Eine Studie im Auftrag des Pew Research Centers belegt, dass – mit nur wenigen Ausnahmen – viele Regionen auf der Erde immer säkularer werden. Selbst in Staaten, die gemeinhin als stark religiös gelten, wie etwa die Türkei oder die USA, zeichnet sich ein Trend ab, wonach immer weniger Menschen den Glauben an Gott als Bedingung für moralisches Handeln ansehen. Mehrere Faktoren liefern jeweils einen Teil der Erklärung hierfür.
Um die Verbindung zwischen dem Glauben an Gott und moralischem Handeln zu untersuchen, wurden entsprechende Fragen an repräsentative Teile der Bevölkerung gestellt. Insgesamt wurden 38.426 Menschen aus 34 Ländern befragt. Dabei stellte sich heraus, dass Menschen aus sogenannten Schwellenländern im Gegensatz zu jenen aus den Industriestaaten eher religiös sind und für diese Gott eine notwendige Voraussetzung darstellt, um "gute Werte" ausbilden zu können. In einigen Ländern lassen sich dabei interessante Entwicklungen feststellen.
In Russland und der Ukraine hat sich der Anteil der Menschen, die Gott für wichtig erachten, seit 1991 erhöht, wohingegen ein umgekehrter Trend in Westeuropa festzustellen ist. Allgemein kann konstatiert werden, dass Europa zunehmend säkularer wird. Allerdings gibt es zwischen den westlichen und den östlich gelegenen europäischen Staaten Unterschiede: So sind in Griechenland, Bulgarien und der Slowakei rund 50 Prozent der Bevölkerung der Ansicht, dass der Glaube an höhere Entitäten notwendig sei, um moralisch korrekt handeln zu können. In Schweden, dem Vereinigten Königreich oder Frankreich gibt es lediglich noch einen einstelligen bis niedrigen zweistelligen Prozentsatz von Bürger*innen, die dies annehmen.
Auf der anderen Seite gibt es auch einige Staaten – Indonesien und die Philippinnen können hierfür als Beispiele herangezogen werden – in denen die Annahme, dass Gott für moralisches Handeln verantwortlich sei, ungebrochen hoch ist. In beiden Ländern denken dies 96 Prozent der Bevölkerung. Auch in Kenia gibt es mit 95 Prozent, in Nigeria mit 93 Prozent, in Brasilien und Tunesien mit 84 Prozent, in Indien mit 79 Prozent oder in der Türkei mit 75 Prozent einen relativ hohen Anteil an Menschen, die dieser Ansicht sind.
In manchen Ländern hat sich im Laufe der Zeit hinsichtlich dieser Fragestellung einiges getan. So waren 2002 in der Türkei noch satte 84 Prozent der Überzeugung, dass Gott für moralisches Handeln notwendig sei – also 9 Prozent mehr als gemäß der aktuellsten Daten. Auch in den USA unterstützen immer weniger Menschen diese Annahme. Dort ist der Prozentsatz seit 2002 sogar um 14 Prozent geschrumpft. Ein Plus verbuchen allerdings Länder wie zum Beispiel Bulgarien (17 Prozent), Russland (11 Prozent) oder Japan (10 Prozent).
Ob und inwiefern die Annahme vorherrscht, dass Gott für moralisches Handeln notwendig sei, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Unter anderem das Bruttoinlandsprodukt, das Einkommen, die Bildung, das Alter und die Verortung auf der politischen Links-Rechts-Skala kommen hierbei in Frage. Die Auswertung der Daten zeigte, dass die Bevölkerung von Ländern mit einem hohen Bruttoinlandsprodukt signifikant weniger den Glauben an Gott mit moralischem Verhalten verknüpft. Ein ähnlicher Effekt lässt sich für das Einkommen und die Bildung ausmachen. Ältere Menschen sind fast überall auf dem Globus stärker dazu geneigt, Religion und Moral zu verbinden. Wer politisch eher rechts steht, ist ebenfalls statistisch häufiger der Ansicht, dass der Glaube an Gott eine Voraussetzung für moralisches Handeln sei.
Hervorzuheben ist auch die Korrelation zwischen Religiosität und Ablehnung der Ehe für alle sowie der Ablehnung der Freiheit, über den eigenen Körper im Falle eines in Erwägung gezogenen Schwangerschaftsabbruchs selbst entscheiden zu können: Während die Bevölkerung in weniger religiösen Staaten wie etwa Schweden, Belgien oder den Niederlanden für das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe und die Freiheit, über den eigenen Körper entscheiden zu dürfen, einsteht, sind stärker religiös geprägte Gesellschaften wie beispielsweise Serbien, Polen oder Rumänien mehrheitlich dagegen. Auch die Bereitschaft, Muslime oder Juden im eigenen Familienkreis aufzunehmen ist in den stark christlich geprägten Nationen niedrigerer ausgeprägt als in den säkularen Regionen, wie eine frühere Pew-Studie ergab.
Insofern lässt sich durchaus zur Disposition stellen, ob die Frage, was moralisch ist, von allen Menschen gleich kompetent beantwortet werden kann. Was für einen stark religiösen Menschen im Mittel eine moralisch richtige Handlung ist – wie etwa das Verwehren von Sterbehilfe –, könnte an ethischen Maßstäben gemessen gänzlich verwerflich sein. Die möglicherweise regional stark abweichenden Definitionen von "moralisch einwandfreiem Verhalten" wurden im Rahmen der Studie des Pew Research Centers allerdings nicht betrachtet.
5 Kommentare
Kommentare
Christian am Permanenter Link
Eine Studie des …. belegt, dass…
Ob das beim Pew Research Center üblicherweise der Fall ist, kann ich nicht beurteilen, mit 5 Minuten Google-Recherche konnte ich nicht herausfinden, ob es sich im ein seriöses Institut handelt.
Zweites Problem ist die Fragestellung: Ob nur Menschen, die an Gott glauben, moralisch handeln können, war ja die Frage. Die Antwort ist natürlich nein, diese Antwort (nein) hätte man jedoch auch beim Papst oder jedem beliebigen evangelikalen Prediger bekommen. Denn wenn das so wäre (nichtgläubige Menschen hätten keine guten Werte, können nicht moralisch korrekt handeln etc.), müssten die Religionen nicht mehr missionieren, sondern die Menschen würden ungefragt in Scharen zu ihnen rennen. Eine sinnvolle Frage wäre z.B. gewesen „Glauben Sie, dass der Umstand, dass immer weniger Menschen an Gott glauben, langfristig zu einem moralischen Werteverfall in der Gesellschaft führt?
Drittens. Nur weil die Menschen glauben, dass es so ist, heißt es nicht, dass es wahr ist. Nur weil in bestimmten Ländern 70 % der Menschen glauben, dass es keinen menschengemachten Klimawandel gibt, heißt das nicht, dass es ihn nicht gibt. Ebenso bedeutet der Glaube, dass der Glaube an Gott nicht förderlich für ein moralisches Handeln ist, nicht, dass es nicht doch so ist.
Ergo, leider kein Erkenntnisgewinn durch diese Studie.
Thomas R. am Permanenter Link
"Um die Verbindung zwischen dem Glauben an Gott und moralischem Handeln zu untersuchen, wurden entsprechende Fragen an repräsentative Teile der Bevölkerung gestellt."
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"um "gute Werte" ausbilden zu können."
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"Werte" sind ebenso beliebig wie religiöse Überzeugungen und haben daher ebensowenig mit Ethik zu tun wie sie.
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"Was für einen stark religiösen Menschen im Mittel eine moralisch richtige Handlung ist […], könnte an ethischen Maßstäben gemessen gänzlich verwerflich sein."
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Richtig. Aber selbst eine religiös motivierte Handlung, die mit dem ethisch Erforderlichen übereinstimmt, ist niemals und unter keinen Umständen moralisch, denn: s.o..
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"Die möglicherweise regional stark abweichenden Definitionen von "moralisch einwandfreiem Verhalten" wurden im Rahmen der Studie des Pew Research Centers allerdings nicht betrachtet."
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Schade. Diese Untersuchung hätte die ethische Ahnungslosigkeit der weitaus meisten Befragten offengelegt und so (fast) all das vermeidbare Leid auf der Erde erklärt.
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Prima Studie. Leider behaupten das die Religionen zumeist und ziehen derzeit noch deshalb viele Anhänger an sich. Ich bin fast sicher, das wird langsam besser. Karin Resnikschek, Ammerbuch-Tübingen.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Dazu vielleicht ein Kommentar zu der gestrigen ARD Sendung "GOTT" über die Selbstbestimmung und den assistierten Suizid in Deutschland oder gar ein Artikel, wäre schön gewesen.
für oder gegen die Freigabe von NPB und 76% der Zuschauer waren dafür.
Der Bischof (Schauspieler) wurde vom Anwalt des Klägers bis zur Sprachlosigkeit befragt
und konnte seine Glaubensüberzeugung nicht untermauern.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Humanismus braucht keinen erfundenen und den Menschen eingeredeten Gott um gutes zu tun, Humanisten sind a priori schon emphatisch und verständnisvoll eingestellt.
Von Natur aus ist jeder Mensch von Geburt an Empathie fähig, dies wird von den Pfaffen ausgenützt um den Kindern einzureden, dies komme von Gott und wer das nicht glauben will, dem wird mit Hölle und Verdammnis gedroht. Nach diesem Schema funktionieren alle
monotheistischen Glaubenslehren und darum haben wir keinen Frieden unter der Menschheit. Humanisten sind auf dem Weg mit Aufklärung diese Zustände zu verändern,
nur so sehe ich eine machbare Welt, in Frieden vereint, Realität zu werden.
Ich bin mir bewusst, dass dies sehr Utopisch klingt, aber wer keine Träume mehr hat, hat auch die Hoffnung schon verloren.