Streit um das Leipziger Paulinum

Schluss mit Kanzel-Culture!

In Leipzig regt sich Widerstand gegen die erneute Forderung der christlichen Lobbygruppe "Paulinerverein", die historische Kirchenkanzel in der Universitätsaula anbringen zu lassen. Der Student_innenRat der Universität Leipzig sowie die Leipziger Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung fordern ein Ende der Kanzeldebatte.

Das Paulinum ist in Leipzig seit Jahren ein Politikum. 1968 wurde die Paulinerkirche am zentralen Augustusplatz vom DDR-Regime gesprengt. In den 2000er Jahren begann der Wiederaufbau, doch über die Art dieses Wiederaufbaus und die Nutzung des entstehenden Gebäudes gab es von Anfang an Streit. Während die Universitätsleitung den aus öffentlichen Mitteln finanzierten Bau als universitäre Aula plante, bestanden die theologische Fakultät und die evangelische Landeskirche auf einer Nutzung des Paulinums als sakralem Raum.

Es kam zu einem Kompromiss. Zwar ist das Paulinum offiziell die Aula der Universität, trotzdem erfolgte der Bau in sakraler Optik, was die Baukosten erheblich in die Höhe trieb, es wurde ein Andachtsraum geschaffen, in dem gerettete Kunstschätze aus der alten Kirche gezeigt werden, und es fand eine Weihung zur Universitätskirche statt. Doch trotz dieser massiven Zugeständnisse an die Fraktion der Religiösen schwelt der Streit weiter – und entzündet sich immer wieder an einem Einrichtungsgegenstand: der historischen Kirchenkanzel. Während die Religiösen die Kanzel unbedingt wieder im Paulinum sehen wollen, finden Säkulare, dass eine Kirchenkanzel in einer Universitätsaula nichts zu suchen hat. 2019 entschied sich der akademische Senat der Uni Leipzig ebenfalls gegen ein Wiederaufstellen der Kanzel. Vordringlich jedoch aus klimatischen Gründen: Eine Untersuchung hatte ergeben, dass das Raumklima in der Aula der historischen Kanzel schaden würde. Das jedoch hält die christliche Lobbygruppe Paulinerverein nicht davon ab, immer wieder die Aufstellung der Kanzel im Paulinum zu fordern, ja sogar zu verlangen. Durch die Weigerung, dieser Forderung nachzukommen, vergehe sich die Uni-Leitung in höchst bedenklicher Weise an jenen "Aufrechten", die wegen ihrer Proteste gegen die Sprengung der Paulinerkirche 1968 verfolgt worden seien. Doch die Forderungen des Paulinervereins stoßen auf Widerstand.

"Der Senat sowie die gesamte Universitätsgemeinschaft haben sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Jedoch spricht die Sachlage schlicht gegen die Aufstellung der historischen Kanzel", so Nico Eisbrenner, Referent für Hochschulpolitik des Student_innenRat der Universität Leipzig. "Die Sicht einiger Sitzplätze wäre eingeschränkt, das Raumklima würde dem wertvollen Objekt schaden und die Kanzel würde die Trennung von Kirche und Universität dauerhaft schädigen. Als Studierendenvertretung fordern wir daher, die untote Debatte um die Kanzel endlich zu beenden."

Beispielbild
© gbs Leipzig

Die erneute Forderung der Pauliner konterte die Leipziger Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung nun am Wochenende, indem sie mit leicht abwaschbarer Sprühkreide 29 mal auf den Augustusplatz vor der Universitätsaula ihre Forderung sprühte: "Keine Kanzel in die Aula!"

"Es wurden so viele historische Kirchenelemente im Paulinum angebracht, dass dieses kaum noch als eine universitäre Aula zu erkennen ist. Mit dem Einbau der Kanzel würde die Universität ihre weltliche Aula endgültig verlieren. Der sakrale Charakter des Gebäudes ist schon jetzt erdrückend", so Maximilian Steinhaus, Sprecher der gbs Leipzig: "Die Taktik der Pauliner, alle paar Monate ungebeten von der Seitenlinie reinzubrüllen und der Universität Vorhaltungen zu machen, ist nur die Fortsetzung der jahrhundertelangen Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit durch die Kirchen. Indem der Paulinerverein die Ablehnung der heutigen Universitätsleitung in die Nähe der damaligen Sprengung rückt, disqualifiziert er sich (erneut) für jeden weiteren Diskurs. Da sich die Pauliner ihre Niederlage immer noch nicht eingestehen wollen, mussten wir ihnen die Entscheidung der Universität noch einmal vor Augen führen. Natürlich ist es kein Zufall, dass wir unsere Forderung genau 29-mal auf den Boden gesprüht haben: Während die Pauliner heute mit dem Gottesdienst der Sprengung der damaligen Universitätskirche vor 53 Jahren gedenken, wollen wir darauf hinweisen, dass diese christliche Lobbygruppe sich bereits seit 29 Jahren in die Angelegenheiten der Universität einmischt und versucht, die Trennung von Staat und Kirche auszuhebeln. In der öffentlichen Debatte wurde die Frage, ob der Staat überhaupt eine Kirche bauen darf, leider viel zu wenig beachtet. Die Sprengung mag Unrecht gewesen sein, aber dass der Staat mit Hochschulgeldern eine Kirche baut, ist auch ein Verfassungsbruch."

Im Übrigen gehe die immer wieder aufkeimende Kanzeldebatte an der tatsächlichen Problematik des Paulinums vorbei, so Paul Reinhardt, Referent für Lehre und Studium des Student_innenRat der Universität Leipzig: "Das Paulinum muss unbedingt für Lehre sowie universitäres und studentisches Leben nutzbar sein. Das ist leider nicht der Fall. Für die Nutzung durch Angehörige der Universität werden Kosten in vierstelliger Höhe fällig. Dies erschwert die Nutzung für Einrichtungen der Universität und insbesondere studentische Initiativen. Statt weltfremder Debatten um eine Kanzel muss endlich über die adäquate Nutzung der Aula diskutiert werden!"

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