Der GWUP-Prognosencheck 2020

Corona – wer konnte das schon voraussehen?

Tja, 2020 "hätte das Jahr der Hellseher werden können", resümiert der Mainzer Mathematiker Michael Kunkel, der seit beinahe 20 Jahren für die GWUP esoterische Vorhersagen sammelt und prüft, ob sie eingetroffen sind. Über hundert Prophezeiungen waren es heuer, aus Büchern, YouTube-Videos, Pressemeldungen, Blogs und Websites. Von Waldbränden ist da die Rede – wie sie sich jedes Jahr ereignen. Von Vulkanausbrüchen und Erdbeben – wenn auch in der Regel ohne genauere Ortsangabe. "Treffer" sind da vorprogrammiert, haben aber nichts mit hellseherischen Fähigkeiten zu tun.

Die selbsternannten Prophetinnen und Propheten sahen außerdem Donald Trump bei der US-Wahl triumphieren (Palmblattdeuter Thomas Ritter und Fernsehprediger Pat Robertson) – oder verlieren (Astrologe Dincer Güner). Ihre KollegInnen Judy Hevenly, Nikki Pezaro und Craig Hamilton-Parker gingen davon aus, dass Trumps Herausforderer Joe Biden gar nicht erst antreten würde. In einem Detail hat der scheidende US-Präsident sie alle überrascht: Dass er die Wahl in mehreren Bundesstaaten anfechten würde, hat niemand in Kunkels Liste vorausgesagt.

Auch die Pandemie ist der Zunft offenbar entgangen, obgleich einige Fans der Sterndeutung das gern anders sähen. Schon im März wollte eine astrogläubige Person den GWUP-Chefblogger Bernd Harder überzeugen, dass "Star-Astrologin Ruth Bauer-Wolf" bereits am Neujahrstag in Sachen Zukunft komplett Bescheid gewusst habe. Wer deren Video anschaut, erfährt, dass es 2020 "sehr viele Veränderungen" geben werde. Wer möchte das bestreiten? Und wer kennt ein beliebiges anderes Jahr, auf das diese Prognose nicht gepasst hätte?

Nachher ist man halt immer schlauer. So versuchten sich einige SterndeuterInnen im Rückblick an astrologischen Erklärungen der Pandemie, wie Kunkels Liste zeigt. Star-Astrologin Elizabeth Teissier hatte für den 12. Januar ein "schlimmes Ereignis" prophezeit und Dr. Christoph Nederwieser bereits 2016 Krisen und eine möglichen Wandel angekündigt. Ob sich die beiden Anfang 2020 rechtzeitig vor dem großen Ansturm mit Klopapier-Vorräten eindeckten, ist der Redaktion nicht bekannt.

Den Skeptiker Michael Kunkel lassen solche "Nachhersagen" eher unbeeindruckt. "Wenn man einen Prognosetreffer nachträglich wortreich erklären muss, dann kann die Prognose nicht so toll gewesen sein", so sein Urteil. Ganz eindeutig sind dagegen einige Prophezeiungen des kanadischen Mediums Nikki Pezaro. Etwa die Entdeckung eines Riesenaffen auf einer einsamen Insel – King Kong lässt grüßen –, einen Roboter als Bankräuber und Pinguine, die Stadtbewohner nerven. Angesichts solch mutiger Prognosen wird verständlich, warum Pezaros KollegInnen sich tendenziell eher ungenau äußern.

Einer landete dennoch mit harten Zahlen einen Treffer, und Kunkel gratuliert. Klemens Ludwig, Vorsitzender des Deutschen Astrologenverbands, prophezeite Ende 2018 einen Sturz des Deutschen Aktienindex DAX "auf mindestens 8.500 Punkte". Genau das trat im März 2020 ein, zumindest für einige Tage.

Corona jedenfalls wird uns nächstes Jahr gewiss auch in den Prophezeiungen der Hellseherzunft weiter begleiten. Denn diese speisen sich aus den Hoffnungen und Befürchtungen des Publikums. Als weiteres Top-Thema erwartet Michael Kunkel die Nachfolge im Kanzleramt. Seine Sammlung von Prophezeiungen wird er jedenfalls weiter führen, auch wenn spektakuläre Treffer eher nicht zu erwarten seien.

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