviert ist, stellte die besondere Bedeutung dieser Gruppen in einer Präsentation heraus, um an den Horten der Wissenschaft Erscheinungen einer voraufklärerischen Zeit (wie etwa Promotionen oder Habilitationsschriften mit kreationistischen Thesen) entgegenzuwirken und dazu beizutragen, Positionen ehrlich und faktenbasiert, unabhängig von politischen Standpunkten, zu diskutieren.
Derzeit gibt es fünf aktive Hochschulgruppen: neben der Hauptstadt in Trier, in Mainz, in Konstanz und seit letztem Jahr in Münster. Hier wird eine stärkere Unterstützung und Vernetzung vor allem auch auf digitaler Ebene angestrebt. Seit April finden bereits monatliche Online-Veranstaltungen mit Themen wie Intelligenzforschung oder Ökoautoritarismus statt, außerdem gibt es bundesweite virtuelle Arbeitsgruppen. Darüber hinaus werden Neugründungen durch aktive Hilfestellung unterstützt, wie es derzeit in Siegen, Göttingen, Halle (Saale) und Nürnberg/Erlangen passiert. Zwei der in Gründung befindlichen Hochschulgruppen waren auch beim jetzigen digitalen Treffen vertreten.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Humanistischer Studierender setzt sich für die Gleichberechtigung von Humanistinnen und Humanisten an deutschen Hochschulen ein und arbeitet zusammen mit anderen humanistischen Organisationen darauf hin, die weltanschauliche Lücke im System der universitären Studienförderung durch ein humanistisches Förderwerk zu schließen, denn bislang gibt es lediglich parteipolitisch oder religiös gebundene Angebote. Dafür sucht die Bundesarbeitsgemeinschaft Unterstützer*innen.
Derzeitige Schwerpunktthemen: Religionsunterricht und Suizidassistenz
Ein Thema, das ausführlich diskutiert wurde, war der Religionsunterricht. Dieser ist ordentliches Lehrfach an allen Schulen in Deutschland mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen, die jedoch bisher nur auf dem Papier existieren. Langfristiges Ziel wäre der Ersatz des bekenntnisgebundenen Unterrichts an öffentlichen Schulen durch einen gemeinsamen Ethik- und Philosophieunterricht, in dem Religionen sachlich von außen betrachtet und allen Schülern säkulare, gesellschaftlich wertvolle und religionsunabhängige Werte vermittelt werden. Einen Vorstoß in die Landespolitik hat hier bereits die Regionalgruppe von Schleswig-Holstein erreichen können, das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) ist auf juristischer Ebene aktiv.
Die Stuttgarter Regionalgruppe berichtete von den mittlerweile täglichen Anfragen bedrohter Atheisten aus arabischen Ländern an ihre neu gegründete Säkulare Flüchtlingshilfe. Nach der Erstgründung in Köln gibt es sie mittlerweile in fünf deutschen Städten und auch in Österreich.
Die Regionalgruppe aus Karlsruhe – der Stadt, in der das Bundesverfassungsgericht seinen Sitz hat – beschäftigt sich derzeit verstärkt mit dem Thema Suizidassistenz und hatte in Folge des höchstrichterlichen Urteils vom Februar, das den sogenannten "Sterbehilfeverhinderungsparagraphen" für nichtig erklärt hatte, einen Forderungskatalog für eine bevorstehende Neuregelung formuliert, der in die gemeinsam beim Bundesgesundheitsministerium eingereichte Stellungnahme von gbs und HAI eingeflossen ist.
Virtueller "Humanistischer Salon"
Der Düsseldorfer Aufklärungsdienst (DA) hat aus der Corona-Not eine Tugend gemacht und einen virtuellen "Humanistischen Salon" aufgebaut, in dem die geplanten und nicht als Präsenzveranstaltung durchführbaren Vorträge jetzt als Live-Stream über den gbs-Youtube-Channel übertragen werden. Zuschauer können zugeschaltet und live Fragen per Videoeinblendung oder Chat stellen. Seit Mai waren dort bereits der Philosoph Franz Josef Wetz, der Wissenschaftsjournalist Michael Shermer, Giulia Silberberger, die sich mit ihrer Organisation Der Goldene Aluhut gegen Verschwörungsmythen engagiert, sowie der Chemiker Jan Sütterlin zu Gast. Auch die für den 23. August angesetzte Verleihung des DA-Art-Awards wird auf diese Weise für alle mitzuverfolgen sein.
Zukunftsausblick
Neben dem Rückblick auf vergangene Projekte und derzeitige Aktivitäten richtete sich der Blick auch in die Zukunft: Das Jahr 2021 soll unter dem Motto "Evolutionärer Humanismus – Eine bessere Welt ist möglich" stehen, anlässlich des 60-jährigen Jubiläums des von Julian Huxley begründeten Konzepts, welches die weltanschaulich-philosophische Grundlage der Giordano-Bruno-Stiftung und die inhaltliche Klammer für die vielen unterschiedlichen Themen bildet, mit denen die gbs sich beschäftigt. Darüber hinaus möchte die Stiftung künftig stärker international agieren, um das Konzept des Evolutionären Humanismus weltweit bekannter zu machen.
Daneben wird ihre Schriftenreihe fortgesetzt: Der mittlerweile achte Band wird den Titel "Produktives Streiten – Auswege aus deiner defizitären Debattenkultur" tragen und demnächst im Alibri-Verlag erscheinen. Er ist das Ergebnis eines Projekts des gbs-Sommerforums und wurde von Angehörigen verschiedener Hochschulgruppen gemeinsam verfasst.
Zum Abschluss der fünfstündigen Konferenz ließ Stiftungsgründer Herbert Steffen die Teilnehmer einen Blick auf das Rheintal werfen: "Corona hat's uns nicht gegönnt (…). Guckt mal hin, dann seht ihr (…), wo ihr vielleicht nächstes Jahr wieder seid."
1 Kommentar
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Ersatz des bekenntnisgebundenen Unterrichts an öffentlichen Schulen durch einen gemeinsamen Ethik- und Philosophieunterricht ..." - das bedarf einer GG-Änderung, die in der Kirchenrepublik Deutschland mitte