Spanien: Muslimischer Religionsunterricht als Pilotprojekt

Ein Gesetz aus dem Jahr 2006 sollte Schulen nicht nur verpflichten, katholischen Religionsunterricht anzubieten, sondern es Kindern und Jugendlichen auch ermöglichen, evangelischen, muslimischen oder jüdischen Religionsunterricht erhalten zu können. Im nordostspanischen Katalonien findet in diesem Schuljahr ein Pilotprojekt zum muslimischen Religionsunterricht statt.

Obwohl Katalonien mit 564.000 gläubigen Personen die autonome Region Spaniens mit dem größten Anteil an muslimischer Bevölkerung ist, wird erst in diesem Schuljahr, 2020/2021, muslimischer Religionsunterricht in vier Regionen angeboten. Andere Regionen wie Valencia, Madrid, das Baskenland, die Balearen, Ceuta, Melilla und Andalusien hatten schon vor Jahren mit der Umsetzung begonnen.

In Barcelona, Baix Llobregat, Girona und Tarragona sollen ab diesem Schuljahr nun Kinder und Jugendliche in einem Pilotprojekt muslimischen Unterricht erhalten. Die Eltern von 2.500 Kindern hatten sich dafür eingesetzt, die gesetzliche Idee Realität werden zu lassen.

Am 2. September 2020 erließ das katalanische Bildungsministerium mit EDU/2108/20 die Grundlage für den neuen Unterricht. Ob genug Lehrkräfte zur Erteilung des Unterrichtes zur Verfügung stehen und ob sich genug Schüler*innen für den Unterricht einschreiben, wird die Evaluation nach Ende des Schuljahres zeigen.

Diese wird von verschiedenen Seiten gespannt erwartet. So wird sie zum Beispiel für die Islam-Kommission Spaniens (Comisión Islámica de España) interessant, die prüfen kann, welcher Bedarf besteht und wie die Qualität des Unterrichts beschaffen war. Dem Gesetz nach soll der Unterricht die Lebensrealität von muslimischen und nicht-muslimischen Menschen, Männern wie Frauen verschiedener geografischer und kultureller Herkunft, abbilden, um den Schüler*innen Perspektiven auf Inklusion und Diversität in der Bildung zu bieten.

Die christlich-konservative Partei Partido Popular (PP) dagegen will genau hinsehen, um zu prüfen, ob sich gegen die Gleichberechtigung von Mann und Frau ausgesprochen oder das Tragen von Burkas beworben werde. Inwieweit die PP den katholischen oder jüdischen Religionsunterricht auf solcherlei Dinge geprüft hätte, ist nicht bekannt.

Kritisch beäugt wird der muslimische Religionsunterricht aber auch von denjenigen, die sich wünschen, dass Kinder frei von Religion aufwachsen dürfen. So fragen sich die einen, ob man dann nicht vielleicht auch aztekische oder japanische Religionsinhalte nicht nur als reale Begebenheiten lehren, sondern auch die Lehrenden aus staatlichen Geldern bezahlen sollte. Andere fragen sich, ob ein Religionsunterricht, der über Religionen und die Lebensrealität Gläubiger informieren soll, nicht vielleicht zum Katechismus wird. Eine Religionsunterweisung, die für ständigen Nachschub in Kirchen, Moscheen und Synagogen sorgen soll.

Währenddessen kursieren Fake News durch rechte Gruppen von einer Abschaffung christlichen Religionsunterrichtes zugunsten von muslimischem Unterricht ebenso wie die Warnungen vor einer Islamisierung Spaniens.

Von einer Prüfung, ob junge Menschen statt eines Religionsunterrichtes, der ihnen eine Religion nahebringen soll, vielleicht einen benötigen könnten, der verschiedene Religionen und religionsfreie Lebenskonzepte vorstellt und frei von religiösen Ideen gesellschaftlich wichtige Werte vermittelt, ist nichts bekannt.

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