DGHS-Präsident RA Prof. Robert Roßbruch kommentiert das Ergebnis des Zuschauer-Votings vom Montagabend mit den Worten: "Das ist wieder einmal ein absolut klares Signal aus der Bevölkerung für die Ermöglichung von Freitodbegleitungen." Die TV-Zuschauerinnen und Zuschauer waren aufgerufen, während der Ausstrahlung des Fernsehfilms "Gott", der Verfilmung eines aktuellen Bühnenstücks des Autors Ferdinand von Schirach, über das Anliegen des fiktiven Protagonisten abzustimmen.
Soll einem 78-Jährigen, obwohl nicht ernsthaft körperlich oder psychisch erkrankt, ein Medikament zur von ihm gewünschten Selbsttötung erlaubt werden oder nicht? 70,8 Prozent der per Telefon und Internet abgegeben Stimmen sagten: Ja. Zuvor hatten bei einer Art Verhandlung vor einem Ethikrat die Schauspieler in ihren Rollen von Rechtsanwalt, Bischof und Hausärztin eine Vielzahl von Sachinformationen und Argumenten pro und contra referiert.
"In dem Autorentext und auch in der anschließenden ARD-Diskussionssendung wurde meines Erachtens deutlich, dass es zum Freiheitsrecht eines jeden Menschen gehört, nicht nur alle denkbaren Behandlungsmöglichkeiten, sondern auch einen ärztlich begleiteten Freitod zu erwägen und in Anspruch nehmen zu können. Dass dieses Recht kürzlich vom Bundesverfassungsgericht glasklar bestätigt wurde, muss vom Gesetzgeber nun auch respektiert und faktisch ermöglicht werden", so Roßbruch. Seit die geschäftsmäßige und auf Wiederholung angelegte Freitodbegleitung nicht mehr strafrechtlich sanktioniert werden kann, sind deutsche Ärztinnen und Ärzte und auch Sterbehilfeorganisationen wieder berechtigt, die Option einer Freitodbegleitung mit Patienten zu diskutieren und nach sorgfältiger Prüfung des Falles, vor allem in Bezug auf Freiverantwortlichkeit, Wohlerwogenheit und Konstanz des Wunsches, zu realisieren.
Roßbruch weiter: "Eine finale Reise in die Schweiz oder harte Suizidmethoden sind seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr erforderlich."
Dass sich in Umfragen regelmäßig zwei Drittel bis drei Viertel der Befragten für die Selbstbestimmung im Sterben aussprechen, ist ein Effekt, der seit Jahren aus thematisch ähnlichen Umfragen, egal von welchem Fragesteller, bekannt ist. Die Sorge vor einem möglichen Dammbruch bei den Sterbezahlen, wenn ein Gewöhnungseffekt an Freitodbegleitungen wie in der Schweiz entsteht, weist die DGHS mit Hinweis auf Erfahrungswerte wie zum Beispiel in Oregon (USA) entschieden zurück. "Es gibt für den immer wieder kolportierten angeblichen Dammbruch keine empirischen Belege", betont der DGHS-Präsident.
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7 Kommentare
Kommentare
Stefan P. am Permanenter Link
Ich sympathisiere definitiv mit den Argumenten für die Sterbehilfe und mit dem Ergebnis des Zuschauer- Votings. Dennoch habe ich eine Kritik:
Wenn ich die Brille meiner Meinung ablege, dann war der Film aus meiner Sicht erzählerisch nicht ohne Tendenz, was vor allem wirkte durch Anwalt des Sterbewilligen, der als Hauptidentifikationsfigur des Zuschauers angelegt und von der unerschütterlichen Selbstsicherheit und Gewitztheit her (über die besseren Argumente hinausgehend!) wirklich „der Hecht“ war, um es salopp zu formulieren.
Das könnte man ehrlicherweise auch andersherum anlegen oder neutraler, mit Unsicherheiten bzw. sympathische Gewitztheit auf beiden Seiten. Für eine auf dieses Voting angelegte Erzählung wurde in meinen Augen zu sehr in die eigene Meinungsbildung des Zuschauers eingegriffen. Das braucht man bei den besten Argumenten aber gar nicht!
Das gehört für mich auch zur Wirklichkeit und sollte bei aller Sympathie nicht ganz außer Acht gelassen werden...
Klaus Bernd am Permanenter Link
Kann man so sehen. Ich finde aber auch das Setting einseitig: der Suizidwillige auf der Anklagebank mit einem Verteidiger, der für ihn spricht.
Riotbert am Permanenter Link
Oder die Ärzte auf der Anklagebank, damit sie und mal erklären, warum wir als freie Menschen sie um Erlaubnis fragen müssen sollten, bevor wir wirksame Substanzen von pharmazeutischen Unternehmen erwerben können.
Stefan P. am Permanenter Link
Das stimmt, aber viel Auswahl hat der Autor ja nicht bei der Frage, welche Seite er auf die Anklagebank setzen will, um die Idee eines Prozesses zu realisieren – bei der Art und Weise, wie er das dann inszeniert, hat
Ohnehin bin ich nicht der Ansicht, dass in einer gestaltbaren Erzählung die Position des Angeklagten grundsätzlich die schwächere sein muss – bei einer geschickten Inszenierung als Opferrolle kann sie sich auch als gerade besonders stark erweisen. (Aus gutem Grund wird die Opferrolle in der Realität allseits so gern strategisch eingesetzt – fast inflationär, könnte man derzeit meinen.) Der Underdog oder der Verkannte, der es am Ende allen zeigt – ein höchst wirkungsvolles Erzählschemata und deshalb in zahllosen Veröffentlichungen immer neu variiert...
Dass der Autor den Sterbewilligen auf die Anklagebank setzt, spiegelt deshalb aus meiner Sicht keineswegs abbildungsgetreu seine Meinung wider.
Opferrolle - so weit würde ich bei diesem sehr guten Theaterstück und Film aber ausdrücklich nicht gehen! Nur, ob das Zuschauer-Voting wirklich so gut zu einem Film passt, der aus meiner Sicht in seiner Erzählweise jedenfalls tendenziöser ist als nötig, ist für mich fraglich.
Dass das Ergebnis des Votings am Ende dennoch schlicht der üblichen Stimmverteilung bei dieser Frage entspricht, könnte darauf hindeuten, dass es da so wenig „Wechselwählerpotenzial“ gibt, dass es auch ein gut gemachter Film schwer hat, Entscheidendes in Bewegung zu setzen...
Vielleicht aber war der Film, um wirklich Überraschungen beim Voting auszulösen, letztlich auch zu kopflastig, während das Gros der Menschen diese Frage eher auf der emotionalen Ebene entscheidet als auf der argumentativen im Sinne eines solchen Gerichtsprozesses...
Falls dem so sein sollte: Mich hat dieser fiktive Gerichtsprozess intellektuell gefesselt – spannend, wie sich die konträren Seiten im argumentativen „Showdown“ schlagen. Aber ist das das Selbe wie vom eigentlichen Kern der Frage tief berührt zu werden? Ich glaube, nur Filmen, die das schaffen, gelingt es, so tief zu berühren, dass sie einen im wahrsten Sinne des Wortes innerlich „bewegen“...
Das soll keineswegs heißen, dass Entscheider sich hinreißen lassen und nicht rational entscheiden sollen – nur, ob ein Gerichtsprozess (oder eine Ethikkommission) auch das Entscheidungsmodell der breiten Masse ist?
Klaus Bernd am Permanenter Link
Am liebsten möchte ich das Wort Dammbruch zum Unwort des Jahres vorschlagen, so oft wird es von Klerikalen und ihren Gefolgsleuten missbraucht.
Die Motivation der Sterbehilfe-Gegner hat meiner Meinung nach Wolfgang Brosche in einem Kommentar für The European treffend analysiert:
Weiter leben, nein danke
Wolfgang Brosche6.03.2015Gesellschaft & Kultur, Innenpolitik https://www.theeuropean.de/wolfgang-brosche/9754-sterbehilfe-als-letzte-selbstermaechtigung
Hans Trutnau am Permanenter Link
Es gab ja auch *nie* vor dem unseligen Paragrafen einen sochen Dammbruch; "das Wort Dammbruch zum Unwort des Jahres" vorzuschlagen, ist daher nur zu berechtigt!
Riotbert am Permanenter Link
Das Natrium-Pentobarbital ist nach wie vor in Deutschland zum Zweck des Suizids nicht freigegeben. Das muss geändert werden.
Das "Dammbruch"-Argument am Ende des Beitrags ist ohnehin irrelevant. Selbst wenn sich Millionen von Leuten bei einer freien Regelung mit Natrium-Pentobarbital umbringen würden, wäre das das Recht dieser Millionen von Leuten, die individuell entschieden haben. Die Zahl ist also völlig unerheblich. Ob es 10 sind oder 10 Millionen, ob sie 78 Jahre alt sind oder 18, ändert nichts am Recht jeder Person, diese Entscheidung für sich zu treffen. Es gibt keine Pflicht zu leben.